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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Jahre 1870 auf der Bahn Fische im Werth von über V2 Million Pfd. Se.,
im Jahre 1872 belief sich das Erzeugniß der Grimsby'er Seefischerei der
Menge nach auch über 31.000 Tons (ü, 2000 Pfd.). Bei ergiebigem Fange
und rascher Abfertigung der Fahrzeuge nach Einbringung derselben, vermag
ein solches Grundnetzfangfahrzeug (Snack) in 7 Wochen auf drei Reisen einen
Bruttoertrag von über 230 Pfd. Se. zu erzielen. In diesem Betriebe ist
natürlich auch das Partsystem eingeführt. Zahlreich ist die Verwendung von
Schiffsjungen, die sich aber unter strenger Strafe der Desertion beim Antritt
ihres Dienstes auf eine Reihe von Jahren verpachten müssen. So ist also
der englische Fischer gewöhnlich schon im 18, Lebensjahre in seinem schwierigen
Fache geübt und erfahren. Denn meist treten die Jungen schon mit 11 Jah¬
ren ihren Dienst an. Weder Schul- noch Militairpflicht bestehen in England
und somit gewinnt die Fischerei in diesen Jungen schon im frühen Lebens¬
alter derselben einen tüchtigen Stamm. Aehnliches läßt sich in Bezug auf
Holland sagen. Neben der Grundnetzfischerei, welche hauptsächlich Kabeljau
und Plattfische liefert, erhält sich noch immer in ziemlichem Umfang die
Leinen- und Angelsischerei, welche an unserer Nordseeküste noch immer die
weitaus vorwiegende Methode ist. Nur in Elmshorn und Blankenese, und
in Geestemünde hat sich von der Zeit der Hamburger Nordsee-Fischereigesell¬
schaft in geringem Umfang die Grundnetzfischerei erhalten. Während bei die¬
ser der Fisch an Bord sofort in Kisten mit Eis, welches zu dem Ende mit¬
geführt, verpackt wird, hält der Angelsischer den gefangenen Fisch in einer
eignen, dem Seewasser zugänglichen Abtheilung seines Fahrzeugs der sog.
Burne (englisch voll d. h. Brunnen) lebendig und erzielt der auf diese Weise lebend,
oder wie der Ausdruck ist springlebend, an den Markt gebrachte Kabeljau im
Winter hohe Preise (bis zu 10 Schilling engl. pr. Stück). Die Leinensischerei
zerfällt wiederum in die Langleinen und Kurzleinenfischerei. Jene wird wei-
terab von der Küste, diese nahe der letzteren, betrieben. Jede Snack hat eine
große Anzahl Leinen, an deren jeder mit Schnüren 20 -- 30 Angelhacken be¬
festigt sind, und welche das Fahrzeug nun bei günstigem Wetter auslaufen
läßt. Als Köder bedienen sich die Fischer hierbei des Sandwurms oder kleiner
Muscheln. Diese Leinenfischerei wurde beispielsweise im Jahre 1872 von Nor-
derney aus mit 63 Böten bei 200 Mann Besatzung betrieben. Wahrend der
Zeit vom März 1872 bis Januar 1873 haben diese Böte etwa l'/sMillionen
Stück Schellfische und 3000 Kabeljau, welche am Fangorte einen Bruttowerth
von etwa 180,000 Mark hatten, dem Meere abgewonnen.

Von der Elbe aus wird diese Fischerei hauptsächlich von Blankenese und
Finkenwerder aus betrieben. Der Umfang derselben dort wurde vor einigen
Jahren auf 130 Fahrzeuge (Ever) mit 437 Mann angegeben, und der jähr¬
liche Bruttoertrag eines solchen Fahrzeugs wurde auf 1000 -- 1400 Thaler


Jahre 1870 auf der Bahn Fische im Werth von über V2 Million Pfd. Se.,
im Jahre 1872 belief sich das Erzeugniß der Grimsby'er Seefischerei der
Menge nach auch über 31.000 Tons (ü, 2000 Pfd.). Bei ergiebigem Fange
und rascher Abfertigung der Fahrzeuge nach Einbringung derselben, vermag
ein solches Grundnetzfangfahrzeug (Snack) in 7 Wochen auf drei Reisen einen
Bruttoertrag von über 230 Pfd. Se. zu erzielen. In diesem Betriebe ist
natürlich auch das Partsystem eingeführt. Zahlreich ist die Verwendung von
Schiffsjungen, die sich aber unter strenger Strafe der Desertion beim Antritt
ihres Dienstes auf eine Reihe von Jahren verpachten müssen. So ist also
der englische Fischer gewöhnlich schon im 18, Lebensjahre in seinem schwierigen
Fache geübt und erfahren. Denn meist treten die Jungen schon mit 11 Jah¬
ren ihren Dienst an. Weder Schul- noch Militairpflicht bestehen in England
und somit gewinnt die Fischerei in diesen Jungen schon im frühen Lebens¬
alter derselben einen tüchtigen Stamm. Aehnliches läßt sich in Bezug auf
Holland sagen. Neben der Grundnetzfischerei, welche hauptsächlich Kabeljau
und Plattfische liefert, erhält sich noch immer in ziemlichem Umfang die
Leinen- und Angelsischerei, welche an unserer Nordseeküste noch immer die
weitaus vorwiegende Methode ist. Nur in Elmshorn und Blankenese, und
in Geestemünde hat sich von der Zeit der Hamburger Nordsee-Fischereigesell¬
schaft in geringem Umfang die Grundnetzfischerei erhalten. Während bei die¬
ser der Fisch an Bord sofort in Kisten mit Eis, welches zu dem Ende mit¬
geführt, verpackt wird, hält der Angelsischer den gefangenen Fisch in einer
eignen, dem Seewasser zugänglichen Abtheilung seines Fahrzeugs der sog.
Burne (englisch voll d. h. Brunnen) lebendig und erzielt der auf diese Weise lebend,
oder wie der Ausdruck ist springlebend, an den Markt gebrachte Kabeljau im
Winter hohe Preise (bis zu 10 Schilling engl. pr. Stück). Die Leinensischerei
zerfällt wiederum in die Langleinen und Kurzleinenfischerei. Jene wird wei-
terab von der Küste, diese nahe der letzteren, betrieben. Jede Snack hat eine
große Anzahl Leinen, an deren jeder mit Schnüren 20 — 30 Angelhacken be¬
festigt sind, und welche das Fahrzeug nun bei günstigem Wetter auslaufen
läßt. Als Köder bedienen sich die Fischer hierbei des Sandwurms oder kleiner
Muscheln. Diese Leinenfischerei wurde beispielsweise im Jahre 1872 von Nor-
derney aus mit 63 Böten bei 200 Mann Besatzung betrieben. Wahrend der
Zeit vom März 1872 bis Januar 1873 haben diese Böte etwa l'/sMillionen
Stück Schellfische und 3000 Kabeljau, welche am Fangorte einen Bruttowerth
von etwa 180,000 Mark hatten, dem Meere abgewonnen.

Von der Elbe aus wird diese Fischerei hauptsächlich von Blankenese und
Finkenwerder aus betrieben. Der Umfang derselben dort wurde vor einigen
Jahren auf 130 Fahrzeuge (Ever) mit 437 Mann angegeben, und der jähr¬
liche Bruttoertrag eines solchen Fahrzeugs wurde auf 1000 — 1400 Thaler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/502>, abgerufen am 23.07.2024.