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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Suiten, diese treuen Diener des päpstlichen Thrones, die Macht des Stuhles
Petri durch die Bekehrung der Slaven zur römischen Kirche, zu heben.

Als es den Jesuiten, unter Possevin, am Hofe des russischen Czaaren
mißlungen war, wandten sie sich an das katholische Polen: sie wollten den
Theil Rußlands, welcher das Unglück hatte unter das Joch des Polnischen
Adels zu gerathen -- latinisiren.

Um dieses Ziel zu erreichen, scheuten die Jesuiten kein Mittel. Sie
wandten Alles an, beginnend mit der einfachen körperlichen Züchtigung bis
zum Raube aller Menschenrechte an dem Bekenner der orthodoxen Kirche.
Als aber alle Mittel der Grausamkeit sich als kraftlos bei der Bekehrung
der Masse der russischen Bevölkerung zum Katholicismus erwiesen, beschlossen
die heiligen Väter, für den Augenblick sich mit der Verwirklichung eines
Theiles ihrer Wünsche zu begnügen und ersannen als inoSus vivendi die
Union oder die Vereinigung.

Auf der Synode zu Brest (1595) verlangten die Jesuiten und die ihnen
als Werkzeug ergebene polnische Regierung, von der russischen Bevölkerung
in Polen anfangs nur die Anerkennung der Oberhoheit des Papstes. Nach
dem ursprünglich angenommenen Principe sollten alle Dogmen der ortho¬
doxen Kirche, nicht ausgenommen die Lehre über den Ausgang des heiligen
Geistes, sowie auch alle kirchlichen Ceremonien, sogar der Gebrauch der sla¬
vischen Sprache beim Gottesdienste unangetastet bleiben.

Indem die griechischen Russen der polnischen Provinzen die Oberhoheit
des Papstes anerkannten, hofften sie dadurch ihren Glauben und sich selbst
vor den beständigen Verfolgungen der römisch-katholischen Geistlichkeit zu
sichern.

In der Wirklichkeit gestalteten sich die Dinge anders. Religion und
Politik identificirend, hat der Adel der polnischen Republik, im Bunde mit
den Priestern, mit beispielloser Consequenz und Ausdauer die unirte Geistlich¬
keit und die unirte Bevölkerung verfolgt und dieselben zur allendlichen An¬
nahme des römischen Katholicismus bewogen. Um den Uebertritt zu, erleich¬
tern, wurden, trotz der publicirten päpstlichen Bullen und oft sogar mit heim¬
licher Genehmigung der römischen Kurie nach und nach in den unirren Cul¬
tus neue Gebete und sogar der orientalischen Kirche ganz fremde Elemente
eingeführt. Zum nicänischen Symbole wurde, nach Weise der Lateiner das
"lilioMe" hinzugefügt, der kirchlichen Ceremonien nicht weiter zu gedenken.
Gepredigt wurde in polnischer Sprache. Nicht genug damit. Die Eparchial-
behörde, ergeben dem Patronate des polnischen Adels, besetzte die vacanten
unirten Stellen mit katholischen Priestern, welche unter dem Volke für die
Idee Propaganda machten, daß die römische Kirche sich durch nichts von der
orthodoxen- unterscheide und dieselbe vollkommen ersetze. Auf diese Weise


Suiten, diese treuen Diener des päpstlichen Thrones, die Macht des Stuhles
Petri durch die Bekehrung der Slaven zur römischen Kirche, zu heben.

Als es den Jesuiten, unter Possevin, am Hofe des russischen Czaaren
mißlungen war, wandten sie sich an das katholische Polen: sie wollten den
Theil Rußlands, welcher das Unglück hatte unter das Joch des Polnischen
Adels zu gerathen — latinisiren.

Um dieses Ziel zu erreichen, scheuten die Jesuiten kein Mittel. Sie
wandten Alles an, beginnend mit der einfachen körperlichen Züchtigung bis
zum Raube aller Menschenrechte an dem Bekenner der orthodoxen Kirche.
Als aber alle Mittel der Grausamkeit sich als kraftlos bei der Bekehrung
der Masse der russischen Bevölkerung zum Katholicismus erwiesen, beschlossen
die heiligen Väter, für den Augenblick sich mit der Verwirklichung eines
Theiles ihrer Wünsche zu begnügen und ersannen als inoSus vivendi die
Union oder die Vereinigung.

Auf der Synode zu Brest (1595) verlangten die Jesuiten und die ihnen
als Werkzeug ergebene polnische Regierung, von der russischen Bevölkerung
in Polen anfangs nur die Anerkennung der Oberhoheit des Papstes. Nach
dem ursprünglich angenommenen Principe sollten alle Dogmen der ortho¬
doxen Kirche, nicht ausgenommen die Lehre über den Ausgang des heiligen
Geistes, sowie auch alle kirchlichen Ceremonien, sogar der Gebrauch der sla¬
vischen Sprache beim Gottesdienste unangetastet bleiben.

Indem die griechischen Russen der polnischen Provinzen die Oberhoheit
des Papstes anerkannten, hofften sie dadurch ihren Glauben und sich selbst
vor den beständigen Verfolgungen der römisch-katholischen Geistlichkeit zu
sichern.

In der Wirklichkeit gestalteten sich die Dinge anders. Religion und
Politik identificirend, hat der Adel der polnischen Republik, im Bunde mit
den Priestern, mit beispielloser Consequenz und Ausdauer die unirte Geistlich¬
keit und die unirte Bevölkerung verfolgt und dieselben zur allendlichen An¬
nahme des römischen Katholicismus bewogen. Um den Uebertritt zu, erleich¬
tern, wurden, trotz der publicirten päpstlichen Bullen und oft sogar mit heim¬
licher Genehmigung der römischen Kurie nach und nach in den unirren Cul¬
tus neue Gebete und sogar der orientalischen Kirche ganz fremde Elemente
eingeführt. Zum nicänischen Symbole wurde, nach Weise der Lateiner das
»lilioMe" hinzugefügt, der kirchlichen Ceremonien nicht weiter zu gedenken.
Gepredigt wurde in polnischer Sprache. Nicht genug damit. Die Eparchial-
behörde, ergeben dem Patronate des polnischen Adels, besetzte die vacanten
unirten Stellen mit katholischen Priestern, welche unter dem Volke für die
Idee Propaganda machten, daß die römische Kirche sich durch nichts von der
orthodoxen- unterscheide und dieselbe vollkommen ersetze. Auf diese Weise


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[0187] Suiten, diese treuen Diener des päpstlichen Thrones, die Macht des Stuhles Petri durch die Bekehrung der Slaven zur römischen Kirche, zu heben. Als es den Jesuiten, unter Possevin, am Hofe des russischen Czaaren mißlungen war, wandten sie sich an das katholische Polen: sie wollten den Theil Rußlands, welcher das Unglück hatte unter das Joch des Polnischen Adels zu gerathen — latinisiren. Um dieses Ziel zu erreichen, scheuten die Jesuiten kein Mittel. Sie wandten Alles an, beginnend mit der einfachen körperlichen Züchtigung bis zum Raube aller Menschenrechte an dem Bekenner der orthodoxen Kirche. Als aber alle Mittel der Grausamkeit sich als kraftlos bei der Bekehrung der Masse der russischen Bevölkerung zum Katholicismus erwiesen, beschlossen die heiligen Väter, für den Augenblick sich mit der Verwirklichung eines Theiles ihrer Wünsche zu begnügen und ersannen als inoSus vivendi die Union oder die Vereinigung. Auf der Synode zu Brest (1595) verlangten die Jesuiten und die ihnen als Werkzeug ergebene polnische Regierung, von der russischen Bevölkerung in Polen anfangs nur die Anerkennung der Oberhoheit des Papstes. Nach dem ursprünglich angenommenen Principe sollten alle Dogmen der ortho¬ doxen Kirche, nicht ausgenommen die Lehre über den Ausgang des heiligen Geistes, sowie auch alle kirchlichen Ceremonien, sogar der Gebrauch der sla¬ vischen Sprache beim Gottesdienste unangetastet bleiben. Indem die griechischen Russen der polnischen Provinzen die Oberhoheit des Papstes anerkannten, hofften sie dadurch ihren Glauben und sich selbst vor den beständigen Verfolgungen der römisch-katholischen Geistlichkeit zu sichern. In der Wirklichkeit gestalteten sich die Dinge anders. Religion und Politik identificirend, hat der Adel der polnischen Republik, im Bunde mit den Priestern, mit beispielloser Consequenz und Ausdauer die unirte Geistlich¬ keit und die unirte Bevölkerung verfolgt und dieselben zur allendlichen An¬ nahme des römischen Katholicismus bewogen. Um den Uebertritt zu, erleich¬ tern, wurden, trotz der publicirten päpstlichen Bullen und oft sogar mit heim¬ licher Genehmigung der römischen Kurie nach und nach in den unirren Cul¬ tus neue Gebete und sogar der orientalischen Kirche ganz fremde Elemente eingeführt. Zum nicänischen Symbole wurde, nach Weise der Lateiner das »lilioMe" hinzugefügt, der kirchlichen Ceremonien nicht weiter zu gedenken. Gepredigt wurde in polnischer Sprache. Nicht genug damit. Die Eparchial- behörde, ergeben dem Patronate des polnischen Adels, besetzte die vacanten unirten Stellen mit katholischen Priestern, welche unter dem Volke für die Idee Propaganda machten, daß die römische Kirche sich durch nichts von der orthodoxen- unterscheide und dieselbe vollkommen ersetze. Auf diese Weise

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/187>, abgerufen am 06.02.2025.