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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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von allgemeinen "Polizeijagden", an denen sich alle Dorfeingesessenen bethei-
ligen müssen. Diese wurden schon 1797 unter franz-ösischer Herrschaft einge¬
führt, und zwar unter Leitung der Forstbeamten. Dabei gehören die erlegten
Naubthiere den glücklichen Jägern unentgeltlich zu Eigenthum. Außerdem
wurden (vorzugsweise im Canton Lützelstein-Nord) "Saufänge" angelegt, die
sich so gut bewährten, daß darin bis Ende April 1872 ca. 1 Dtzd. Sauen
eingefangen wurden. Doch sind alle diese Maßnahmen insofern noch nicht
mit einem bleibenden Erfolge gekrönt, als dazu nothwendig auch die thätige
Mitwirkung der französischen Grenz - Forstbehörden gehört, ohne welche
sich sonst das Raubwild in die nahen Ardennen zurückziehen und von dort
immer wieder gelegentliche Streifzüge in das deutsche Vogesengebiet machen
kann. Namentlich jetzt wird in der Verfolgung des Raubwildes seitens der
deutschen Förster und Oberförster über die Lässigkeit der französischen College"
geklagt. Endlich sucht man noch aus Nah und Fern Jagdliebhaber zu der
allerdings etwas gefährlichen, darum aber auch um so romantischeren Wolff¬
urt Saujagd herbeizuziehen. So nahmen im vorigen Jahre an diesen Jagden
auch eine Anzahl Schützen aus Baden und Würtemberg Theil, die sich sehr
gut dabei amüsirt haben sollen. Den zeitigen Raubwildstand Lothringens
schätzt der genannte Major auf etwa 200 Wölfe, 1800 Wildschweine, 150
Wildkatzen und 2500 Füchse, so daß es also an Gelegenheit, zum Schuß zu
kommen, nicht fehlen würde. --

Die deutsche Negierung hat indessen mit Anbruch der Fastenzeit sich ver¬
anlaßt gesehen, noch auf ein anderes "Wild" Jagd zu machen, das zwar
eigentlich zu den zahmen Hausthieren und Kirchenmäusen gehören sollte, aber
in diesem Jahre, man weiß nicht aus welchen Gründen, etwas sehr üppig
und widersinnig sich geberdet hat. Es sind dies die "Fasten-Hirtenbriefe" der
Bischöfe von Straßburg und Metz, ein Theil clencaler Gelegenheits-
Literatur. .der, wie gesagt, in der Regel von Sanftmuth und Frömmigkeit
strotzt, in diesem Falle aber schon mehr "geharnischten Sonnetten" und
garstigen Tiraden ähnelt. Namentlich ist es der Bischof Raeß von Stra߬
burg gewesen, der seinen feurigen Fastenhirtenbrief mit allerhand kräftigen
Phrasen ü, Is, Alb an Stolz gewürzt hat, so recht dazu geeignet, um seine
gehorsamen Schäflein gegen das Bestehende aufzureizen. Es soll darin von
"Judassen" die Rede sein, welche sich an dem "Papstkönige" mit Hohn und
Tempelschändungen sättigen, und mit schwerem Geschütz auf eine "Schaar
Bösewichter" losgefeuert werden, welche den "Gesalbten des Herrn umlagern"
und eine gewaltige Verschwörung gegen denselben anzetteln. Die "Karls¬
ruher Zeitung" bemerkt dazu: "Es kann nicht überraschen, daß die Bischöfe
in Bezug auf Kcaftstil hinter ihrem Oberhaupt in Rom nicht zurückbleiben
wollen; aber die Behörden scheinen ebenfalls ihrer Pflicht eingedenk zu sein."


von allgemeinen „Polizeijagden", an denen sich alle Dorfeingesessenen bethei-
ligen müssen. Diese wurden schon 1797 unter franz-ösischer Herrschaft einge¬
führt, und zwar unter Leitung der Forstbeamten. Dabei gehören die erlegten
Naubthiere den glücklichen Jägern unentgeltlich zu Eigenthum. Außerdem
wurden (vorzugsweise im Canton Lützelstein-Nord) „Saufänge" angelegt, die
sich so gut bewährten, daß darin bis Ende April 1872 ca. 1 Dtzd. Sauen
eingefangen wurden. Doch sind alle diese Maßnahmen insofern noch nicht
mit einem bleibenden Erfolge gekrönt, als dazu nothwendig auch die thätige
Mitwirkung der französischen Grenz - Forstbehörden gehört, ohne welche
sich sonst das Raubwild in die nahen Ardennen zurückziehen und von dort
immer wieder gelegentliche Streifzüge in das deutsche Vogesengebiet machen
kann. Namentlich jetzt wird in der Verfolgung des Raubwildes seitens der
deutschen Förster und Oberförster über die Lässigkeit der französischen College»
geklagt. Endlich sucht man noch aus Nah und Fern Jagdliebhaber zu der
allerdings etwas gefährlichen, darum aber auch um so romantischeren Wolff¬
urt Saujagd herbeizuziehen. So nahmen im vorigen Jahre an diesen Jagden
auch eine Anzahl Schützen aus Baden und Würtemberg Theil, die sich sehr
gut dabei amüsirt haben sollen. Den zeitigen Raubwildstand Lothringens
schätzt der genannte Major auf etwa 200 Wölfe, 1800 Wildschweine, 150
Wildkatzen und 2500 Füchse, so daß es also an Gelegenheit, zum Schuß zu
kommen, nicht fehlen würde. —

Die deutsche Negierung hat indessen mit Anbruch der Fastenzeit sich ver¬
anlaßt gesehen, noch auf ein anderes „Wild" Jagd zu machen, das zwar
eigentlich zu den zahmen Hausthieren und Kirchenmäusen gehören sollte, aber
in diesem Jahre, man weiß nicht aus welchen Gründen, etwas sehr üppig
und widersinnig sich geberdet hat. Es sind dies die „Fasten-Hirtenbriefe" der
Bischöfe von Straßburg und Metz, ein Theil clencaler Gelegenheits-
Literatur. .der, wie gesagt, in der Regel von Sanftmuth und Frömmigkeit
strotzt, in diesem Falle aber schon mehr „geharnischten Sonnetten" und
garstigen Tiraden ähnelt. Namentlich ist es der Bischof Raeß von Stra߬
burg gewesen, der seinen feurigen Fastenhirtenbrief mit allerhand kräftigen
Phrasen ü, Is, Alb an Stolz gewürzt hat, so recht dazu geeignet, um seine
gehorsamen Schäflein gegen das Bestehende aufzureizen. Es soll darin von
„Judassen" die Rede sein, welche sich an dem „Papstkönige" mit Hohn und
Tempelschändungen sättigen, und mit schwerem Geschütz auf eine „Schaar
Bösewichter" losgefeuert werden, welche den „Gesalbten des Herrn umlagern"
und eine gewaltige Verschwörung gegen denselben anzetteln. Die „Karls¬
ruher Zeitung" bemerkt dazu: „Es kann nicht überraschen, daß die Bischöfe
in Bezug auf Kcaftstil hinter ihrem Oberhaupt in Rom nicht zurückbleiben
wollen; aber die Behörden scheinen ebenfalls ihrer Pflicht eingedenk zu sein."


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[0356] von allgemeinen „Polizeijagden", an denen sich alle Dorfeingesessenen bethei- ligen müssen. Diese wurden schon 1797 unter franz-ösischer Herrschaft einge¬ führt, und zwar unter Leitung der Forstbeamten. Dabei gehören die erlegten Naubthiere den glücklichen Jägern unentgeltlich zu Eigenthum. Außerdem wurden (vorzugsweise im Canton Lützelstein-Nord) „Saufänge" angelegt, die sich so gut bewährten, daß darin bis Ende April 1872 ca. 1 Dtzd. Sauen eingefangen wurden. Doch sind alle diese Maßnahmen insofern noch nicht mit einem bleibenden Erfolge gekrönt, als dazu nothwendig auch die thätige Mitwirkung der französischen Grenz - Forstbehörden gehört, ohne welche sich sonst das Raubwild in die nahen Ardennen zurückziehen und von dort immer wieder gelegentliche Streifzüge in das deutsche Vogesengebiet machen kann. Namentlich jetzt wird in der Verfolgung des Raubwildes seitens der deutschen Förster und Oberförster über die Lässigkeit der französischen College» geklagt. Endlich sucht man noch aus Nah und Fern Jagdliebhaber zu der allerdings etwas gefährlichen, darum aber auch um so romantischeren Wolff¬ urt Saujagd herbeizuziehen. So nahmen im vorigen Jahre an diesen Jagden auch eine Anzahl Schützen aus Baden und Würtemberg Theil, die sich sehr gut dabei amüsirt haben sollen. Den zeitigen Raubwildstand Lothringens schätzt der genannte Major auf etwa 200 Wölfe, 1800 Wildschweine, 150 Wildkatzen und 2500 Füchse, so daß es also an Gelegenheit, zum Schuß zu kommen, nicht fehlen würde. — Die deutsche Negierung hat indessen mit Anbruch der Fastenzeit sich ver¬ anlaßt gesehen, noch auf ein anderes „Wild" Jagd zu machen, das zwar eigentlich zu den zahmen Hausthieren und Kirchenmäusen gehören sollte, aber in diesem Jahre, man weiß nicht aus welchen Gründen, etwas sehr üppig und widersinnig sich geberdet hat. Es sind dies die „Fasten-Hirtenbriefe" der Bischöfe von Straßburg und Metz, ein Theil clencaler Gelegenheits- Literatur. .der, wie gesagt, in der Regel von Sanftmuth und Frömmigkeit strotzt, in diesem Falle aber schon mehr „geharnischten Sonnetten" und garstigen Tiraden ähnelt. Namentlich ist es der Bischof Raeß von Stra߬ burg gewesen, der seinen feurigen Fastenhirtenbrief mit allerhand kräftigen Phrasen ü, Is, Alb an Stolz gewürzt hat, so recht dazu geeignet, um seine gehorsamen Schäflein gegen das Bestehende aufzureizen. Es soll darin von „Judassen" die Rede sein, welche sich an dem „Papstkönige" mit Hohn und Tempelschändungen sättigen, und mit schwerem Geschütz auf eine „Schaar Bösewichter" losgefeuert werden, welche den „Gesalbten des Herrn umlagern" und eine gewaltige Verschwörung gegen denselben anzetteln. Die „Karls¬ ruher Zeitung" bemerkt dazu: „Es kann nicht überraschen, daß die Bischöfe in Bezug auf Kcaftstil hinter ihrem Oberhaupt in Rom nicht zurückbleiben wollen; aber die Behörden scheinen ebenfalls ihrer Pflicht eingedenk zu sein."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/356>, abgerufen am 28.09.2024.