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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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förderlichen Umsatzmittel fehlen würden, und weil ja die Außenstände der
Bank täglich zurückkehren und den Abzug in ihrer Kasse ersetzen. Wir
können also ernsthaft nur von der sogenannten Drittelsdeckung sprechen, welche
bei der Mehrzahl der Zettelbanken des europäischen Continents eingeführt ist.
Die Idee zu dieser Einrichtung ist in England entstanden. Dort verstand
man den Vorschlag ursprünglich aber dahin, daß nicht bloß ein Drittheil der
umlaufenden Noten sondern auch der verzinslichen Depositen durch bereite
Baarschaft gedeckt sein müsse. Auf dem Conttnent ließ man die Depositen in
der Verhältniß-Berechnung fallen, da man erfahrungsmäßig sicher zu sein
glaubte, daß jede Zettelbank mit einem ständigen Vorrath an Baarschaft,
welche einem Drittel des Zettelumlaufes gleichkäme, dem Einlösungöbedürfniß
unter allen Umständen gewachsen sein müsse. Da die weitere Erfahrung diese
Annahme nicht Lügen strafte, so wurde seit zwanzig Jahren bei Errichtung
jeder neuen Zettelbank in Deutschland und der Schweiz (wenige Ausnahmen
in letzterem Lande abgerechnet) schablonenhaft die Drittelsdeckung in die Sta¬
tuten aufgenommen ohne die Gründe aufs neue zu prüfen, geradeso wie jede
neue Aktiengesellschaft die statutarischen Bestimmungen der früheren bezüglich
der Einrichtung des Verwaltungsraths u. f. w. getreu abzuschreiben pflegt.
Einen wirklichen rationellen Grund für diese Vorkehrung giebt es aber nicht;
sie ist eine willkürlich aus einer nicht einmal für alle Länder gültigen Erfah¬
rung herausgegriffene Grenze.

In Zeiten und in Ländern, wo das Publikum sehr an den Gebrauch
der Note gewöhnt ist, kann diese Grenze zu hoch erscheinen, in Zeiten und
Ländern, wo die Banknote nicht beliebt ist, kann ein Drittheil zum regel¬
mäßigen Vollzug des Einlösunsgeschäftes nicht einmal ausreichen. In Frank¬
reich hatte die Bank schon zu einer Zeit, wo ihre Noten nicht unter hundert
Franken ausgestellt waren und die arbeitenden Klassen noch wenig Gebrauch
davon machten, den Zettelumlauf einmal so erhöht, daß er das sechs- ja das
achtfache der Baarschaft erreichte. Gegenwärtig hat ihr Baarschcch bereits
die Hälfte des Notenumlaufes überschritten und sie kann gleichwol ihre Baar-
zahlungen noch nicht wieder aufnehmen. Es geht daraus hervor, daß eine
rein mechanische Vorschrift nicht im Stande ist, den menschlichen Verstand zu
ersetzen, in Fällen, wo es zur richtigen Steuerung wesentlich auf das sach¬
gemäße Urtheil der Bankdirektion ankommt. Wir würden die Drittels-Deckung
als ein gleichgültiges, weil unwirksames Palliativ-Mittel etwa hingehen lassen,
wenn nicht die Erfahrung lehrte, daß Bankdirektionen sich durch mechanische
Vorkehrungen leicht einschläfern lassen, daß sie versäumen, die nöthige Umsicht
anzuwenden, den erforderlichen Scharfblick aufzubieten und daß dadurch eben
diese schablonenhafte Einrichtung die Direktionen verführen kann, diejenige
Vorsicht zu versäumen, welche ihr von den echt kaufmännischen Grundsätzen


förderlichen Umsatzmittel fehlen würden, und weil ja die Außenstände der
Bank täglich zurückkehren und den Abzug in ihrer Kasse ersetzen. Wir
können also ernsthaft nur von der sogenannten Drittelsdeckung sprechen, welche
bei der Mehrzahl der Zettelbanken des europäischen Continents eingeführt ist.
Die Idee zu dieser Einrichtung ist in England entstanden. Dort verstand
man den Vorschlag ursprünglich aber dahin, daß nicht bloß ein Drittheil der
umlaufenden Noten sondern auch der verzinslichen Depositen durch bereite
Baarschaft gedeckt sein müsse. Auf dem Conttnent ließ man die Depositen in
der Verhältniß-Berechnung fallen, da man erfahrungsmäßig sicher zu sein
glaubte, daß jede Zettelbank mit einem ständigen Vorrath an Baarschaft,
welche einem Drittel des Zettelumlaufes gleichkäme, dem Einlösungöbedürfniß
unter allen Umständen gewachsen sein müsse. Da die weitere Erfahrung diese
Annahme nicht Lügen strafte, so wurde seit zwanzig Jahren bei Errichtung
jeder neuen Zettelbank in Deutschland und der Schweiz (wenige Ausnahmen
in letzterem Lande abgerechnet) schablonenhaft die Drittelsdeckung in die Sta¬
tuten aufgenommen ohne die Gründe aufs neue zu prüfen, geradeso wie jede
neue Aktiengesellschaft die statutarischen Bestimmungen der früheren bezüglich
der Einrichtung des Verwaltungsraths u. f. w. getreu abzuschreiben pflegt.
Einen wirklichen rationellen Grund für diese Vorkehrung giebt es aber nicht;
sie ist eine willkürlich aus einer nicht einmal für alle Länder gültigen Erfah¬
rung herausgegriffene Grenze.

In Zeiten und in Ländern, wo das Publikum sehr an den Gebrauch
der Note gewöhnt ist, kann diese Grenze zu hoch erscheinen, in Zeiten und
Ländern, wo die Banknote nicht beliebt ist, kann ein Drittheil zum regel¬
mäßigen Vollzug des Einlösunsgeschäftes nicht einmal ausreichen. In Frank¬
reich hatte die Bank schon zu einer Zeit, wo ihre Noten nicht unter hundert
Franken ausgestellt waren und die arbeitenden Klassen noch wenig Gebrauch
davon machten, den Zettelumlauf einmal so erhöht, daß er das sechs- ja das
achtfache der Baarschaft erreichte. Gegenwärtig hat ihr Baarschcch bereits
die Hälfte des Notenumlaufes überschritten und sie kann gleichwol ihre Baar-
zahlungen noch nicht wieder aufnehmen. Es geht daraus hervor, daß eine
rein mechanische Vorschrift nicht im Stande ist, den menschlichen Verstand zu
ersetzen, in Fällen, wo es zur richtigen Steuerung wesentlich auf das sach¬
gemäße Urtheil der Bankdirektion ankommt. Wir würden die Drittels-Deckung
als ein gleichgültiges, weil unwirksames Palliativ-Mittel etwa hingehen lassen,
wenn nicht die Erfahrung lehrte, daß Bankdirektionen sich durch mechanische
Vorkehrungen leicht einschläfern lassen, daß sie versäumen, die nöthige Umsicht
anzuwenden, den erforderlichen Scharfblick aufzubieten und daß dadurch eben
diese schablonenhafte Einrichtung die Direktionen verführen kann, diejenige
Vorsicht zu versäumen, welche ihr von den echt kaufmännischen Grundsätzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/152>, abgerufen am 06.02.2025.