Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sichern, die Hausthüre mit ins Wirthshaus nimmt, um der Frau, die auch
in Sommer's Gedichten als Feind des leidigen Kneipenlebens auftritt, den
Verschluß der Hausthür unmöglich zu machen. Diese in herzlicher Gemüth¬
lichkeit geschilderten kleinen Unebenheiten sind natürlich verzeihlich, wenn man
die Anforderung, welche der Rudolstädter an die Güte des Gerstensaftes stellt,
erfüllt sieht. Diese präcisirt Sommer in einem Gedicht (I. Ur. 27) "Wie
ägentlich 's Bier muß sei" in so ausgezeichneter Weise, daß das Recept für
ein gutes und gesundes Getränk von der Gesundheitspolizei nur aus Rudol-
stadt bezogen werden könnte. Es heißt da:


[Beginn Spaltensatz] Ferhad Erschte: 's muß ä Rähmchen ha
DaS darf sich necs verliere
Un grusze Glotzen necs etwa
Wie 's bei'n Fliegenbiere.
Un Spitze, die gebiert derzu
Suwie der Schwanz zur Feire
's muß off d'r Zunge britzlc su
Wenns soll gekrönten wäre.
's darf necs in Leibe las wie Lack
Un muß 'n Magen wcirmc.
s' muß reine sei, von Wuhlgcschmack
Un darf necs cpper Starna. Es muß rächt zöngle, sbffig sei
Und darf nach cschoffirc.
Und kriecht mar a arm Zopf derbei
Mer darf darnach nichts foire. [Spaltenumbruch] Ferhad Zwäte muß a Brand do sei
Un muß an Lichte feire
Wenns kä Gesichte hat derbei
Da kann sich's lasse leire. Un weiter noch verlangt mer a
Su von nimm guten B^lere
Es muß vol Kuhlcnseire ha
Und muß wie marrsch mussire.
's darf guöle ja bei Leibe necs
Rech därfre un necs bunte
Und wennste trvnkst, da darf a sich
De' Gischt necs gleich vcrlrimle.
Su muß ä Bier beschaffen sei
Da darf dervon nischt fehle
Wenn das necs alles of derber
Da will's necs in de Kehle. [Ende Spaltensatz]

In mehr als einer Richtung hat Sommer die Wirkungen eines solchen
oder ähnlichen Stoffs veranschaulicht, bei der man aber stets auf das harm¬
lose Treiben des Volkes stößt. Klassisch ist die kleine Erzählung "In Dussel"
(III. Ur. I). in der zwei Individuen über das Eigenthum eines über den
Schlitten hinausreichenden Beins streiten. Um jenes festzustellen, verlassen
sie den Schlitten, und sehen mit Staunen, "daß das Bär wack is". bis sie
sich dann über die Zugehörigkeit durch einen festen Peitschenhieb klar werden,
nachdem beim Wiederbesteigen des Schlittens "ja das nämliche Bär aus dem
Schlitten hinausstarzte."

Der Raum verbietet uns. auf den Inhalt der komischen Producte dieser
Richtung weiter einzugehen. Die Schilderungen führen in so viele interessante
Situationen des witzigen und harmlosen Individuums ein, daß ein völliges
Erschöpfen ohnehin nicht möglich ist. Besonders reich sind die kleinen Erzäh¬
lungen, die Schnärzchen und Raupen, in der sich, wie in besondern Gedichten


sichern, die Hausthüre mit ins Wirthshaus nimmt, um der Frau, die auch
in Sommer's Gedichten als Feind des leidigen Kneipenlebens auftritt, den
Verschluß der Hausthür unmöglich zu machen. Diese in herzlicher Gemüth¬
lichkeit geschilderten kleinen Unebenheiten sind natürlich verzeihlich, wenn man
die Anforderung, welche der Rudolstädter an die Güte des Gerstensaftes stellt,
erfüllt sieht. Diese präcisirt Sommer in einem Gedicht (I. Ur. 27) „Wie
ägentlich 's Bier muß sei" in so ausgezeichneter Weise, daß das Recept für
ein gutes und gesundes Getränk von der Gesundheitspolizei nur aus Rudol-
stadt bezogen werden könnte. Es heißt da:


[Beginn Spaltensatz] Ferhad Erschte: 's muß ä Rähmchen ha
DaS darf sich necs verliere
Un grusze Glotzen necs etwa
Wie 's bei'n Fliegenbiere.
Un Spitze, die gebiert derzu
Suwie der Schwanz zur Feire
's muß off d'r Zunge britzlc su
Wenns soll gekrönten wäre.
's darf necs in Leibe las wie Lack
Un muß 'n Magen wcirmc.
s' muß reine sei, von Wuhlgcschmack
Un darf necs cpper Starna. Es muß rächt zöngle, sbffig sei
Und darf nach cschoffirc.
Und kriecht mar a arm Zopf derbei
Mer darf darnach nichts foire. [Spaltenumbruch] Ferhad Zwäte muß a Brand do sei
Un muß an Lichte feire
Wenns kä Gesichte hat derbei
Da kann sich's lasse leire. Un weiter noch verlangt mer a
Su von nimm guten B^lere
Es muß vol Kuhlcnseire ha
Und muß wie marrsch mussire.
's darf guöle ja bei Leibe necs
Rech därfre un necs bunte
Und wennste trvnkst, da darf a sich
De' Gischt necs gleich vcrlrimle.
Su muß ä Bier beschaffen sei
Da darf dervon nischt fehle
Wenn das necs alles of derber
Da will's necs in de Kehle. [Ende Spaltensatz]

In mehr als einer Richtung hat Sommer die Wirkungen eines solchen
oder ähnlichen Stoffs veranschaulicht, bei der man aber stets auf das harm¬
lose Treiben des Volkes stößt. Klassisch ist die kleine Erzählung „In Dussel"
(III. Ur. I). in der zwei Individuen über das Eigenthum eines über den
Schlitten hinausreichenden Beins streiten. Um jenes festzustellen, verlassen
sie den Schlitten, und sehen mit Staunen, „daß das Bär wack is". bis sie
sich dann über die Zugehörigkeit durch einen festen Peitschenhieb klar werden,
nachdem beim Wiederbesteigen des Schlittens „ja das nämliche Bär aus dem
Schlitten hinausstarzte."

Der Raum verbietet uns. auf den Inhalt der komischen Producte dieser
Richtung weiter einzugehen. Die Schilderungen führen in so viele interessante
Situationen des witzigen und harmlosen Individuums ein, daß ein völliges
Erschöpfen ohnehin nicht möglich ist. Besonders reich sind die kleinen Erzäh¬
lungen, die Schnärzchen und Raupen, in der sich, wie in besondern Gedichten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133110"/>
          <p xml:id="ID_1243" prev="#ID_1242"> sichern, die Hausthüre mit ins Wirthshaus nimmt, um der Frau, die auch<lb/>
in Sommer's Gedichten als Feind des leidigen Kneipenlebens auftritt, den<lb/>
Verschluß der Hausthür unmöglich zu machen. Diese in herzlicher Gemüth¬<lb/>
lichkeit geschilderten kleinen Unebenheiten sind natürlich verzeihlich, wenn man<lb/>
die Anforderung, welche der Rudolstädter an die Güte des Gerstensaftes stellt,<lb/>
erfüllt sieht. Diese präcisirt Sommer in einem Gedicht (I. Ur. 27) &#x201E;Wie<lb/>
ägentlich 's Bier muß sei" in so ausgezeichneter Weise, daß das Recept für<lb/>
ein gutes und gesundes Getränk von der Gesundheitspolizei nur aus Rudol-<lb/>
stadt bezogen werden könnte. Es heißt da:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_26" type="poem">
              <l><cb type="start"/>
Ferhad Erschte: 's muß ä Rähmchen ha<lb/>
DaS darf sich necs verliere<lb/>
Un grusze Glotzen necs etwa<lb/>
Wie 's bei'n Fliegenbiere.<lb/>
Un Spitze, die gebiert derzu<lb/>
Suwie der Schwanz zur Feire<lb/>
's muß off d'r Zunge britzlc su<lb/>
Wenns soll gekrönten wäre.<lb/>
's darf necs in Leibe las wie Lack<lb/>
Un muß 'n Magen wcirmc.<lb/>
s' muß reine sei, von Wuhlgcschmack<lb/>
Un darf necs cpper Starna. Es muß rächt zöngle, sbffig sei<lb/>
Und darf nach cschoffirc.<lb/>
Und kriecht mar a arm Zopf derbei<lb/>
Mer darf darnach nichts foire. <cb/>
Ferhad Zwäte muß a Brand do sei<lb/>
Un muß an Lichte feire<lb/>
Wenns kä Gesichte hat derbei<lb/>
Da kann sich's lasse leire.  Un weiter noch verlangt mer a<lb/>
Su von nimm guten B^lere<lb/>
Es muß vol Kuhlcnseire ha<lb/>
Und muß wie marrsch mussire.<lb/>
's darf guöle ja bei Leibe necs<lb/>
Rech därfre un necs bunte<lb/>
Und wennste trvnkst, da darf a sich<lb/>
De' Gischt necs gleich vcrlrimle.<lb/>
Su muß ä Bier beschaffen sei<lb/>
Da darf dervon nischt fehle<lb/>
Wenn das necs alles of derber<lb/>
Da will's necs in de Kehle. <cb type="end"/>
</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1244"> In mehr als einer Richtung hat Sommer die Wirkungen eines solchen<lb/>
oder ähnlichen Stoffs veranschaulicht, bei der man aber stets auf das harm¬<lb/>
lose Treiben des Volkes stößt. Klassisch ist die kleine Erzählung &#x201E;In Dussel"<lb/>
(III. Ur. I). in der zwei Individuen über das Eigenthum eines über den<lb/>
Schlitten hinausreichenden Beins streiten. Um jenes festzustellen, verlassen<lb/>
sie den Schlitten, und sehen mit Staunen, &#x201E;daß das Bär wack is". bis sie<lb/>
sich dann über die Zugehörigkeit durch einen festen Peitschenhieb klar werden,<lb/>
nachdem beim Wiederbesteigen des Schlittens &#x201E;ja das nämliche Bär aus dem<lb/>
Schlitten hinausstarzte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1245" next="#ID_1246"> Der Raum verbietet uns. auf den Inhalt der komischen Producte dieser<lb/>
Richtung weiter einzugehen. Die Schilderungen führen in so viele interessante<lb/>
Situationen des witzigen und harmlosen Individuums ein, daß ein völliges<lb/>
Erschöpfen ohnehin nicht möglich ist. Besonders reich sind die kleinen Erzäh¬<lb/>
lungen, die Schnärzchen und Raupen, in der sich, wie in besondern Gedichten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] sichern, die Hausthüre mit ins Wirthshaus nimmt, um der Frau, die auch in Sommer's Gedichten als Feind des leidigen Kneipenlebens auftritt, den Verschluß der Hausthür unmöglich zu machen. Diese in herzlicher Gemüth¬ lichkeit geschilderten kleinen Unebenheiten sind natürlich verzeihlich, wenn man die Anforderung, welche der Rudolstädter an die Güte des Gerstensaftes stellt, erfüllt sieht. Diese präcisirt Sommer in einem Gedicht (I. Ur. 27) „Wie ägentlich 's Bier muß sei" in so ausgezeichneter Weise, daß das Recept für ein gutes und gesundes Getränk von der Gesundheitspolizei nur aus Rudol- stadt bezogen werden könnte. Es heißt da: Ferhad Erschte: 's muß ä Rähmchen ha DaS darf sich necs verliere Un grusze Glotzen necs etwa Wie 's bei'n Fliegenbiere. Un Spitze, die gebiert derzu Suwie der Schwanz zur Feire 's muß off d'r Zunge britzlc su Wenns soll gekrönten wäre. 's darf necs in Leibe las wie Lack Un muß 'n Magen wcirmc. s' muß reine sei, von Wuhlgcschmack Un darf necs cpper Starna. Es muß rächt zöngle, sbffig sei Und darf nach cschoffirc. Und kriecht mar a arm Zopf derbei Mer darf darnach nichts foire. Ferhad Zwäte muß a Brand do sei Un muß an Lichte feire Wenns kä Gesichte hat derbei Da kann sich's lasse leire. Un weiter noch verlangt mer a Su von nimm guten B^lere Es muß vol Kuhlcnseire ha Und muß wie marrsch mussire. 's darf guöle ja bei Leibe necs Rech därfre un necs bunte Und wennste trvnkst, da darf a sich De' Gischt necs gleich vcrlrimle. Su muß ä Bier beschaffen sei Da darf dervon nischt fehle Wenn das necs alles of derber Da will's necs in de Kehle. In mehr als einer Richtung hat Sommer die Wirkungen eines solchen oder ähnlichen Stoffs veranschaulicht, bei der man aber stets auf das harm¬ lose Treiben des Volkes stößt. Klassisch ist die kleine Erzählung „In Dussel" (III. Ur. I). in der zwei Individuen über das Eigenthum eines über den Schlitten hinausreichenden Beins streiten. Um jenes festzustellen, verlassen sie den Schlitten, und sehen mit Staunen, „daß das Bär wack is". bis sie sich dann über die Zugehörigkeit durch einen festen Peitschenhieb klar werden, nachdem beim Wiederbesteigen des Schlittens „ja das nämliche Bär aus dem Schlitten hinausstarzte." Der Raum verbietet uns. auf den Inhalt der komischen Producte dieser Richtung weiter einzugehen. Die Schilderungen führen in so viele interessante Situationen des witzigen und harmlosen Individuums ein, daß ein völliges Erschöpfen ohnehin nicht möglich ist. Besonders reich sind die kleinen Erzäh¬ lungen, die Schnärzchen und Raupen, in der sich, wie in besondern Gedichten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/350>, abgerufen am 23.07.2024.