Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.verschuldet, daß die Bürger ihn nicht reisen ließen, ehe er ihnen sein ganzes Das war der Verlauf und das Ende des großen "heiligen" Concils zu Kehren wir nun aus der Geschichte in die Gegenwart zurück, so findet Unter den Kirchen von Constanz ragt historisch und architektonisch der Die Bevölkerung der Stadt ist jetzt überwiegend katholisch, aber nur das verschuldet, daß die Bürger ihn nicht reisen ließen, ehe er ihnen sein ganzes Das war der Verlauf und das Ende des großen „heiligen" Concils zu Kehren wir nun aus der Geschichte in die Gegenwart zurück, so findet Unter den Kirchen von Constanz ragt historisch und architektonisch der Die Bevölkerung der Stadt ist jetzt überwiegend katholisch, aber nur das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133068"/> <p xml:id="ID_1077" prev="#ID_1076"> verschuldet, daß die Bürger ihn nicht reisen ließen, ehe er ihnen sein ganzes<lb/> Gepäck als Pfand zurückließ, Jahrhunderte lang blieb dasselbe im Gewahr¬<lb/> sam der Stadt, doch als man die Kisten endlich erbrach, weil jede Hoffnung<lb/> auf deren Einlösung schwand, da fand man statt der silbernen Tafelgercithe<lb/> — kalte Steine.</p><lb/> <p xml:id="ID_1078"> Das war der Verlauf und das Ende des großen „heiligen" Concils zu<lb/> Constanz, ein Kaiser und ein Papst, die Verräther an ihrem eigenen Worte<lb/> wurden, eine Ueberfluthung der Stadt mit fahrenden Dirnen und uneinbring¬<lb/> lichen Schulden und zu dem allen der Scheiterhaufen des Johannes Huß.<lb/> Fürwahr, ein Brandgeruch zieht noch heute durch diese großen Erinne¬<lb/> rungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1079"> Kehren wir nun aus der Geschichte in die Gegenwart zurück, so findet<lb/> man auch in der jetzigen Erscheinung der Stadt noch mancherlei, was an jene<lb/> Zeiten gemahnt. Vor allem ist das Kaufhaus bemerkenswerth, in welchem<lb/> damals das Conclave gehalten wurde; ein kolossaler Bau, der dicht am Was¬<lb/> ser steht, der untere Theil gemauert, der obere von bräunlichem verwittertem<lb/> Holze, daß es fast den Eindruck einer riesigen Scheune macht. An den vier<lb/> Ecken des Daches aber zeigt sich ein kleiner erkerartiger Vorsprung, der dem<lb/> an und für sich etwas schwerfälligen Bau ein originelles Ansehen giebt. Hier<lb/> im ersten Stockwerk ist der sog. „Conciliumssaal" ein ungeheurer aber ziemlich<lb/> niedriger Raum, dessen Decke von Säulen getragen wird, und der jetzt ganz<lb/> mit Hellem Holze vertäfelt ist. Die Fresken, welche die Wände schmücken,<lb/> stellen die wichtigsten Momente aus der Geschichte von Constanz dar; sie sind<lb/> zum Theile noch im Werden begriffen und auf den hohen Gerüsten, die zur<lb/> Rechten und Linken erbaut sind, steht emsig pinselnd der Maler. Wie bekannt,<lb/> sind beide Künstler, die mit der Ausführung derselben betraut wurden, aus<lb/> München; der eine von ihnen ist PH. Schwörer, welchem die alte Jsarstadt<lb/> gar manches treffliche Wandgemälde verdankt, der andere Friedr. Pecht, der<lb/> berühmte Kritikus, der aus einer Constanzer Familie stammt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1080"> Unter den Kirchen von Constanz ragt historisch und architektonisch der<lb/> Dom hervor, der in der Mitte des elften Jahrhunderts begonnen ward.<lb/> Freilich kam mancherlei Zuthat im Laufe der Zeit um den romanischen Styl,<lb/> in welchem die Kirche anfangs gedacht war zu gothisiren, auch ein furchtba¬<lb/> rer Brand, bei dem die sämmtlichen Glocken schmolzen, griff verwüstend ein,<lb/> allein trotz alledem ist das Münster noch immer die stattlichste Kirche am gan¬<lb/> zen See. Durch den Bischofssitz,- der seit 653 in Constanz bestand, war sie<lb/> reich geworden und durch eine Reihe bedeutender Männer, die hier gewirkt,<lb/> fügte sie zum Reichthum auch noch den Ruhm.</p><lb/> <p xml:id="ID_1081" next="#ID_1082"> Die Bevölkerung der Stadt ist jetzt überwiegend katholisch, aber nur das<lb/> Schwert hat sie dem alten Glauben zurückgeführt. Denn die Eindrücke, welche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
verschuldet, daß die Bürger ihn nicht reisen ließen, ehe er ihnen sein ganzes
Gepäck als Pfand zurückließ, Jahrhunderte lang blieb dasselbe im Gewahr¬
sam der Stadt, doch als man die Kisten endlich erbrach, weil jede Hoffnung
auf deren Einlösung schwand, da fand man statt der silbernen Tafelgercithe
— kalte Steine.
Das war der Verlauf und das Ende des großen „heiligen" Concils zu
Constanz, ein Kaiser und ein Papst, die Verräther an ihrem eigenen Worte
wurden, eine Ueberfluthung der Stadt mit fahrenden Dirnen und uneinbring¬
lichen Schulden und zu dem allen der Scheiterhaufen des Johannes Huß.
Fürwahr, ein Brandgeruch zieht noch heute durch diese großen Erinne¬
rungen.
Kehren wir nun aus der Geschichte in die Gegenwart zurück, so findet
man auch in der jetzigen Erscheinung der Stadt noch mancherlei, was an jene
Zeiten gemahnt. Vor allem ist das Kaufhaus bemerkenswerth, in welchem
damals das Conclave gehalten wurde; ein kolossaler Bau, der dicht am Was¬
ser steht, der untere Theil gemauert, der obere von bräunlichem verwittertem
Holze, daß es fast den Eindruck einer riesigen Scheune macht. An den vier
Ecken des Daches aber zeigt sich ein kleiner erkerartiger Vorsprung, der dem
an und für sich etwas schwerfälligen Bau ein originelles Ansehen giebt. Hier
im ersten Stockwerk ist der sog. „Conciliumssaal" ein ungeheurer aber ziemlich
niedriger Raum, dessen Decke von Säulen getragen wird, und der jetzt ganz
mit Hellem Holze vertäfelt ist. Die Fresken, welche die Wände schmücken,
stellen die wichtigsten Momente aus der Geschichte von Constanz dar; sie sind
zum Theile noch im Werden begriffen und auf den hohen Gerüsten, die zur
Rechten und Linken erbaut sind, steht emsig pinselnd der Maler. Wie bekannt,
sind beide Künstler, die mit der Ausführung derselben betraut wurden, aus
München; der eine von ihnen ist PH. Schwörer, welchem die alte Jsarstadt
gar manches treffliche Wandgemälde verdankt, der andere Friedr. Pecht, der
berühmte Kritikus, der aus einer Constanzer Familie stammt.
Unter den Kirchen von Constanz ragt historisch und architektonisch der
Dom hervor, der in der Mitte des elften Jahrhunderts begonnen ward.
Freilich kam mancherlei Zuthat im Laufe der Zeit um den romanischen Styl,
in welchem die Kirche anfangs gedacht war zu gothisiren, auch ein furchtba¬
rer Brand, bei dem die sämmtlichen Glocken schmolzen, griff verwüstend ein,
allein trotz alledem ist das Münster noch immer die stattlichste Kirche am gan¬
zen See. Durch den Bischofssitz,- der seit 653 in Constanz bestand, war sie
reich geworden und durch eine Reihe bedeutender Männer, die hier gewirkt,
fügte sie zum Reichthum auch noch den Ruhm.
Die Bevölkerung der Stadt ist jetzt überwiegend katholisch, aber nur das
Schwert hat sie dem alten Glauben zurückgeführt. Denn die Eindrücke, welche
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |