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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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aus den Tagen jener großen Versammlung übrig blieben, gingen so tief, daß
die Bürger der Reformation mit offenen Armen entgegeneilten und der Bischof
bereits voll Grimm die Stadt verließ. Immer entschiedener trat die luthe¬
rische Gesinnung zu Tage und da die Stadt sogar das Interim zurückwies,
das ihr Karl V. auferlegt, so kam es zum offenen Kampfe. Es war eine
jener Fehden, in denen das Selbstgefühl der Bürgerschaft mit verzweifeltem
Muthe der fürstlichen Uebermacht entgegentrat; auf der Rheinbrücke stießen
die Soldaten der Stadt mit dem spanischen Fußvolk zusammen, das der
Kaiser wider sie gesandt, und nach mörderischen Gemetzel behielten sie wirklich
die Oberhand.

Freilich war es ein Pyrrhussieg, der hier gewonnen wurde, denn der
Kaiser lohnte den Heldenmuth seiner Feinde mit der Acht und nahm die stadt,
die bisher freie Reichsstadt gewesen, ins Eigenthum der österreichischen Lande.
Alle Protestanten mußten sich flüchten, ihre Güter wurden eingezogen -- der
Glaube war gerettet.

Noch einmal hatte Constanz schwer unter der Noth des Krieges zu lei¬
den, als die Schweden vor seinen Thoren lagen; dreimal stürmte Feldmarschall
Horn gegen die Mauern der Stadt, bis ihn die furchtbare Gegenwehr der
Bewohner zum Abzug zwang. Dann erst kamen stillere Zeiten. Handel und
Gewerbe begannen langsam wieder empor zu blühen und die Natur trug un-
verkümmert ihre goldenen Schätze, aber ein Wandel war doch für allezeit und
unabänderlich vollzogen. -- Aus der mächtigen freien Reichsstadt war eine
stille schlichte Provinzstadt geworden, und nur eines gemahnte noch an die
große Vergangenheit, ein Zug zur Freiheit, die die Stadt auf jede Weise be¬
thätigte und den sie vor allem jetzt auf kirchlichem Gebiete bekundet. Auch
manche edle Hand kam ihrem Streben fördernd zu Hülfe, wer dächte hier
nicht mit Dank an Kaiser Joseph II. und an den großen Wessenberg? Und
so scheiden wir doch mit einem wohlthuenden Gefühle.

Was uns jetzt noch zu betrachten erübrigt, das sind die beiden großen
Inseln, die ebenso wie Lindau schon in frühester Zeit als Auen bezeichnet
wurden, die eine nach ihrem Reichthum, die andere nach holder Maienluft:
Mairan und Reichenau.

Lange Zeit gehörten die beiden zusammen, Mairan war nur ein Neben¬
gut der großen Abtei im Untersee, bis die Aebte es als Lehen vergabten; erst
aus zweiter Hand kam es dann an den deutschen Orden, der die herrliche
Commende bis 1806 besaß. Mit mächtigen Flügeln stand das breite fürstliche
Ordenshaus auf dem hohen Plateau der Insel, eine Mischung von Burg
und Kloster; in den Gängen und den prächtigen Sälen hingen die Wappen¬
schilder der hohen Comthure und in der Ordenskapelle des Hauses klang die
geweihte Glocke. Weithin über den See scholl ihr friedvoller Klang, drüben


aus den Tagen jener großen Versammlung übrig blieben, gingen so tief, daß
die Bürger der Reformation mit offenen Armen entgegeneilten und der Bischof
bereits voll Grimm die Stadt verließ. Immer entschiedener trat die luthe¬
rische Gesinnung zu Tage und da die Stadt sogar das Interim zurückwies,
das ihr Karl V. auferlegt, so kam es zum offenen Kampfe. Es war eine
jener Fehden, in denen das Selbstgefühl der Bürgerschaft mit verzweifeltem
Muthe der fürstlichen Uebermacht entgegentrat; auf der Rheinbrücke stießen
die Soldaten der Stadt mit dem spanischen Fußvolk zusammen, das der
Kaiser wider sie gesandt, und nach mörderischen Gemetzel behielten sie wirklich
die Oberhand.

Freilich war es ein Pyrrhussieg, der hier gewonnen wurde, denn der
Kaiser lohnte den Heldenmuth seiner Feinde mit der Acht und nahm die stadt,
die bisher freie Reichsstadt gewesen, ins Eigenthum der österreichischen Lande.
Alle Protestanten mußten sich flüchten, ihre Güter wurden eingezogen — der
Glaube war gerettet.

Noch einmal hatte Constanz schwer unter der Noth des Krieges zu lei¬
den, als die Schweden vor seinen Thoren lagen; dreimal stürmte Feldmarschall
Horn gegen die Mauern der Stadt, bis ihn die furchtbare Gegenwehr der
Bewohner zum Abzug zwang. Dann erst kamen stillere Zeiten. Handel und
Gewerbe begannen langsam wieder empor zu blühen und die Natur trug un-
verkümmert ihre goldenen Schätze, aber ein Wandel war doch für allezeit und
unabänderlich vollzogen. — Aus der mächtigen freien Reichsstadt war eine
stille schlichte Provinzstadt geworden, und nur eines gemahnte noch an die
große Vergangenheit, ein Zug zur Freiheit, die die Stadt auf jede Weise be¬
thätigte und den sie vor allem jetzt auf kirchlichem Gebiete bekundet. Auch
manche edle Hand kam ihrem Streben fördernd zu Hülfe, wer dächte hier
nicht mit Dank an Kaiser Joseph II. und an den großen Wessenberg? Und
so scheiden wir doch mit einem wohlthuenden Gefühle.

Was uns jetzt noch zu betrachten erübrigt, das sind die beiden großen
Inseln, die ebenso wie Lindau schon in frühester Zeit als Auen bezeichnet
wurden, die eine nach ihrem Reichthum, die andere nach holder Maienluft:
Mairan und Reichenau.

Lange Zeit gehörten die beiden zusammen, Mairan war nur ein Neben¬
gut der großen Abtei im Untersee, bis die Aebte es als Lehen vergabten; erst
aus zweiter Hand kam es dann an den deutschen Orden, der die herrliche
Commende bis 1806 besaß. Mit mächtigen Flügeln stand das breite fürstliche
Ordenshaus auf dem hohen Plateau der Insel, eine Mischung von Burg
und Kloster; in den Gängen und den prächtigen Sälen hingen die Wappen¬
schilder der hohen Comthure und in der Ordenskapelle des Hauses klang die
geweihte Glocke. Weithin über den See scholl ihr friedvoller Klang, drüben


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[0309] aus den Tagen jener großen Versammlung übrig blieben, gingen so tief, daß die Bürger der Reformation mit offenen Armen entgegeneilten und der Bischof bereits voll Grimm die Stadt verließ. Immer entschiedener trat die luthe¬ rische Gesinnung zu Tage und da die Stadt sogar das Interim zurückwies, das ihr Karl V. auferlegt, so kam es zum offenen Kampfe. Es war eine jener Fehden, in denen das Selbstgefühl der Bürgerschaft mit verzweifeltem Muthe der fürstlichen Uebermacht entgegentrat; auf der Rheinbrücke stießen die Soldaten der Stadt mit dem spanischen Fußvolk zusammen, das der Kaiser wider sie gesandt, und nach mörderischen Gemetzel behielten sie wirklich die Oberhand. Freilich war es ein Pyrrhussieg, der hier gewonnen wurde, denn der Kaiser lohnte den Heldenmuth seiner Feinde mit der Acht und nahm die stadt, die bisher freie Reichsstadt gewesen, ins Eigenthum der österreichischen Lande. Alle Protestanten mußten sich flüchten, ihre Güter wurden eingezogen — der Glaube war gerettet. Noch einmal hatte Constanz schwer unter der Noth des Krieges zu lei¬ den, als die Schweden vor seinen Thoren lagen; dreimal stürmte Feldmarschall Horn gegen die Mauern der Stadt, bis ihn die furchtbare Gegenwehr der Bewohner zum Abzug zwang. Dann erst kamen stillere Zeiten. Handel und Gewerbe begannen langsam wieder empor zu blühen und die Natur trug un- verkümmert ihre goldenen Schätze, aber ein Wandel war doch für allezeit und unabänderlich vollzogen. — Aus der mächtigen freien Reichsstadt war eine stille schlichte Provinzstadt geworden, und nur eines gemahnte noch an die große Vergangenheit, ein Zug zur Freiheit, die die Stadt auf jede Weise be¬ thätigte und den sie vor allem jetzt auf kirchlichem Gebiete bekundet. Auch manche edle Hand kam ihrem Streben fördernd zu Hülfe, wer dächte hier nicht mit Dank an Kaiser Joseph II. und an den großen Wessenberg? Und so scheiden wir doch mit einem wohlthuenden Gefühle. Was uns jetzt noch zu betrachten erübrigt, das sind die beiden großen Inseln, die ebenso wie Lindau schon in frühester Zeit als Auen bezeichnet wurden, die eine nach ihrem Reichthum, die andere nach holder Maienluft: Mairan und Reichenau. Lange Zeit gehörten die beiden zusammen, Mairan war nur ein Neben¬ gut der großen Abtei im Untersee, bis die Aebte es als Lehen vergabten; erst aus zweiter Hand kam es dann an den deutschen Orden, der die herrliche Commende bis 1806 besaß. Mit mächtigen Flügeln stand das breite fürstliche Ordenshaus auf dem hohen Plateau der Insel, eine Mischung von Burg und Kloster; in den Gängen und den prächtigen Sälen hingen die Wappen¬ schilder der hohen Comthure und in der Ordenskapelle des Hauses klang die geweihte Glocke. Weithin über den See scholl ihr friedvoller Klang, drüben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/309>, abgerufen am 23.07.2024.