Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.die Bretzel eine Kette, und um die Leser nicht zu lange in peinlichen Halb¬ Damit war mir immer noch nicht viel geholfen. Indeß war es doch "Eine Million Menschen in drei Welttheilen rüstet sich, diesen Tag in So las ich, staunte und schämte mich, eine solche Vereinigung auch nur einen Nach einiger Zeit erwacht, las ich den zweiten Aufsatz, eine kleine Ab¬ "Gar vielen Menschen", so lehrt uns der Verfasser gegen den Schluß die Bretzel eine Kette, und um die Leser nicht zu lange in peinlichen Halb¬ Damit war mir immer noch nicht viel geholfen. Indeß war es doch „Eine Million Menschen in drei Welttheilen rüstet sich, diesen Tag in So las ich, staunte und schämte mich, eine solche Vereinigung auch nur einen Nach einiger Zeit erwacht, las ich den zweiten Aufsatz, eine kleine Ab¬ „Gar vielen Menschen", so lehrt uns der Verfasser gegen den Schluß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133495"/> <p xml:id="ID_671" prev="#ID_670"> die Bretzel eine Kette, und um die Leser nicht zu lange in peinlichen Halb¬<lb/> licht zu lassen, gebe ich hier gleich auch die Lösung des Rebus, der in den<lb/> zuletzt .angeführten Buchstaben lag. Sie bedeuten, wie ich später entdeckte:<lb/> „Unabhängiger Orden der Sonderbaren Brüder (InÄexvnävnt Orcler c>k<lb/> Ociä I^llovs)."</p><lb/> <p xml:id="ID_672"> Damit war mir immer noch nicht viel geholfen. Indeß war es doch<lb/> etwas, und der fernere Inhalt des Blattes half weiter. Ich ersah daraus,<lb/> daß der Orden am 28. April sein sechsundfünfzigjähriges Stiftungsfest feierte,<lb/> und daß er sehr verbreitet war; denn:</p><lb/> <p xml:id="ID_673"> „Eine Million Menschen in drei Welttheilen rüstet sich, diesen Tag in<lb/> würdiger Festesfreude zu begehen, an welchem der Grundstein zu jenem er¬<lb/> habenen Tempel gelegt wurde, auf dessen Altären die hehren Flammen wahrer<lb/> reiner Menschenliebe genährt werden. Eine feierliche Stimmung bemächtigt<lb/> sich beim Herannahen dieses Tages eines jeden Mitgliedes des Ordens, und<lb/> höher schwillt ihm die Brust in dem Bewußtsein, ein Glied in jener Kette<lb/> zu sein, welche einst alle Völker der Erde durch die Grundsätze des Wohl¬<lb/> wollens in Freundschaft, Liebe und Wahrheit vereinigen wird. Höher müssen<lb/> seine Empfindungen, sein Selbstvertrauen und dadurch seine Fähigkeiten und<lb/> Kräfte steigen bei dem Gedanken, daß es keine Institution auf der weiten Erde<lb/> giebt, die so dem Cultur-Fortschritt huldigt, ja die diesen selbst herbeiführt."</p><lb/> <p xml:id="ID_674"> So las ich, staunte und schämte mich, eine solche Vereinigung auch nur einen<lb/> Augenblick für frivole, profane Narren, gewissermaßen für Vettern der seligen<lb/> Feuerrüpel-Brigade in Leipzig gehalten zu haben. Besonders die letzten Worte,<lb/> „daß es keine Institution auf der weiten Erde giebt" u. f. w. imponirten<lb/> mir, zumal sie groß gedruckt waren. Auch die „Million Menschen in drei<lb/> Welttheilen" wirkte mächtig. Gut und schön klang endlich das vom „erhabnen<lb/> Tempel" und den „hehren Flammen". Nach der Scham gewann auch in<lb/> mir „feierliche Stimmung" die Oberhand, diese gipfelte in Verzückung, und in<lb/> dieser wieder hatte ich eine Vision, in der ich nichts als schwellende Brüste<lb/> sah. Der Saulus war zum Paulus geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_675"> Nach einiger Zeit erwacht, las ich den zweiten Aufsatz, eine kleine Ab¬<lb/> handlung über die Selbstsucht, die so tiefsinnig über allerdings schon einiger¬<lb/> maßen bekannte Dinge sprach, daß ich, an gewöhnliche Logik und landläufige<lb/> Psychologie und Ethik gewöhnt, bisweilen den Sinn nicht zu ergründen ver¬<lb/> mochte und mit Mühe der Versuchung mich erwehrte, in die alte Sünde<lb/> zurückzufallen und Ott Fellows von Neuem mit .Närrische Kerle" zu über-<lb/> setzen. Eine Probe wird mich entschuldigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_676" next="#ID_677"> „Gar vielen Menschen", so lehrt uns der Verfasser gegen den Schluß<lb/> hin, „ist der Hang zur Leidenschaft sowie der Drang zur Selbstsucht ange.<lb/> boren; die Natur hat sie dafür mit Edelsinn stiefmütterlich ausgestattet; ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
die Bretzel eine Kette, und um die Leser nicht zu lange in peinlichen Halb¬
licht zu lassen, gebe ich hier gleich auch die Lösung des Rebus, der in den
zuletzt .angeführten Buchstaben lag. Sie bedeuten, wie ich später entdeckte:
„Unabhängiger Orden der Sonderbaren Brüder (InÄexvnävnt Orcler c>k
Ociä I^llovs)."
Damit war mir immer noch nicht viel geholfen. Indeß war es doch
etwas, und der fernere Inhalt des Blattes half weiter. Ich ersah daraus,
daß der Orden am 28. April sein sechsundfünfzigjähriges Stiftungsfest feierte,
und daß er sehr verbreitet war; denn:
„Eine Million Menschen in drei Welttheilen rüstet sich, diesen Tag in
würdiger Festesfreude zu begehen, an welchem der Grundstein zu jenem er¬
habenen Tempel gelegt wurde, auf dessen Altären die hehren Flammen wahrer
reiner Menschenliebe genährt werden. Eine feierliche Stimmung bemächtigt
sich beim Herannahen dieses Tages eines jeden Mitgliedes des Ordens, und
höher schwillt ihm die Brust in dem Bewußtsein, ein Glied in jener Kette
zu sein, welche einst alle Völker der Erde durch die Grundsätze des Wohl¬
wollens in Freundschaft, Liebe und Wahrheit vereinigen wird. Höher müssen
seine Empfindungen, sein Selbstvertrauen und dadurch seine Fähigkeiten und
Kräfte steigen bei dem Gedanken, daß es keine Institution auf der weiten Erde
giebt, die so dem Cultur-Fortschritt huldigt, ja die diesen selbst herbeiführt."
So las ich, staunte und schämte mich, eine solche Vereinigung auch nur einen
Augenblick für frivole, profane Narren, gewissermaßen für Vettern der seligen
Feuerrüpel-Brigade in Leipzig gehalten zu haben. Besonders die letzten Worte,
„daß es keine Institution auf der weiten Erde giebt" u. f. w. imponirten
mir, zumal sie groß gedruckt waren. Auch die „Million Menschen in drei
Welttheilen" wirkte mächtig. Gut und schön klang endlich das vom „erhabnen
Tempel" und den „hehren Flammen". Nach der Scham gewann auch in
mir „feierliche Stimmung" die Oberhand, diese gipfelte in Verzückung, und in
dieser wieder hatte ich eine Vision, in der ich nichts als schwellende Brüste
sah. Der Saulus war zum Paulus geworden.
Nach einiger Zeit erwacht, las ich den zweiten Aufsatz, eine kleine Ab¬
handlung über die Selbstsucht, die so tiefsinnig über allerdings schon einiger¬
maßen bekannte Dinge sprach, daß ich, an gewöhnliche Logik und landläufige
Psychologie und Ethik gewöhnt, bisweilen den Sinn nicht zu ergründen ver¬
mochte und mit Mühe der Versuchung mich erwehrte, in die alte Sünde
zurückzufallen und Ott Fellows von Neuem mit .Närrische Kerle" zu über-
setzen. Eine Probe wird mich entschuldigen.
„Gar vielen Menschen", so lehrt uns der Verfasser gegen den Schluß
hin, „ist der Hang zur Leidenschaft sowie der Drang zur Selbstsucht ange.
boren; die Natur hat sie dafür mit Edelsinn stiefmütterlich ausgestattet; ihnen
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