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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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"Das glänzt wie Meersburg" sagten noch vor hundert Jahren die
Leute, so hell und stolz blickten die Fenster dieser Burg, der wir nun nahen,
herunter auf den See. Ihr zu Füßen liegt das kleine Städtlein gleichen
Namens, das seine Gründung bis auf König Dagobert zurückführt. Hier
war es, wo einst die Kirchenfürsten von Constanz den goldenen Sommer
verträumten, wenn Friede im Land war und sich mit ihren Reichthümern
verschanzten, wenn es Fehde gab. Schon an sich und durch seine steile Lage
und seine alterthümliche Färbung erscheint uns Meersburg als ein festes wehr¬
haftes Städtlein, aber das meiste zu diesem Eindruck thun natürlich die beiden
Schlösser, die das Häuserwerk überragen. Zwischen ihnen zieht sich eine klaf¬
fende Schlucht hin, die Bischof Nicolaus durch Hunderte von Bergleuten
sprengen ließ, um seine Burg noch fester zu machen. Ueberall auf den Höhen
wächst herrlicher Wein und in der Ferne blicken die verschneiten Gipfel herüber
vom Berner Oberland. Welsen und Stauffen waren Herren der Burg, der
Bauer und der Schwede pochte an ihr Thor und drohte sie der Erde gleich¬
zumachen, wie das eine Botschaft zeigt, die noch heute in Meersburg verwahrt
wird. Es ist ein vergilbter Zettel an allen vier Ecken angebrannt und auf
den schrieb der Oberst vom Horn'schen Regiment, daß es der Stadt nicht
besser ergehen solle, daß auch sie an allen vier Ecken angezündet werde, so
sie sich nicht ergeben wolle. Aber Meersburg ergab sich nicht.

Zu Beginn unseres Jahrhunderts sah es auch hier gar öd und traurig
aus; werthlos und ungeehrt standen die Mauern der alten Burg. Das
Bisthum war ausgehoben und seine Güter säcularisirt und das Städtlein selbst
war in badische Hand gekommen. Es war eine Zeit, die zwar mit Recht, aber
doch auch mit Härte gar manches Bestehende zerbrach. Schier stand dem alten
Schloß der Abbruch nahe, hätte nicht zur rechten Zeit einer der edelsten deutschen
Männer es zu seiner Heimstätte erkoren. Freiherr von Cassberg, dessen
Denkmal jetzt den kleinen Friedhof schmückt, ward der Gebieter dieser Räume;
in den Sälen, wo einst die Bibliothek der Bischöfe stand, breitete er seine
geistigen Schätze aus, Handschriften aus aller Zeit, und im Erker, wo sein
großer Lehnstuhl stand, saß er selber und sonnte sich im Glanz der deutschen
Sonne.

Schon die Geschichte von Meersburg weist uns nahe genug nach Constanz
hin, aber auch der Weg ist nicht mehr weit, der uns in das Bereich der alten
stolzen Bischofsstadt hinüber trägt. Constanz bildet gewissermaßen den Schlußstein
des Obersees, dort theilt sich das ungeheure Becken in zwei schlankere Arme,
von denen der eine nach der Stadt Ueberlingen genannt ist, während der


Schon zur Zeit der Karolinger war Buchhorn eine Thingstätte, wo man
öffentliche Verhandlungen pflog, die Herren aber, die dort saßen, hießen
Grafen von Sinzgau.

„Das glänzt wie Meersburg" sagten noch vor hundert Jahren die
Leute, so hell und stolz blickten die Fenster dieser Burg, der wir nun nahen,
herunter auf den See. Ihr zu Füßen liegt das kleine Städtlein gleichen
Namens, das seine Gründung bis auf König Dagobert zurückführt. Hier
war es, wo einst die Kirchenfürsten von Constanz den goldenen Sommer
verträumten, wenn Friede im Land war und sich mit ihren Reichthümern
verschanzten, wenn es Fehde gab. Schon an sich und durch seine steile Lage
und seine alterthümliche Färbung erscheint uns Meersburg als ein festes wehr¬
haftes Städtlein, aber das meiste zu diesem Eindruck thun natürlich die beiden
Schlösser, die das Häuserwerk überragen. Zwischen ihnen zieht sich eine klaf¬
fende Schlucht hin, die Bischof Nicolaus durch Hunderte von Bergleuten
sprengen ließ, um seine Burg noch fester zu machen. Ueberall auf den Höhen
wächst herrlicher Wein und in der Ferne blicken die verschneiten Gipfel herüber
vom Berner Oberland. Welsen und Stauffen waren Herren der Burg, der
Bauer und der Schwede pochte an ihr Thor und drohte sie der Erde gleich¬
zumachen, wie das eine Botschaft zeigt, die noch heute in Meersburg verwahrt
wird. Es ist ein vergilbter Zettel an allen vier Ecken angebrannt und auf
den schrieb der Oberst vom Horn'schen Regiment, daß es der Stadt nicht
besser ergehen solle, daß auch sie an allen vier Ecken angezündet werde, so
sie sich nicht ergeben wolle. Aber Meersburg ergab sich nicht.

Zu Beginn unseres Jahrhunderts sah es auch hier gar öd und traurig
aus; werthlos und ungeehrt standen die Mauern der alten Burg. Das
Bisthum war ausgehoben und seine Güter säcularisirt und das Städtlein selbst
war in badische Hand gekommen. Es war eine Zeit, die zwar mit Recht, aber
doch auch mit Härte gar manches Bestehende zerbrach. Schier stand dem alten
Schloß der Abbruch nahe, hätte nicht zur rechten Zeit einer der edelsten deutschen
Männer es zu seiner Heimstätte erkoren. Freiherr von Cassberg, dessen
Denkmal jetzt den kleinen Friedhof schmückt, ward der Gebieter dieser Räume;
in den Sälen, wo einst die Bibliothek der Bischöfe stand, breitete er seine
geistigen Schätze aus, Handschriften aus aller Zeit, und im Erker, wo sein
großer Lehnstuhl stand, saß er selber und sonnte sich im Glanz der deutschen
Sonne.

Schon die Geschichte von Meersburg weist uns nahe genug nach Constanz
hin, aber auch der Weg ist nicht mehr weit, der uns in das Bereich der alten
stolzen Bischofsstadt hinüber trägt. Constanz bildet gewissermaßen den Schlußstein
des Obersees, dort theilt sich das ungeheure Becken in zwei schlankere Arme,
von denen der eine nach der Stadt Ueberlingen genannt ist, während der


Schon zur Zeit der Karolinger war Buchhorn eine Thingstätte, wo man
öffentliche Verhandlungen pflog, die Herren aber, die dort saßen, hießen
Grafen von Sinzgau.
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[0304] „Das glänzt wie Meersburg" sagten noch vor hundert Jahren die Leute, so hell und stolz blickten die Fenster dieser Burg, der wir nun nahen, herunter auf den See. Ihr zu Füßen liegt das kleine Städtlein gleichen Namens, das seine Gründung bis auf König Dagobert zurückführt. Hier war es, wo einst die Kirchenfürsten von Constanz den goldenen Sommer verträumten, wenn Friede im Land war und sich mit ihren Reichthümern verschanzten, wenn es Fehde gab. Schon an sich und durch seine steile Lage und seine alterthümliche Färbung erscheint uns Meersburg als ein festes wehr¬ haftes Städtlein, aber das meiste zu diesem Eindruck thun natürlich die beiden Schlösser, die das Häuserwerk überragen. Zwischen ihnen zieht sich eine klaf¬ fende Schlucht hin, die Bischof Nicolaus durch Hunderte von Bergleuten sprengen ließ, um seine Burg noch fester zu machen. Ueberall auf den Höhen wächst herrlicher Wein und in der Ferne blicken die verschneiten Gipfel herüber vom Berner Oberland. Welsen und Stauffen waren Herren der Burg, der Bauer und der Schwede pochte an ihr Thor und drohte sie der Erde gleich¬ zumachen, wie das eine Botschaft zeigt, die noch heute in Meersburg verwahrt wird. Es ist ein vergilbter Zettel an allen vier Ecken angebrannt und auf den schrieb der Oberst vom Horn'schen Regiment, daß es der Stadt nicht besser ergehen solle, daß auch sie an allen vier Ecken angezündet werde, so sie sich nicht ergeben wolle. Aber Meersburg ergab sich nicht. Zu Beginn unseres Jahrhunderts sah es auch hier gar öd und traurig aus; werthlos und ungeehrt standen die Mauern der alten Burg. Das Bisthum war ausgehoben und seine Güter säcularisirt und das Städtlein selbst war in badische Hand gekommen. Es war eine Zeit, die zwar mit Recht, aber doch auch mit Härte gar manches Bestehende zerbrach. Schier stand dem alten Schloß der Abbruch nahe, hätte nicht zur rechten Zeit einer der edelsten deutschen Männer es zu seiner Heimstätte erkoren. Freiherr von Cassberg, dessen Denkmal jetzt den kleinen Friedhof schmückt, ward der Gebieter dieser Räume; in den Sälen, wo einst die Bibliothek der Bischöfe stand, breitete er seine geistigen Schätze aus, Handschriften aus aller Zeit, und im Erker, wo sein großer Lehnstuhl stand, saß er selber und sonnte sich im Glanz der deutschen Sonne. Schon die Geschichte von Meersburg weist uns nahe genug nach Constanz hin, aber auch der Weg ist nicht mehr weit, der uns in das Bereich der alten stolzen Bischofsstadt hinüber trägt. Constanz bildet gewissermaßen den Schlußstein des Obersees, dort theilt sich das ungeheure Becken in zwei schlankere Arme, von denen der eine nach der Stadt Ueberlingen genannt ist, während der Schon zur Zeit der Karolinger war Buchhorn eine Thingstätte, wo man öffentliche Verhandlungen pflog, die Herren aber, die dort saßen, hießen Grafen von Sinzgau.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/304>, abgerufen am 23.07.2024.