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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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seitigkeiten" bei der Bücheranschaffung mehr, als der Docent, und zu "über¬
mäßiger Begünstigung büreaukratischer Formen" bei Benutzung der Bibliothek
geneigt sein, ist theils Vorurtheil, theils Ueberhebung. Daß es "reine"
Bibliothekare giebt, welche diese Befürchtung zu Schanden machen, beweist
Straßburg, Jena, Würzburg, denen wir auch Dresden und Darmstadt an
die Seite setzen möchten. Und was dort möglich ist, wird auch anderwärts
möglich sein. Es käme auf die Probe an! Wenigstens ist kein Fall bekannt,
daß man da, wo man den Versuch gemacht hat, es bedauert hätte, die
Bibliothekleitung einem geschulten Bibliothekare anvertraut zu haben.

Freilich ist es richtig: der leitende "Bibliothekmann" darf den Universi¬
tätskreisen nicht "fern stehen", er muß mit ihnen Fühlung haben, um
ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Indessen sollte das so
schwer sein, wenn man in ihm einen Gelehrten sieht, den man als seines
Gleichen zu betrachten hat, und der auf seinem Felde dem Docenten eben¬
bürtig ist? Und damit das auch äußerlich zum Ausdruck gelange, wird man
ihm Titel und Rang eines ordentlichen Honorarprofessors nicht versagen
dürfen, der ihrl mit den Fachprofessoren auf eine Stufe stellt. Auch wir
wünschen von Herzen ein "friedliches und nutzbringendes Zusammenwirken"
des Bibliothekars und der Docenten. Nur will uns bedünken, es würde die
Harmonie auf unserem Wege besser gefördert werden, als wenn man die
"Bibliothekmänner" in einen Gegensatz zu dem Docententhum grundsätzlich
hineindrängt, indem man sich bemüht, sie von der Oberleitung auszuschließen
und auf einen subalternen Standpunkt hinabzudrücken.

Ja noch mehr! Wir glauben auch, daß, wenn der Zutritt zum Ober-
bibliothekariat den "Bibliothekmännern" und principmäßig nur solchen eröffnet
würde, diese Aussicht mehr tüchtige Kräfte in den Bibliothekdienst hineinziehen
dürfte, als das bis jetzt zum Schaden der Bibliotheken der Fall gewesen ist.
Und das wäre ein großer Gewinn!

In Summa: die Bibliotheken und speziell die Universitäts-Bibliotheken
sollen der Wissenschaft im Allgemeinen und den Universitäten im Besonderen
dienstbar sein, aber ihre Leitung sei eine unabhängige, selbständige; sie for¬
dern ihre Emancipation, um ihre Aufgabe ganz zu erfüllen.


Emil Steffenhagen.


seitigkeiten" bei der Bücheranschaffung mehr, als der Docent, und zu „über¬
mäßiger Begünstigung büreaukratischer Formen" bei Benutzung der Bibliothek
geneigt sein, ist theils Vorurtheil, theils Ueberhebung. Daß es „reine"
Bibliothekare giebt, welche diese Befürchtung zu Schanden machen, beweist
Straßburg, Jena, Würzburg, denen wir auch Dresden und Darmstadt an
die Seite setzen möchten. Und was dort möglich ist, wird auch anderwärts
möglich sein. Es käme auf die Probe an! Wenigstens ist kein Fall bekannt,
daß man da, wo man den Versuch gemacht hat, es bedauert hätte, die
Bibliothekleitung einem geschulten Bibliothekare anvertraut zu haben.

Freilich ist es richtig: der leitende „Bibliothekmann" darf den Universi¬
tätskreisen nicht „fern stehen", er muß mit ihnen Fühlung haben, um
ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Indessen sollte das so
schwer sein, wenn man in ihm einen Gelehrten sieht, den man als seines
Gleichen zu betrachten hat, und der auf seinem Felde dem Docenten eben¬
bürtig ist? Und damit das auch äußerlich zum Ausdruck gelange, wird man
ihm Titel und Rang eines ordentlichen Honorarprofessors nicht versagen
dürfen, der ihrl mit den Fachprofessoren auf eine Stufe stellt. Auch wir
wünschen von Herzen ein „friedliches und nutzbringendes Zusammenwirken"
des Bibliothekars und der Docenten. Nur will uns bedünken, es würde die
Harmonie auf unserem Wege besser gefördert werden, als wenn man die
„Bibliothekmänner" in einen Gegensatz zu dem Docententhum grundsätzlich
hineindrängt, indem man sich bemüht, sie von der Oberleitung auszuschließen
und auf einen subalternen Standpunkt hinabzudrücken.

Ja noch mehr! Wir glauben auch, daß, wenn der Zutritt zum Ober-
bibliothekariat den „Bibliothekmännern" und principmäßig nur solchen eröffnet
würde, diese Aussicht mehr tüchtige Kräfte in den Bibliothekdienst hineinziehen
dürfte, als das bis jetzt zum Schaden der Bibliotheken der Fall gewesen ist.
Und das wäre ein großer Gewinn!

In Summa: die Bibliotheken und speziell die Universitäts-Bibliotheken
sollen der Wissenschaft im Allgemeinen und den Universitäten im Besonderen
dienstbar sein, aber ihre Leitung sei eine unabhängige, selbständige; sie for¬
dern ihre Emancipation, um ihre Aufgabe ganz zu erfüllen.


Emil Steffenhagen.


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[0469] seitigkeiten" bei der Bücheranschaffung mehr, als der Docent, und zu „über¬ mäßiger Begünstigung büreaukratischer Formen" bei Benutzung der Bibliothek geneigt sein, ist theils Vorurtheil, theils Ueberhebung. Daß es „reine" Bibliothekare giebt, welche diese Befürchtung zu Schanden machen, beweist Straßburg, Jena, Würzburg, denen wir auch Dresden und Darmstadt an die Seite setzen möchten. Und was dort möglich ist, wird auch anderwärts möglich sein. Es käme auf die Probe an! Wenigstens ist kein Fall bekannt, daß man da, wo man den Versuch gemacht hat, es bedauert hätte, die Bibliothekleitung einem geschulten Bibliothekare anvertraut zu haben. Freilich ist es richtig: der leitende „Bibliothekmann" darf den Universi¬ tätskreisen nicht „fern stehen", er muß mit ihnen Fühlung haben, um ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Indessen sollte das so schwer sein, wenn man in ihm einen Gelehrten sieht, den man als seines Gleichen zu betrachten hat, und der auf seinem Felde dem Docenten eben¬ bürtig ist? Und damit das auch äußerlich zum Ausdruck gelange, wird man ihm Titel und Rang eines ordentlichen Honorarprofessors nicht versagen dürfen, der ihrl mit den Fachprofessoren auf eine Stufe stellt. Auch wir wünschen von Herzen ein „friedliches und nutzbringendes Zusammenwirken" des Bibliothekars und der Docenten. Nur will uns bedünken, es würde die Harmonie auf unserem Wege besser gefördert werden, als wenn man die „Bibliothekmänner" in einen Gegensatz zu dem Docententhum grundsätzlich hineindrängt, indem man sich bemüht, sie von der Oberleitung auszuschließen und auf einen subalternen Standpunkt hinabzudrücken. Ja noch mehr! Wir glauben auch, daß, wenn der Zutritt zum Ober- bibliothekariat den „Bibliothekmännern" und principmäßig nur solchen eröffnet würde, diese Aussicht mehr tüchtige Kräfte in den Bibliothekdienst hineinziehen dürfte, als das bis jetzt zum Schaden der Bibliotheken der Fall gewesen ist. Und das wäre ein großer Gewinn! In Summa: die Bibliotheken und speziell die Universitäts-Bibliotheken sollen der Wissenschaft im Allgemeinen und den Universitäten im Besonderen dienstbar sein, aber ihre Leitung sei eine unabhängige, selbständige; sie for¬ dern ihre Emancipation, um ihre Aufgabe ganz zu erfüllen. Emil Steffenhagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/469>, abgerufen am 01.07.2024.