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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Freude begrüßt haben, weil ihn schwere Krankheit heimgesucht hatte, bei
allen seinen sxczaeks den bäuerlichen Standpunkt, den er einnimmt, während
er wohl im Stande ist, auch einen andern aufs beste zu vertreten. Vergessen
wir nicht noch einer jüngern Kraft Erwähnung zu thun, des namentlich um
Eisenbahnangelegenheiten schon wohl verdienten Dr. Und, eines der beiden
Aerzte, die die Kammer aufzuweisen hat; dann des in nationalökonomischen
Fragen bestbewanderten Würzburger Professors Gerstner; des schneidigen Vor¬
standes der Petitionskommission, Bezirksgerichtsrathes Herz, der bei der letzten
Retchstagswcchl den Ultramontanen weichen mußte und den dann dafür als
"süddeutschen Bruder" Berlin ins Parlament sandte. Schon früheren Land¬
tagen haben angehört und darin sich ausgezeichnet die Herren Hohenadel und
Professor Edel -- damit werden wir so ziemlich die hervorstechendsten Namen
der Linken genannt haben.

Eine sogenannte Mittelpartei im frühern Sinne, die bei den letzten Land¬
tagswahlen von der Fortschrittspartei gänzlich verdrängt wurde, giebt es, wie
wir schon bemerkt, nicht mehr. Aber eine, wenn wir so sagen dürfen, pro-
vinziale Partei findet sich, das sind die Abgeordneten aus der Rheinpfalz.
Diese Provinz hat schon wegen ihrer geographischen Lage und ihrer eigenen
Gesetzgebung, dann auch wegen der in ihr viel früher, als in den diesrheini-
schen Kreisen, erwachten liberal oppositionellen Gesinnungen immer eine etwas
besondere Stellung eingenommen und so sind auch ihre Deputirten von einem
ziemlich ausgeprägten Corpsgeist erfüllt. Dieser ist geblieben, auch nachdem
nun schon seit Jahren eine völlige Gleichstellung der Pfalz auf allen Gebieten
des öffentlichen Lebens mit den alten Provinzen erfolgt ist: die Pfälzer be¬
trachten jede Borlage unter dem pfälzischen Mikroskop, messen jede Verhand¬
lung an ihren Interessen und wachen eifersüchtig über ihren wirklichen oder
manchmal nur vermeintlichen Rechten, zu denen sie namentlich das zählen,
daß in jeder Commission die Pfalz wenigstens durch ein, womöglich durch
mehr Mitglieder vertreten sein muß. Auch gesellschaftlich sondern sich die
Herren von jenseits des Rheins gerne ab, aber all das mag man ihnen gern
nachsehen, wenn man daran denkt, wie im Sommer 1870 die Pfalz die Vor¬
hut des deutschen Lagers war. wie sie damals nach jedermanns Anschauung
das Objekt französischer Raublust sein mußte, und die pfälzischen Abgeordneten
doch mannhaft der Sorge um Weib und Kind, Haus und Hof sich entschlu-
gen und jeder von ihnen in jener schon erwähnten Nachtstunde des 19. Juli
auf seinem Posten stand, um sein Votum für Baierns Eintritt in den großen
Kampf abzugeben.

Wir hätten nun, wollten wir ein erschöpfendes Essay über den bairischen


Freude begrüßt haben, weil ihn schwere Krankheit heimgesucht hatte, bei
allen seinen sxczaeks den bäuerlichen Standpunkt, den er einnimmt, während
er wohl im Stande ist, auch einen andern aufs beste zu vertreten. Vergessen
wir nicht noch einer jüngern Kraft Erwähnung zu thun, des namentlich um
Eisenbahnangelegenheiten schon wohl verdienten Dr. Und, eines der beiden
Aerzte, die die Kammer aufzuweisen hat; dann des in nationalökonomischen
Fragen bestbewanderten Würzburger Professors Gerstner; des schneidigen Vor¬
standes der Petitionskommission, Bezirksgerichtsrathes Herz, der bei der letzten
Retchstagswcchl den Ultramontanen weichen mußte und den dann dafür als
„süddeutschen Bruder" Berlin ins Parlament sandte. Schon früheren Land¬
tagen haben angehört und darin sich ausgezeichnet die Herren Hohenadel und
Professor Edel — damit werden wir so ziemlich die hervorstechendsten Namen
der Linken genannt haben.

Eine sogenannte Mittelpartei im frühern Sinne, die bei den letzten Land¬
tagswahlen von der Fortschrittspartei gänzlich verdrängt wurde, giebt es, wie
wir schon bemerkt, nicht mehr. Aber eine, wenn wir so sagen dürfen, pro-
vinziale Partei findet sich, das sind die Abgeordneten aus der Rheinpfalz.
Diese Provinz hat schon wegen ihrer geographischen Lage und ihrer eigenen
Gesetzgebung, dann auch wegen der in ihr viel früher, als in den diesrheini-
schen Kreisen, erwachten liberal oppositionellen Gesinnungen immer eine etwas
besondere Stellung eingenommen und so sind auch ihre Deputirten von einem
ziemlich ausgeprägten Corpsgeist erfüllt. Dieser ist geblieben, auch nachdem
nun schon seit Jahren eine völlige Gleichstellung der Pfalz auf allen Gebieten
des öffentlichen Lebens mit den alten Provinzen erfolgt ist: die Pfälzer be¬
trachten jede Borlage unter dem pfälzischen Mikroskop, messen jede Verhand¬
lung an ihren Interessen und wachen eifersüchtig über ihren wirklichen oder
manchmal nur vermeintlichen Rechten, zu denen sie namentlich das zählen,
daß in jeder Commission die Pfalz wenigstens durch ein, womöglich durch
mehr Mitglieder vertreten sein muß. Auch gesellschaftlich sondern sich die
Herren von jenseits des Rheins gerne ab, aber all das mag man ihnen gern
nachsehen, wenn man daran denkt, wie im Sommer 1870 die Pfalz die Vor¬
hut des deutschen Lagers war. wie sie damals nach jedermanns Anschauung
das Objekt französischer Raublust sein mußte, und die pfälzischen Abgeordneten
doch mannhaft der Sorge um Weib und Kind, Haus und Hof sich entschlu-
gen und jeder von ihnen in jener schon erwähnten Nachtstunde des 19. Juli
auf seinem Posten stand, um sein Votum für Baierns Eintritt in den großen
Kampf abzugeben.

Wir hätten nun, wollten wir ein erschöpfendes Essay über den bairischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/517>, abgerufen am 01.07.2024.