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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Arbeits-Einstellungen eine Erhöhung bis durchschnittlich 56 yet. durchgesetz
hatten. Während der Taglohn der Landarbeiter seit den letzten zehn Jahren
sich so ziemlich gleich geblieben war, ist der der Industriellen in dieser Zeit
um 100 yet. gestiegen. Es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Land¬
arbeiter willig auf den Ruf ihres Führers hörten, um auch ihrerseits an den
Wohlthaten Theil zu nehmen, deren ihre Brüder in der Industrie theilhaftig
geworden waren. Es konnte indessen kein ungünstigerer Moment gewählt
werden. Denn erst ein halbes Jahr war verflossen, seitdem in Folge des
Ausbruches der Krisis in New-Uork auch England in Mitleidenschaft gezogen
worden war. Schon hatte Kohle und Eisen einen Preisabschlag von 30 bis
35 yet. erfahren. Ueberall wurden die Geschäfte eingeschränkt, sowie Arbeiter
entlassen. Schon begann jener in den Annalen der Geschichte fast beispiellos
anhaltende Kampf der englischen Industriearbeiter und Bergleute mit ihren
Arbeitgebern wegen der von den Letzteren in Folge des Rückganges der Ge¬
schäfte nothwendig angeordneten Wiederermäßigung der Löhne. Obgleich die
Arbeiter durch zahlreiche Aufstände während deren zuweilen bis gegen
100,000 Mann feierten, sich gegen die Lohnreduction zu wehren suchten, so
half es doch nichts und jeder Versuch hat während der letzten 10 Monate
mit einem Compromiß oder mit der Niederlage der Arbeiter geendigt, ja viele
Werke sind sogar zu wiederholten Lohnherabsetzungen geschritten, so daß nun¬
mehr fast das ganze Terrain wieder verloren ist, welches die Arbeiter in den
drei Jahren vor Ausbruch der Krisis sich erobert hatten. Es muß daher
wahrhaft in Erstaunen setzen, daß ein sonst so begabter und erfahrener Mann
wie Josef Ares sich dermaßen über den richtigen Zeitpunkt der Action irren
konnte. Trotz dessen waren die Pächter der östlichen Grafschaften Englands
anfangs nicht abgeneigt, die Forderung der Erhöhung des Wochenlohnes auf
18 Shilling zu bewilligen. Während die Unterhandlungen zwischen beiden
Theilen noch schwebten, waren aber die Agenten der National-Union zum
ersten Mal auf dem Kampfplatz erschienen und hatten begonnen die Arbeiter
durch Lockungen und Forderungen neuer Art aufzureizen. Damit änderte sich
die Sachlage vollständig, die Pächter verabredeten sich, brachen die Unter¬
handlungen ab und erklärten mit Bestimmtheit jede fernere Beziehung von
der Bedingung des Auftrittes aus der Gesellschaft abhängig zu machen. Sie
begannen, alle Arbeiter, welche Mitglieder der "National-Union" sowie der
später gegründeten "Föderal-Union" waren, welch' letztere die Auswanderung
aus ihren Statuten ausschloß, zu entlassen. Als beide Vereine ihren Mitgliedern
die statutenmäßige Unterstützung von wöchentlich 9 -- 10 Shilling auszahlten
und durch ihre Agenten die Forderungen aufstellen ließen und die Arbeiter
dafür zu gewinnen suchten, daß alle Streitigkeiten zwischen Pächtern und
Arbeitern dem Borstand der Gesellschaften angezeigt werden sollten, daß die


Arbeits-Einstellungen eine Erhöhung bis durchschnittlich 56 yet. durchgesetz
hatten. Während der Taglohn der Landarbeiter seit den letzten zehn Jahren
sich so ziemlich gleich geblieben war, ist der der Industriellen in dieser Zeit
um 100 yet. gestiegen. Es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Land¬
arbeiter willig auf den Ruf ihres Führers hörten, um auch ihrerseits an den
Wohlthaten Theil zu nehmen, deren ihre Brüder in der Industrie theilhaftig
geworden waren. Es konnte indessen kein ungünstigerer Moment gewählt
werden. Denn erst ein halbes Jahr war verflossen, seitdem in Folge des
Ausbruches der Krisis in New-Uork auch England in Mitleidenschaft gezogen
worden war. Schon hatte Kohle und Eisen einen Preisabschlag von 30 bis
35 yet. erfahren. Ueberall wurden die Geschäfte eingeschränkt, sowie Arbeiter
entlassen. Schon begann jener in den Annalen der Geschichte fast beispiellos
anhaltende Kampf der englischen Industriearbeiter und Bergleute mit ihren
Arbeitgebern wegen der von den Letzteren in Folge des Rückganges der Ge¬
schäfte nothwendig angeordneten Wiederermäßigung der Löhne. Obgleich die
Arbeiter durch zahlreiche Aufstände während deren zuweilen bis gegen
100,000 Mann feierten, sich gegen die Lohnreduction zu wehren suchten, so
half es doch nichts und jeder Versuch hat während der letzten 10 Monate
mit einem Compromiß oder mit der Niederlage der Arbeiter geendigt, ja viele
Werke sind sogar zu wiederholten Lohnherabsetzungen geschritten, so daß nun¬
mehr fast das ganze Terrain wieder verloren ist, welches die Arbeiter in den
drei Jahren vor Ausbruch der Krisis sich erobert hatten. Es muß daher
wahrhaft in Erstaunen setzen, daß ein sonst so begabter und erfahrener Mann
wie Josef Ares sich dermaßen über den richtigen Zeitpunkt der Action irren
konnte. Trotz dessen waren die Pächter der östlichen Grafschaften Englands
anfangs nicht abgeneigt, die Forderung der Erhöhung des Wochenlohnes auf
18 Shilling zu bewilligen. Während die Unterhandlungen zwischen beiden
Theilen noch schwebten, waren aber die Agenten der National-Union zum
ersten Mal auf dem Kampfplatz erschienen und hatten begonnen die Arbeiter
durch Lockungen und Forderungen neuer Art aufzureizen. Damit änderte sich
die Sachlage vollständig, die Pächter verabredeten sich, brachen die Unter¬
handlungen ab und erklärten mit Bestimmtheit jede fernere Beziehung von
der Bedingung des Auftrittes aus der Gesellschaft abhängig zu machen. Sie
begannen, alle Arbeiter, welche Mitglieder der „National-Union" sowie der
später gegründeten „Föderal-Union" waren, welch' letztere die Auswanderung
aus ihren Statuten ausschloß, zu entlassen. Als beide Vereine ihren Mitgliedern
die statutenmäßige Unterstützung von wöchentlich 9 — 10 Shilling auszahlten
und durch ihre Agenten die Forderungen aufstellen ließen und die Arbeiter
dafür zu gewinnen suchten, daß alle Streitigkeiten zwischen Pächtern und
Arbeitern dem Borstand der Gesellschaften angezeigt werden sollten, daß die


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[0423] Arbeits-Einstellungen eine Erhöhung bis durchschnittlich 56 yet. durchgesetz hatten. Während der Taglohn der Landarbeiter seit den letzten zehn Jahren sich so ziemlich gleich geblieben war, ist der der Industriellen in dieser Zeit um 100 yet. gestiegen. Es darf daher nicht Wunder nehmen, daß die Land¬ arbeiter willig auf den Ruf ihres Führers hörten, um auch ihrerseits an den Wohlthaten Theil zu nehmen, deren ihre Brüder in der Industrie theilhaftig geworden waren. Es konnte indessen kein ungünstigerer Moment gewählt werden. Denn erst ein halbes Jahr war verflossen, seitdem in Folge des Ausbruches der Krisis in New-Uork auch England in Mitleidenschaft gezogen worden war. Schon hatte Kohle und Eisen einen Preisabschlag von 30 bis 35 yet. erfahren. Ueberall wurden die Geschäfte eingeschränkt, sowie Arbeiter entlassen. Schon begann jener in den Annalen der Geschichte fast beispiellos anhaltende Kampf der englischen Industriearbeiter und Bergleute mit ihren Arbeitgebern wegen der von den Letzteren in Folge des Rückganges der Ge¬ schäfte nothwendig angeordneten Wiederermäßigung der Löhne. Obgleich die Arbeiter durch zahlreiche Aufstände während deren zuweilen bis gegen 100,000 Mann feierten, sich gegen die Lohnreduction zu wehren suchten, so half es doch nichts und jeder Versuch hat während der letzten 10 Monate mit einem Compromiß oder mit der Niederlage der Arbeiter geendigt, ja viele Werke sind sogar zu wiederholten Lohnherabsetzungen geschritten, so daß nun¬ mehr fast das ganze Terrain wieder verloren ist, welches die Arbeiter in den drei Jahren vor Ausbruch der Krisis sich erobert hatten. Es muß daher wahrhaft in Erstaunen setzen, daß ein sonst so begabter und erfahrener Mann wie Josef Ares sich dermaßen über den richtigen Zeitpunkt der Action irren konnte. Trotz dessen waren die Pächter der östlichen Grafschaften Englands anfangs nicht abgeneigt, die Forderung der Erhöhung des Wochenlohnes auf 18 Shilling zu bewilligen. Während die Unterhandlungen zwischen beiden Theilen noch schwebten, waren aber die Agenten der National-Union zum ersten Mal auf dem Kampfplatz erschienen und hatten begonnen die Arbeiter durch Lockungen und Forderungen neuer Art aufzureizen. Damit änderte sich die Sachlage vollständig, die Pächter verabredeten sich, brachen die Unter¬ handlungen ab und erklärten mit Bestimmtheit jede fernere Beziehung von der Bedingung des Auftrittes aus der Gesellschaft abhängig zu machen. Sie begannen, alle Arbeiter, welche Mitglieder der „National-Union" sowie der später gegründeten „Föderal-Union" waren, welch' letztere die Auswanderung aus ihren Statuten ausschloß, zu entlassen. Als beide Vereine ihren Mitgliedern die statutenmäßige Unterstützung von wöchentlich 9 — 10 Shilling auszahlten und durch ihre Agenten die Forderungen aufstellen ließen und die Arbeiter dafür zu gewinnen suchten, daß alle Streitigkeiten zwischen Pächtern und Arbeitern dem Borstand der Gesellschaften angezeigt werden sollten, daß die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/423>, abgerufen am 23.07.2024.