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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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gibt -- immer weiß er zu fesseln, festzuhalten, bei Freund und Feind nach¬
haltigen Eindruck zu machen. An positivem Wissen, wie Wenige reich, wird
er von einem seltenen Gedächtniß unterstützt, mit dem er schon manchen seiner
politischen Gegner in der Anführung irgend einer vor Jahren, freilich unter
ganz andern Verhältnissen, gethanen Aeußerung einen unangenehmen Augen¬
blick bereitete.

Am unleidlichsten sind Herrn Jörg und seinen Gesinnungsgenossen jene
schon früher genannten Sechs, welche durch ihren Abfall von der ultramonta¬
nen Partei einen entschiedenen Sieg derselben in dieser Kammersession
unmöglich gemacht haben. Es ist das zunächst Herr Sepp, der Orientfahrer,
der Barbarossa's Gebeine hat suchen wollen, und zwar nicht den todten alten
Kaiser gefunden hat, aber mit Begeisterung nun zum neuen lebenden sich
hält; Dr. Schleich, der geistreiche Schriftsteller und Humorist, der an seinen
einstigen College" von der Rechten die Stelle des Kladderadatsch vertritt und
sie oft mit unbarmherzigen Spotte geißelt; Apellrath Gürster, der Jurist genug
ist, um den eigenthümlichen Rechtsanschauungen seiner mit dem kanonischen
Recht durch dick und dünn durchgehenden Zunftgenossen nicht folgen zu können;
der biedere Bezirksamtmann Maier von Landsberg, auf den "Vaterland" und
"Volksbote" nicht genug der Verdächtigung wälzen konnten; und endlich die
trefflichen Schwaben Bastner und Prestele, einfach bürgerliche Männer, die
zuerst auch meinten, das "patriotische Programm" sei der Freibrief fürs
Himmelreich, dann aber auf einmal dessen Fadenscheinigkeit erkannten und
fortan eine stets sich gleich bleibende Unterstützung der liberalen Abstimmungen
wurden. Seit vorigem Sommer hat sich diesen "Angefallenen", wie sie bei
den Clerikalen heißen, noch der erste Seeretair Eder angeschlossen. Doch auch
davon haben wir schon gesprochen.

Wenden wir uns auf die linke Seite des Hauses. An Charakterköpfen
fehlt es selbstverständlich hier auch nicht. Da sitzt einmal gleich vorn an an
der Ecke der obersten Bank Herr Volk, wohl das am weitesten im deutschen
Reiche bekannte Mitglied der bayrischen Abgeordnetenkammer, eine kräftige,
gedrungene Gestalt; er hält den Kopf in die Hand gestützt, er lauert auf den
Moment, wo er in die Debatte einspringen und seinen Gegnern ihm gegen¬
über seine allzeit schlagenden, treffenden Worte zuschleudern kann. Wohl keiner
seiner Parteifreunde hat so viel schon gesprochen, als Volk; wir wollen nicht
behaupten, daß alle seine Reden immer von gleichem Gehalte waren -- ,,6or"
una-t vt Ilvlnerus --aber stets war und ist etwas in ihnen, was packt.
Man hört die mächtige Stimme immer gern und freut sich immer auch der
Formvollendung, in die er seine Gedanken kleidet. Etwas weiter unter Volk
hat ein ebenfalls hochbedeutendes Mitglied der liberalen Fraktion seinen Platz,
ihr alter, bewährter Führer, der im vorigen Sommer sein 23 jährigcs Par^


gibt — immer weiß er zu fesseln, festzuhalten, bei Freund und Feind nach¬
haltigen Eindruck zu machen. An positivem Wissen, wie Wenige reich, wird
er von einem seltenen Gedächtniß unterstützt, mit dem er schon manchen seiner
politischen Gegner in der Anführung irgend einer vor Jahren, freilich unter
ganz andern Verhältnissen, gethanen Aeußerung einen unangenehmen Augen¬
blick bereitete.

Am unleidlichsten sind Herrn Jörg und seinen Gesinnungsgenossen jene
schon früher genannten Sechs, welche durch ihren Abfall von der ultramonta¬
nen Partei einen entschiedenen Sieg derselben in dieser Kammersession
unmöglich gemacht haben. Es ist das zunächst Herr Sepp, der Orientfahrer,
der Barbarossa's Gebeine hat suchen wollen, und zwar nicht den todten alten
Kaiser gefunden hat, aber mit Begeisterung nun zum neuen lebenden sich
hält; Dr. Schleich, der geistreiche Schriftsteller und Humorist, der an seinen
einstigen College« von der Rechten die Stelle des Kladderadatsch vertritt und
sie oft mit unbarmherzigen Spotte geißelt; Apellrath Gürster, der Jurist genug
ist, um den eigenthümlichen Rechtsanschauungen seiner mit dem kanonischen
Recht durch dick und dünn durchgehenden Zunftgenossen nicht folgen zu können;
der biedere Bezirksamtmann Maier von Landsberg, auf den „Vaterland" und
„Volksbote" nicht genug der Verdächtigung wälzen konnten; und endlich die
trefflichen Schwaben Bastner und Prestele, einfach bürgerliche Männer, die
zuerst auch meinten, das „patriotische Programm" sei der Freibrief fürs
Himmelreich, dann aber auf einmal dessen Fadenscheinigkeit erkannten und
fortan eine stets sich gleich bleibende Unterstützung der liberalen Abstimmungen
wurden. Seit vorigem Sommer hat sich diesen „Angefallenen", wie sie bei
den Clerikalen heißen, noch der erste Seeretair Eder angeschlossen. Doch auch
davon haben wir schon gesprochen.

Wenden wir uns auf die linke Seite des Hauses. An Charakterköpfen
fehlt es selbstverständlich hier auch nicht. Da sitzt einmal gleich vorn an an
der Ecke der obersten Bank Herr Volk, wohl das am weitesten im deutschen
Reiche bekannte Mitglied der bayrischen Abgeordnetenkammer, eine kräftige,
gedrungene Gestalt; er hält den Kopf in die Hand gestützt, er lauert auf den
Moment, wo er in die Debatte einspringen und seinen Gegnern ihm gegen¬
über seine allzeit schlagenden, treffenden Worte zuschleudern kann. Wohl keiner
seiner Parteifreunde hat so viel schon gesprochen, als Volk; wir wollen nicht
behaupten, daß alle seine Reden immer von gleichem Gehalte waren — ,,6or»
una-t vt Ilvlnerus —aber stets war und ist etwas in ihnen, was packt.
Man hört die mächtige Stimme immer gern und freut sich immer auch der
Formvollendung, in die er seine Gedanken kleidet. Etwas weiter unter Volk
hat ein ebenfalls hochbedeutendes Mitglied der liberalen Fraktion seinen Platz,
ihr alter, bewährter Führer, der im vorigen Sommer sein 23 jährigcs Par^


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[0515] gibt — immer weiß er zu fesseln, festzuhalten, bei Freund und Feind nach¬ haltigen Eindruck zu machen. An positivem Wissen, wie Wenige reich, wird er von einem seltenen Gedächtniß unterstützt, mit dem er schon manchen seiner politischen Gegner in der Anführung irgend einer vor Jahren, freilich unter ganz andern Verhältnissen, gethanen Aeußerung einen unangenehmen Augen¬ blick bereitete. Am unleidlichsten sind Herrn Jörg und seinen Gesinnungsgenossen jene schon früher genannten Sechs, welche durch ihren Abfall von der ultramonta¬ nen Partei einen entschiedenen Sieg derselben in dieser Kammersession unmöglich gemacht haben. Es ist das zunächst Herr Sepp, der Orientfahrer, der Barbarossa's Gebeine hat suchen wollen, und zwar nicht den todten alten Kaiser gefunden hat, aber mit Begeisterung nun zum neuen lebenden sich hält; Dr. Schleich, der geistreiche Schriftsteller und Humorist, der an seinen einstigen College« von der Rechten die Stelle des Kladderadatsch vertritt und sie oft mit unbarmherzigen Spotte geißelt; Apellrath Gürster, der Jurist genug ist, um den eigenthümlichen Rechtsanschauungen seiner mit dem kanonischen Recht durch dick und dünn durchgehenden Zunftgenossen nicht folgen zu können; der biedere Bezirksamtmann Maier von Landsberg, auf den „Vaterland" und „Volksbote" nicht genug der Verdächtigung wälzen konnten; und endlich die trefflichen Schwaben Bastner und Prestele, einfach bürgerliche Männer, die zuerst auch meinten, das „patriotische Programm" sei der Freibrief fürs Himmelreich, dann aber auf einmal dessen Fadenscheinigkeit erkannten und fortan eine stets sich gleich bleibende Unterstützung der liberalen Abstimmungen wurden. Seit vorigem Sommer hat sich diesen „Angefallenen", wie sie bei den Clerikalen heißen, noch der erste Seeretair Eder angeschlossen. Doch auch davon haben wir schon gesprochen. Wenden wir uns auf die linke Seite des Hauses. An Charakterköpfen fehlt es selbstverständlich hier auch nicht. Da sitzt einmal gleich vorn an an der Ecke der obersten Bank Herr Volk, wohl das am weitesten im deutschen Reiche bekannte Mitglied der bayrischen Abgeordnetenkammer, eine kräftige, gedrungene Gestalt; er hält den Kopf in die Hand gestützt, er lauert auf den Moment, wo er in die Debatte einspringen und seinen Gegnern ihm gegen¬ über seine allzeit schlagenden, treffenden Worte zuschleudern kann. Wohl keiner seiner Parteifreunde hat so viel schon gesprochen, als Volk; wir wollen nicht behaupten, daß alle seine Reden immer von gleichem Gehalte waren — ,,6or» una-t vt Ilvlnerus —aber stets war und ist etwas in ihnen, was packt. Man hört die mächtige Stimme immer gern und freut sich immer auch der Formvollendung, in die er seine Gedanken kleidet. Etwas weiter unter Volk hat ein ebenfalls hochbedeutendes Mitglied der liberalen Fraktion seinen Platz, ihr alter, bewährter Führer, der im vorigen Sommer sein 23 jährigcs Par^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/515>, abgerufen am 23.07.2024.