Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tertias, denn demselben kann durch die Errichtung von reinen Disconto- und
Depositenbanken ebenso gut und oft noch besser entsprochen werden. Die
Bankpraxis giebt dafür einen beachtenswerthen Beleg, denn diejenigen Ban¬
ken, welche sowohl in Deutschland wie in England die höchsten Dividenden
zu vertheilen pflegen, sind nicht Zettelbanken.

In Deutschland ist auch sogar der Durchschnitt des Reinertrages der
Nicht-Zettelbanken höher, als der der Emissionsinstitute. -- t) Die Gefahr
des Mißbrauchs durch den Staat in politischen Nothlagen ist bei einem System
der Zettelbankfreiheit in nicht minderem 'Grade vorhanden, nur daß man da¬
bei des kräftigen Beistandes entrathen muß, welchen eine centralistrte Bank
in den Stunden der Gefahr dem Staate leisten kann. In den Vereinigten
Staaten, wo keine centralistrte Notenbank existirt, hat der Staat während
des Bürgerkrieges Zwangspapiergeld ausgegeben und überdies noch Mittel
und Wege gefunden, den Banken ein Darlehen von gegen 300 Millionen
Dollars abzulocken. In Oesterreich wurden 1866 die Staatsnoten geschaffen
und in Rußland wurden zur Zeit des Krimkrieges Creditbillete ausgegeben,
zu denen die russische Reichsbank nur als Verwalterin in Beziehung steht.
Wir sehen also, daß der Brauch der Staaten, sich in Zeiten höchster Gefahr,
wo auf keine andere Weise Kapital zu haben ist, durch eine übertriebene Aus¬
gabe von Papiergeld die erforderlichen Mittel zu verschaffen, ganz unabhängig
von den centralisirten Zettelbanken besteht. In Momenten, wo der Spruch
zur Herrschaft gelangt: "Noth bricht Eisen," müssen die regelmäßigen Grund¬
sätze der Volkswirthschaft in den Hintergrund treten. Die Eigenschaft, die
von den Anhängern der Zettelbankfreiheit den centralisirten Instituten vorge¬
worfen wird, in Zeiten der Noth mißbraucht werden zu können, stellt sich
also eher als ein Vortheil derselben heraus. g) Gerade die Frage der
Überwachung läßt bezüglich der Notenausgabe die Vorzüge der Centralisation
im besten Licht erscheinen; denn die gegenseitige Ueberwachung der Banken
untereinander mag wol für diese Anstalten selbst von Vortheil sein, für das
Publikum aber hat sie nur wenig Werth. Dieses ist gar nicht im Stande,
den ständig circulirenden Noten gegenüber die Solidität der Banken fort¬
während zu prüfen, welche dieselben ausgegeben haben. Diese Untersuchung
ist nicht einmal in der Schweiz bei nur 20 Zettelbanken möglich, wie viel
weniger wäre es bei 1700 Banken, wie sie in den Vereinigten Staaten be¬
stehen. Aus diesem Grunde gerade ist das Bankwesen in Amerika dahin re-
formirt worden, daß für die umlaufenden Noten beim Staate Deckung in
Bundesobligationen deponirt ist; deshalb gerade wird in der Schweiz eine
Reform bewerkstelligt. Wegen der Noten einer centralisirten Bank braucht
das Publikum keine Sorge zu tragen, denn sie ist nicht blos von der Regie¬
rung überwacht, sondern sie steht auch unter der freiwilligen Controle des


tertias, denn demselben kann durch die Errichtung von reinen Disconto- und
Depositenbanken ebenso gut und oft noch besser entsprochen werden. Die
Bankpraxis giebt dafür einen beachtenswerthen Beleg, denn diejenigen Ban¬
ken, welche sowohl in Deutschland wie in England die höchsten Dividenden
zu vertheilen pflegen, sind nicht Zettelbanken.

In Deutschland ist auch sogar der Durchschnitt des Reinertrages der
Nicht-Zettelbanken höher, als der der Emissionsinstitute. — t) Die Gefahr
des Mißbrauchs durch den Staat in politischen Nothlagen ist bei einem System
der Zettelbankfreiheit in nicht minderem 'Grade vorhanden, nur daß man da¬
bei des kräftigen Beistandes entrathen muß, welchen eine centralistrte Bank
in den Stunden der Gefahr dem Staate leisten kann. In den Vereinigten
Staaten, wo keine centralistrte Notenbank existirt, hat der Staat während
des Bürgerkrieges Zwangspapiergeld ausgegeben und überdies noch Mittel
und Wege gefunden, den Banken ein Darlehen von gegen 300 Millionen
Dollars abzulocken. In Oesterreich wurden 1866 die Staatsnoten geschaffen
und in Rußland wurden zur Zeit des Krimkrieges Creditbillete ausgegeben,
zu denen die russische Reichsbank nur als Verwalterin in Beziehung steht.
Wir sehen also, daß der Brauch der Staaten, sich in Zeiten höchster Gefahr,
wo auf keine andere Weise Kapital zu haben ist, durch eine übertriebene Aus¬
gabe von Papiergeld die erforderlichen Mittel zu verschaffen, ganz unabhängig
von den centralisirten Zettelbanken besteht. In Momenten, wo der Spruch
zur Herrschaft gelangt: „Noth bricht Eisen," müssen die regelmäßigen Grund¬
sätze der Volkswirthschaft in den Hintergrund treten. Die Eigenschaft, die
von den Anhängern der Zettelbankfreiheit den centralisirten Instituten vorge¬
worfen wird, in Zeiten der Noth mißbraucht werden zu können, stellt sich
also eher als ein Vortheil derselben heraus. g) Gerade die Frage der
Überwachung läßt bezüglich der Notenausgabe die Vorzüge der Centralisation
im besten Licht erscheinen; denn die gegenseitige Ueberwachung der Banken
untereinander mag wol für diese Anstalten selbst von Vortheil sein, für das
Publikum aber hat sie nur wenig Werth. Dieses ist gar nicht im Stande,
den ständig circulirenden Noten gegenüber die Solidität der Banken fort¬
während zu prüfen, welche dieselben ausgegeben haben. Diese Untersuchung
ist nicht einmal in der Schweiz bei nur 20 Zettelbanken möglich, wie viel
weniger wäre es bei 1700 Banken, wie sie in den Vereinigten Staaten be¬
stehen. Aus diesem Grunde gerade ist das Bankwesen in Amerika dahin re-
formirt worden, daß für die umlaufenden Noten beim Staate Deckung in
Bundesobligationen deponirt ist; deshalb gerade wird in der Schweiz eine
Reform bewerkstelligt. Wegen der Noten einer centralisirten Bank braucht
das Publikum keine Sorge zu tragen, denn sie ist nicht blos von der Regie¬
rung überwacht, sondern sie steht auch unter der freiwilligen Controle des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133406"/>
          <p xml:id="ID_381" prev="#ID_380"> tertias, denn demselben kann durch die Errichtung von reinen Disconto- und<lb/>
Depositenbanken ebenso gut und oft noch besser entsprochen werden. Die<lb/>
Bankpraxis giebt dafür einen beachtenswerthen Beleg, denn diejenigen Ban¬<lb/>
ken, welche sowohl in Deutschland wie in England die höchsten Dividenden<lb/>
zu vertheilen pflegen, sind nicht Zettelbanken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_382" next="#ID_383"> In Deutschland ist auch sogar der Durchschnitt des Reinertrages der<lb/>
Nicht-Zettelbanken höher, als der der Emissionsinstitute. &#x2014; t) Die Gefahr<lb/>
des Mißbrauchs durch den Staat in politischen Nothlagen ist bei einem System<lb/>
der Zettelbankfreiheit in nicht minderem 'Grade vorhanden, nur daß man da¬<lb/>
bei des kräftigen Beistandes entrathen muß, welchen eine centralistrte Bank<lb/>
in den Stunden der Gefahr dem Staate leisten kann. In den Vereinigten<lb/>
Staaten, wo keine centralistrte Notenbank existirt, hat der Staat während<lb/>
des Bürgerkrieges Zwangspapiergeld ausgegeben und überdies noch Mittel<lb/>
und Wege gefunden, den Banken ein Darlehen von gegen 300 Millionen<lb/>
Dollars abzulocken. In Oesterreich wurden 1866 die Staatsnoten geschaffen<lb/>
und in Rußland wurden zur Zeit des Krimkrieges Creditbillete ausgegeben,<lb/>
zu denen die russische Reichsbank nur als Verwalterin in Beziehung steht.<lb/>
Wir sehen also, daß der Brauch der Staaten, sich in Zeiten höchster Gefahr,<lb/>
wo auf keine andere Weise Kapital zu haben ist, durch eine übertriebene Aus¬<lb/>
gabe von Papiergeld die erforderlichen Mittel zu verschaffen, ganz unabhängig<lb/>
von den centralisirten Zettelbanken besteht. In Momenten, wo der Spruch<lb/>
zur Herrschaft gelangt: &#x201E;Noth bricht Eisen," müssen die regelmäßigen Grund¬<lb/>
sätze der Volkswirthschaft in den Hintergrund treten. Die Eigenschaft, die<lb/>
von den Anhängern der Zettelbankfreiheit den centralisirten Instituten vorge¬<lb/>
worfen wird, in Zeiten der Noth mißbraucht werden zu können, stellt sich<lb/>
also eher als ein Vortheil derselben heraus. g) Gerade die Frage der<lb/>
Überwachung läßt bezüglich der Notenausgabe die Vorzüge der Centralisation<lb/>
im besten Licht erscheinen; denn die gegenseitige Ueberwachung der Banken<lb/>
untereinander mag wol für diese Anstalten selbst von Vortheil sein, für das<lb/>
Publikum aber hat sie nur wenig Werth. Dieses ist gar nicht im Stande,<lb/>
den ständig circulirenden Noten gegenüber die Solidität der Banken fort¬<lb/>
während zu prüfen, welche dieselben ausgegeben haben. Diese Untersuchung<lb/>
ist nicht einmal in der Schweiz bei nur 20 Zettelbanken möglich, wie viel<lb/>
weniger wäre es bei 1700 Banken, wie sie in den Vereinigten Staaten be¬<lb/>
stehen. Aus diesem Grunde gerade ist das Bankwesen in Amerika dahin re-<lb/>
formirt worden, daß für die umlaufenden Noten beim Staate Deckung in<lb/>
Bundesobligationen deponirt ist; deshalb gerade wird in der Schweiz eine<lb/>
Reform bewerkstelligt. Wegen der Noten einer centralisirten Bank braucht<lb/>
das Publikum keine Sorge zu tragen, denn sie ist nicht blos von der Regie¬<lb/>
rung überwacht, sondern sie steht auch unter der freiwilligen Controle des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] tertias, denn demselben kann durch die Errichtung von reinen Disconto- und Depositenbanken ebenso gut und oft noch besser entsprochen werden. Die Bankpraxis giebt dafür einen beachtenswerthen Beleg, denn diejenigen Ban¬ ken, welche sowohl in Deutschland wie in England die höchsten Dividenden zu vertheilen pflegen, sind nicht Zettelbanken. In Deutschland ist auch sogar der Durchschnitt des Reinertrages der Nicht-Zettelbanken höher, als der der Emissionsinstitute. — t) Die Gefahr des Mißbrauchs durch den Staat in politischen Nothlagen ist bei einem System der Zettelbankfreiheit in nicht minderem 'Grade vorhanden, nur daß man da¬ bei des kräftigen Beistandes entrathen muß, welchen eine centralistrte Bank in den Stunden der Gefahr dem Staate leisten kann. In den Vereinigten Staaten, wo keine centralistrte Notenbank existirt, hat der Staat während des Bürgerkrieges Zwangspapiergeld ausgegeben und überdies noch Mittel und Wege gefunden, den Banken ein Darlehen von gegen 300 Millionen Dollars abzulocken. In Oesterreich wurden 1866 die Staatsnoten geschaffen und in Rußland wurden zur Zeit des Krimkrieges Creditbillete ausgegeben, zu denen die russische Reichsbank nur als Verwalterin in Beziehung steht. Wir sehen also, daß der Brauch der Staaten, sich in Zeiten höchster Gefahr, wo auf keine andere Weise Kapital zu haben ist, durch eine übertriebene Aus¬ gabe von Papiergeld die erforderlichen Mittel zu verschaffen, ganz unabhängig von den centralisirten Zettelbanken besteht. In Momenten, wo der Spruch zur Herrschaft gelangt: „Noth bricht Eisen," müssen die regelmäßigen Grund¬ sätze der Volkswirthschaft in den Hintergrund treten. Die Eigenschaft, die von den Anhängern der Zettelbankfreiheit den centralisirten Instituten vorge¬ worfen wird, in Zeiten der Noth mißbraucht werden zu können, stellt sich also eher als ein Vortheil derselben heraus. g) Gerade die Frage der Überwachung läßt bezüglich der Notenausgabe die Vorzüge der Centralisation im besten Licht erscheinen; denn die gegenseitige Ueberwachung der Banken untereinander mag wol für diese Anstalten selbst von Vortheil sein, für das Publikum aber hat sie nur wenig Werth. Dieses ist gar nicht im Stande, den ständig circulirenden Noten gegenüber die Solidität der Banken fort¬ während zu prüfen, welche dieselben ausgegeben haben. Diese Untersuchung ist nicht einmal in der Schweiz bei nur 20 Zettelbanken möglich, wie viel weniger wäre es bei 1700 Banken, wie sie in den Vereinigten Staaten be¬ stehen. Aus diesem Grunde gerade ist das Bankwesen in Amerika dahin re- formirt worden, daß für die umlaufenden Noten beim Staate Deckung in Bundesobligationen deponirt ist; deshalb gerade wird in der Schweiz eine Reform bewerkstelligt. Wegen der Noten einer centralisirten Bank braucht das Publikum keine Sorge zu tragen, denn sie ist nicht blos von der Regie¬ rung überwacht, sondern sie steht auch unter der freiwilligen Controle des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/118>, abgerufen am 06.02.2025.