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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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die Buchstaben und die Hand mit dem Herzen vorerst dunkel blieben, in jenen
Worten "Officielles Organ für die Interessen des Unabhängigen Ordens der
Ott Fellows" mehr Licht. Doch ließ dasselbe immer noch Raum zu allerlei
Vermuthungen, die sich in der Folge nicht bestätigten.

Ein Orden? Ein unabhängiger Orden? Ott Fellows? Fangen wir,
sagte ich mir, die Entzifferung von hinten an. Ott Fellows heißt: Selt¬
same Kameraden -- wunderliche Käuze -- unter Umständen auch närrische
Kerle. Von wem werden Leute, die sich so nennen, zunächst und vor Allem
unabhängig sein wollen? fragte ich mich. Doch wohl von der gesunden Ver¬
nunft, antwortete es, und jetzt meinte ich den Charakter des Ordens heraus
zu haben. Er wurde offenbar von dem Prinzen verliehen, der in Cöln und
Leipzig während des Carnevals regiert, er war eine Genossenschaft lustiger
Narren, Spaßvogel und Hanswurste.

Aber fehl geschossen. Schon der Umstand, daß das Blatt nicht aus der
Faschingswoche und auch nicht vom ersten April, diesem letzten Tag im Jahre,
wo sich die Narren tummeln, stammte, sondern vom fünfzehnten datirt war,
mußte den Vorsichtigen in der Meinung irre machen, daß er sich mit jener
Deutung auf der richtigen Fährte befinde, und die weitere Besichtigung meiner
Hieroglyphen ergab denn auch, daß die Ott Fellows eine Gesellschaft waren,
die wenigstens für ernsthaft gehalten sein wollte.

Ich begegnete unter diesen Hieroglyphen zunächst einer "officiellen Be¬
kanntmachung aus dem Bureau des Groß-Sire Hondo. Gr. L. D. N., die
an die Würd. O. M.. respect. Haupt-Patr., Beamten und Brüder sämmt¬
licher Untergeb. Körperschaften innerhalb der Jurisdiction der Großloge
des Deutschen Reichs I. O. O. F." gerichtet war und zur Unterstützung der
durch Heuschreckenplage geschädigten Brüder im Staate Kansas aufforderte.
Das war vielleicht in seiner Form ein wenig närrisch, seinem Inhalt nach
aber gewiß recht vernünftig. Und das Letztere galt von dem Spruche, der
dem beigedrucktem großen Siegel als Umschrift diente und folgendermaßen
lauteten "Wir gebieten Euch, die Kranken zu besuchen, den Bedrängten zu
helfen, die Todten zu bestatten und die Waisen zu erziehen." Räthselhaft
und ein wenig närrisch schienen auf den ersten Blick wieder die Embleme des
Siegels: ein Frauenzimmer, das sich mit dem linken Arm auf einen Schild
mit dem deutschen Reichsadler lehnte und mit der rechten Hand ein blankes
Schwert in einen Bienenkorb stieß, und über dem von einem Auge und drei
Sternen herab ein Vogel mit ausgebreiteten Fittigen auf ein Ding sich senkte,
das einer in der Luft schwebenden doppelten Bretzel glich. Eine Unterschrift
gab indeß Auskunft, daß die Dame mit dem Wappen und dem Bienenkorbe
die Großloge des Deutschen Reiches der oder des U. O. S. B. (I. O. O. F)
war. Der Vogel war bei näherem Zusehen der Adler der Vereinigten Staaten,


die Buchstaben und die Hand mit dem Herzen vorerst dunkel blieben, in jenen
Worten „Officielles Organ für die Interessen des Unabhängigen Ordens der
Ott Fellows" mehr Licht. Doch ließ dasselbe immer noch Raum zu allerlei
Vermuthungen, die sich in der Folge nicht bestätigten.

Ein Orden? Ein unabhängiger Orden? Ott Fellows? Fangen wir,
sagte ich mir, die Entzifferung von hinten an. Ott Fellows heißt: Selt¬
same Kameraden — wunderliche Käuze — unter Umständen auch närrische
Kerle. Von wem werden Leute, die sich so nennen, zunächst und vor Allem
unabhängig sein wollen? fragte ich mich. Doch wohl von der gesunden Ver¬
nunft, antwortete es, und jetzt meinte ich den Charakter des Ordens heraus
zu haben. Er wurde offenbar von dem Prinzen verliehen, der in Cöln und
Leipzig während des Carnevals regiert, er war eine Genossenschaft lustiger
Narren, Spaßvogel und Hanswurste.

Aber fehl geschossen. Schon der Umstand, daß das Blatt nicht aus der
Faschingswoche und auch nicht vom ersten April, diesem letzten Tag im Jahre,
wo sich die Narren tummeln, stammte, sondern vom fünfzehnten datirt war,
mußte den Vorsichtigen in der Meinung irre machen, daß er sich mit jener
Deutung auf der richtigen Fährte befinde, und die weitere Besichtigung meiner
Hieroglyphen ergab denn auch, daß die Ott Fellows eine Gesellschaft waren,
die wenigstens für ernsthaft gehalten sein wollte.

Ich begegnete unter diesen Hieroglyphen zunächst einer „officiellen Be¬
kanntmachung aus dem Bureau des Groß-Sire Hondo. Gr. L. D. N., die
an die Würd. O. M.. respect. Haupt-Patr., Beamten und Brüder sämmt¬
licher Untergeb. Körperschaften innerhalb der Jurisdiction der Großloge
des Deutschen Reichs I. O. O. F." gerichtet war und zur Unterstützung der
durch Heuschreckenplage geschädigten Brüder im Staate Kansas aufforderte.
Das war vielleicht in seiner Form ein wenig närrisch, seinem Inhalt nach
aber gewiß recht vernünftig. Und das Letztere galt von dem Spruche, der
dem beigedrucktem großen Siegel als Umschrift diente und folgendermaßen
lauteten „Wir gebieten Euch, die Kranken zu besuchen, den Bedrängten zu
helfen, die Todten zu bestatten und die Waisen zu erziehen." Räthselhaft
und ein wenig närrisch schienen auf den ersten Blick wieder die Embleme des
Siegels: ein Frauenzimmer, das sich mit dem linken Arm auf einen Schild
mit dem deutschen Reichsadler lehnte und mit der rechten Hand ein blankes
Schwert in einen Bienenkorb stieß, und über dem von einem Auge und drei
Sternen herab ein Vogel mit ausgebreiteten Fittigen auf ein Ding sich senkte,
das einer in der Luft schwebenden doppelten Bretzel glich. Eine Unterschrift
gab indeß Auskunft, daß die Dame mit dem Wappen und dem Bienenkorbe
die Großloge des Deutschen Reiches der oder des U. O. S. B. (I. O. O. F)
war. Der Vogel war bei näherem Zusehen der Adler der Vereinigten Staaten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/206>, abgerufen am 06.02.2025.