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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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der König erwartet, daß Ihr unbeirrt Eure Schuldigkeit thut, und weiß das
Gesetz zu schützen.

Es wird ja doch nicht anders, wir müssen ja doch dahin kommen, daß
jedem Katholiken die Frage vorgelegt wird, ob er dem Papst mehr gehorchen
will als dem Kaiser. Es kann nichts helfen, die päpstlichen Manifeste zu
unterdrücken, am wenigsten wenn 'sie zum Aufruhr auffordern. Wir haben
doch 1870 die Proklamationen Napoleon's III. ungehindert veröffentlichen lassen,
ebenso wie 18K6 den Tagesbefehl Bencdek's. Was wäre das für ein Staat,
der sich vor den Proklamationen der feindlichen Befehlshaber scheuen müßte!

Doch dies nur in Parenthese. Die Herren vom Centrum haben schwerlich
klug gethan, die Redefreiheit des Abgeordnetenhauses zur Propaganda der
Encyklika zu benutzen. Sie erreichen zunächst damit nur, daß die Beschäftigung
mit den Schranken dieser Redefreiheit immer populärer wird. Es gab eine
Zeit, wo man von solchen Schranken überhaupt nichts wissen wollte. Unseres
Erachtens war eine Rede, wie die des Abgeordneten Jörg im Reichstag am
4. Dezember weit mehr dazu angethan, diese Schranken ins Auge zu fassen,
als der jetzige Anlaß. Doch kommt es in solchen Fällen weniger auf die
Beschaffenheit des Tropfens an als auf die Stellung in der Reihenfolge, ob
das Glas zum Ueberlaufen kommt. Am 18. März scheint das Maß voll
geworden zu sein. Wir wünschen, daß das Haus sich das Recht beilege, Mit¬
glieder, welche die Ehre des Hauses verletzen, zeitweilig oder für immer aus¬
zuschließen. Wirksam und vollständig kann eine solche Bestimmung aber nur
werden, wenn gleichzeitig der Wahlkreis, welcher ein ausgeschlossenes Mitglied
wiederum wählt, periodisch der Vertretung für verlustig erklärt werden kann.

Die "National-Zeitung" äußerte kürzlich, der ultramontane Widerstand
werde bald gebrochen sein, weil die parlamentarischen Verhandlungen über
denselben nach gerade aller Welt zum Ueberdruß geworden. Uns will es
scheinen, als werde die Hauptarbeit erst beginnen, wenn die parlamentarischen
Verhandlungen zu Ende sind. Man kann dahin kommen und wird vielleicht
bald dahin kommen, die Redyer des Centrums, wenn alle gesetzlichen Maßregeln
beschlossen sind, zu verhindern, den parlamentarisch abgethanen Gegenstand
immer wieder zur Sprache zu bringen. Die Hauptarbeit, welche dann erst
beginnt, wird aber darin bestehen, für die katholische Bevölkerung in geistiger
Beziehung Sorge zu tragen, wenn der größere Theil ihrer Hirten wegen Auf¬
ruhrs gegen den Staat vom Amte dispensirt ist. In dieser Beziehung wies der
Reichskanzler am 18. März daraus hin, wie der jetzige Kampf das Gute habe.
Alle, die den deutschen Staat wollen, in einem einzigen großen Heerlager zu
vereinigen, und ebenso Alle die, welche den deutschen Staat zerbrechen wollen.
Solche Existenzkämpfe haben das Gute, allen Menschen ohne Unterschied das


der König erwartet, daß Ihr unbeirrt Eure Schuldigkeit thut, und weiß das
Gesetz zu schützen.

Es wird ja doch nicht anders, wir müssen ja doch dahin kommen, daß
jedem Katholiken die Frage vorgelegt wird, ob er dem Papst mehr gehorchen
will als dem Kaiser. Es kann nichts helfen, die päpstlichen Manifeste zu
unterdrücken, am wenigsten wenn 'sie zum Aufruhr auffordern. Wir haben
doch 1870 die Proklamationen Napoleon's III. ungehindert veröffentlichen lassen,
ebenso wie 18K6 den Tagesbefehl Bencdek's. Was wäre das für ein Staat,
der sich vor den Proklamationen der feindlichen Befehlshaber scheuen müßte!

Doch dies nur in Parenthese. Die Herren vom Centrum haben schwerlich
klug gethan, die Redefreiheit des Abgeordnetenhauses zur Propaganda der
Encyklika zu benutzen. Sie erreichen zunächst damit nur, daß die Beschäftigung
mit den Schranken dieser Redefreiheit immer populärer wird. Es gab eine
Zeit, wo man von solchen Schranken überhaupt nichts wissen wollte. Unseres
Erachtens war eine Rede, wie die des Abgeordneten Jörg im Reichstag am
4. Dezember weit mehr dazu angethan, diese Schranken ins Auge zu fassen,
als der jetzige Anlaß. Doch kommt es in solchen Fällen weniger auf die
Beschaffenheit des Tropfens an als auf die Stellung in der Reihenfolge, ob
das Glas zum Ueberlaufen kommt. Am 18. März scheint das Maß voll
geworden zu sein. Wir wünschen, daß das Haus sich das Recht beilege, Mit¬
glieder, welche die Ehre des Hauses verletzen, zeitweilig oder für immer aus¬
zuschließen. Wirksam und vollständig kann eine solche Bestimmung aber nur
werden, wenn gleichzeitig der Wahlkreis, welcher ein ausgeschlossenes Mitglied
wiederum wählt, periodisch der Vertretung für verlustig erklärt werden kann.

Die „National-Zeitung" äußerte kürzlich, der ultramontane Widerstand
werde bald gebrochen sein, weil die parlamentarischen Verhandlungen über
denselben nach gerade aller Welt zum Ueberdruß geworden. Uns will es
scheinen, als werde die Hauptarbeit erst beginnen, wenn die parlamentarischen
Verhandlungen zu Ende sind. Man kann dahin kommen und wird vielleicht
bald dahin kommen, die Redyer des Centrums, wenn alle gesetzlichen Maßregeln
beschlossen sind, zu verhindern, den parlamentarisch abgethanen Gegenstand
immer wieder zur Sprache zu bringen. Die Hauptarbeit, welche dann erst
beginnt, wird aber darin bestehen, für die katholische Bevölkerung in geistiger
Beziehung Sorge zu tragen, wenn der größere Theil ihrer Hirten wegen Auf¬
ruhrs gegen den Staat vom Amte dispensirt ist. In dieser Beziehung wies der
Reichskanzler am 18. März daraus hin, wie der jetzige Kampf das Gute habe.
Alle, die den deutschen Staat wollen, in einem einzigen großen Heerlager zu
vereinigen, und ebenso Alle die, welche den deutschen Staat zerbrechen wollen.
Solche Existenzkämpfe haben das Gute, allen Menschen ohne Unterschied das


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[0527] der König erwartet, daß Ihr unbeirrt Eure Schuldigkeit thut, und weiß das Gesetz zu schützen. Es wird ja doch nicht anders, wir müssen ja doch dahin kommen, daß jedem Katholiken die Frage vorgelegt wird, ob er dem Papst mehr gehorchen will als dem Kaiser. Es kann nichts helfen, die päpstlichen Manifeste zu unterdrücken, am wenigsten wenn 'sie zum Aufruhr auffordern. Wir haben doch 1870 die Proklamationen Napoleon's III. ungehindert veröffentlichen lassen, ebenso wie 18K6 den Tagesbefehl Bencdek's. Was wäre das für ein Staat, der sich vor den Proklamationen der feindlichen Befehlshaber scheuen müßte! Doch dies nur in Parenthese. Die Herren vom Centrum haben schwerlich klug gethan, die Redefreiheit des Abgeordnetenhauses zur Propaganda der Encyklika zu benutzen. Sie erreichen zunächst damit nur, daß die Beschäftigung mit den Schranken dieser Redefreiheit immer populärer wird. Es gab eine Zeit, wo man von solchen Schranken überhaupt nichts wissen wollte. Unseres Erachtens war eine Rede, wie die des Abgeordneten Jörg im Reichstag am 4. Dezember weit mehr dazu angethan, diese Schranken ins Auge zu fassen, als der jetzige Anlaß. Doch kommt es in solchen Fällen weniger auf die Beschaffenheit des Tropfens an als auf die Stellung in der Reihenfolge, ob das Glas zum Ueberlaufen kommt. Am 18. März scheint das Maß voll geworden zu sein. Wir wünschen, daß das Haus sich das Recht beilege, Mit¬ glieder, welche die Ehre des Hauses verletzen, zeitweilig oder für immer aus¬ zuschließen. Wirksam und vollständig kann eine solche Bestimmung aber nur werden, wenn gleichzeitig der Wahlkreis, welcher ein ausgeschlossenes Mitglied wiederum wählt, periodisch der Vertretung für verlustig erklärt werden kann. Die „National-Zeitung" äußerte kürzlich, der ultramontane Widerstand werde bald gebrochen sein, weil die parlamentarischen Verhandlungen über denselben nach gerade aller Welt zum Ueberdruß geworden. Uns will es scheinen, als werde die Hauptarbeit erst beginnen, wenn die parlamentarischen Verhandlungen zu Ende sind. Man kann dahin kommen und wird vielleicht bald dahin kommen, die Redyer des Centrums, wenn alle gesetzlichen Maßregeln beschlossen sind, zu verhindern, den parlamentarisch abgethanen Gegenstand immer wieder zur Sprache zu bringen. Die Hauptarbeit, welche dann erst beginnt, wird aber darin bestehen, für die katholische Bevölkerung in geistiger Beziehung Sorge zu tragen, wenn der größere Theil ihrer Hirten wegen Auf¬ ruhrs gegen den Staat vom Amte dispensirt ist. In dieser Beziehung wies der Reichskanzler am 18. März daraus hin, wie der jetzige Kampf das Gute habe. Alle, die den deutschen Staat wollen, in einem einzigen großen Heerlager zu vereinigen, und ebenso Alle die, welche den deutschen Staat zerbrechen wollen. Solche Existenzkämpfe haben das Gute, allen Menschen ohne Unterschied das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/527>, abgerufen am 01.07.2024.