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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Das Dörflein und die Kirche, die wir drüben glänzen sehen, Arbon fast
gegenüber, heißt Wasserberg, sie ist weit vorgeschoben aus Ufer und noch
weiter das Pfarrhaus, an dessen oberstes Stockwerk die Wellen schlagen, wenn
der See im Zorne stürmisch ist. Doch um so herrlicher hat es der geistliche
Herr an sonnigen Tagen. da wölben grüne hochgewachsene Bäume ihr schat¬
tiges Dach über seinen Garten; daneben an der Lände tummelt sich fröhliches
Volk in reger Geschäftigkeit, er aber wandelt beschaulich aus und nieder und
fühlt sich auf seinem Grunde so sicher und stolz, wie es nur je seine Nachbarn
gethan, die Grafen von Montfort.

Auch das ist ein Name von altem ehernem Klang; denn ihnen war viele
Jahrhunderte das trotzige Schloß zu eigen, das bei Langenargen steil in den
See ragt, anfangs auf einer Insel, die später durch Dämme mit dem Festland
verbunden ward. Kein Geschlecht war mächtiger im Gebiete des Rheinthals
und des Bodensees und keine Burg war stattlicher als die ihre; selbst in den
Ruinen trotzte noch die alte Majestät.

Das Alles freilich ist jetzt verschwunden, um einem neuen künstlichen
Baue Raum zu geben, den sich die Herrscher von Schwabenland errichtet;
viele Tausende hat das neue Montfort verschlungen, aber die alten fluthum-
spülten Mauern wollen die Last der Gegenwart nicht tragen, die man ihnen
aufgedrungen und immer wieder hört man davon erzählen, daß hier und dort
die Pfeiler wanken.

Der eigentliche Sommersitz des schwäbischen Hofes aber ist das nur
Wenige Stunden entlegene Friedrichshafen, mit stattlichem Landungsplatz, den
der Leuchtthurm überragt und breitem Quai, auf dem sich das schwäbische
Leben rührig und redselig tummelt. Soeben wird ein Bahnzug auf das riesige
Trajektschiff geladen, das nach Romanshorn hinüberfährt, der Dampfer
"Maximilian" liegt mit rauchendem Schlot vor uns und übernimmt die Passa¬
giere, die mit dem Schiff nach Constanz kommen. Welches Gewühl von
Menschen und Waaren: die Lokomotive des Zuges pfeift, die Glocke des
Schiffes schallt, halt -- da will auch noch ein "Herrle" mit; halt -- eh' ihr
die Brücke wegzieht.

Nun ist er athemlos, aber glücklich an Bord, das Schiff stößt ab und
in wenigen Minuten trägt uns wieder der offene blaue Spiegel. Jetzt erst
Zeigt sich das Schloß in seiner vollen prächtigen Lage; mit langen Fenster¬
reihen und breiten Terrassen, hohe Linden beschatten den Eingang und in
duftigen Blumenbeeten breitet sich weithin der Garten aus, indeß der Wind
mit der Flagge spielt, die droben vom Giebel weht. Nicht immer trug die
reizende Stadt den Namen , der ihr heute zu eigen ist. ein Friedrichshafen
giebt es erst in unserm Jahrhundert, nachdem das alte Kloster Hosen aufge¬
löst und mit der Reichsstadt Buchhorn zu einem Ganzen vereinigt ward.


Das Dörflein und die Kirche, die wir drüben glänzen sehen, Arbon fast
gegenüber, heißt Wasserberg, sie ist weit vorgeschoben aus Ufer und noch
weiter das Pfarrhaus, an dessen oberstes Stockwerk die Wellen schlagen, wenn
der See im Zorne stürmisch ist. Doch um so herrlicher hat es der geistliche
Herr an sonnigen Tagen. da wölben grüne hochgewachsene Bäume ihr schat¬
tiges Dach über seinen Garten; daneben an der Lände tummelt sich fröhliches
Volk in reger Geschäftigkeit, er aber wandelt beschaulich aus und nieder und
fühlt sich auf seinem Grunde so sicher und stolz, wie es nur je seine Nachbarn
gethan, die Grafen von Montfort.

Auch das ist ein Name von altem ehernem Klang; denn ihnen war viele
Jahrhunderte das trotzige Schloß zu eigen, das bei Langenargen steil in den
See ragt, anfangs auf einer Insel, die später durch Dämme mit dem Festland
verbunden ward. Kein Geschlecht war mächtiger im Gebiete des Rheinthals
und des Bodensees und keine Burg war stattlicher als die ihre; selbst in den
Ruinen trotzte noch die alte Majestät.

Das Alles freilich ist jetzt verschwunden, um einem neuen künstlichen
Baue Raum zu geben, den sich die Herrscher von Schwabenland errichtet;
viele Tausende hat das neue Montfort verschlungen, aber die alten fluthum-
spülten Mauern wollen die Last der Gegenwart nicht tragen, die man ihnen
aufgedrungen und immer wieder hört man davon erzählen, daß hier und dort
die Pfeiler wanken.

Der eigentliche Sommersitz des schwäbischen Hofes aber ist das nur
Wenige Stunden entlegene Friedrichshafen, mit stattlichem Landungsplatz, den
der Leuchtthurm überragt und breitem Quai, auf dem sich das schwäbische
Leben rührig und redselig tummelt. Soeben wird ein Bahnzug auf das riesige
Trajektschiff geladen, das nach Romanshorn hinüberfährt, der Dampfer
„Maximilian" liegt mit rauchendem Schlot vor uns und übernimmt die Passa¬
giere, die mit dem Schiff nach Constanz kommen. Welches Gewühl von
Menschen und Waaren: die Lokomotive des Zuges pfeift, die Glocke des
Schiffes schallt, halt — da will auch noch ein „Herrle" mit; halt — eh' ihr
die Brücke wegzieht.

Nun ist er athemlos, aber glücklich an Bord, das Schiff stößt ab und
in wenigen Minuten trägt uns wieder der offene blaue Spiegel. Jetzt erst
Zeigt sich das Schloß in seiner vollen prächtigen Lage; mit langen Fenster¬
reihen und breiten Terrassen, hohe Linden beschatten den Eingang und in
duftigen Blumenbeeten breitet sich weithin der Garten aus, indeß der Wind
mit der Flagge spielt, die droben vom Giebel weht. Nicht immer trug die
reizende Stadt den Namen , der ihr heute zu eigen ist. ein Friedrichshafen
giebt es erst in unserm Jahrhundert, nachdem das alte Kloster Hosen aufge¬
löst und mit der Reichsstadt Buchhorn zu einem Ganzen vereinigt ward.


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[0303] Das Dörflein und die Kirche, die wir drüben glänzen sehen, Arbon fast gegenüber, heißt Wasserberg, sie ist weit vorgeschoben aus Ufer und noch weiter das Pfarrhaus, an dessen oberstes Stockwerk die Wellen schlagen, wenn der See im Zorne stürmisch ist. Doch um so herrlicher hat es der geistliche Herr an sonnigen Tagen. da wölben grüne hochgewachsene Bäume ihr schat¬ tiges Dach über seinen Garten; daneben an der Lände tummelt sich fröhliches Volk in reger Geschäftigkeit, er aber wandelt beschaulich aus und nieder und fühlt sich auf seinem Grunde so sicher und stolz, wie es nur je seine Nachbarn gethan, die Grafen von Montfort. Auch das ist ein Name von altem ehernem Klang; denn ihnen war viele Jahrhunderte das trotzige Schloß zu eigen, das bei Langenargen steil in den See ragt, anfangs auf einer Insel, die später durch Dämme mit dem Festland verbunden ward. Kein Geschlecht war mächtiger im Gebiete des Rheinthals und des Bodensees und keine Burg war stattlicher als die ihre; selbst in den Ruinen trotzte noch die alte Majestät. Das Alles freilich ist jetzt verschwunden, um einem neuen künstlichen Baue Raum zu geben, den sich die Herrscher von Schwabenland errichtet; viele Tausende hat das neue Montfort verschlungen, aber die alten fluthum- spülten Mauern wollen die Last der Gegenwart nicht tragen, die man ihnen aufgedrungen und immer wieder hört man davon erzählen, daß hier und dort die Pfeiler wanken. Der eigentliche Sommersitz des schwäbischen Hofes aber ist das nur Wenige Stunden entlegene Friedrichshafen, mit stattlichem Landungsplatz, den der Leuchtthurm überragt und breitem Quai, auf dem sich das schwäbische Leben rührig und redselig tummelt. Soeben wird ein Bahnzug auf das riesige Trajektschiff geladen, das nach Romanshorn hinüberfährt, der Dampfer „Maximilian" liegt mit rauchendem Schlot vor uns und übernimmt die Passa¬ giere, die mit dem Schiff nach Constanz kommen. Welches Gewühl von Menschen und Waaren: die Lokomotive des Zuges pfeift, die Glocke des Schiffes schallt, halt — da will auch noch ein „Herrle" mit; halt — eh' ihr die Brücke wegzieht. Nun ist er athemlos, aber glücklich an Bord, das Schiff stößt ab und in wenigen Minuten trägt uns wieder der offene blaue Spiegel. Jetzt erst Zeigt sich das Schloß in seiner vollen prächtigen Lage; mit langen Fenster¬ reihen und breiten Terrassen, hohe Linden beschatten den Eingang und in duftigen Blumenbeeten breitet sich weithin der Garten aus, indeß der Wind mit der Flagge spielt, die droben vom Giebel weht. Nicht immer trug die reizende Stadt den Namen , der ihr heute zu eigen ist. ein Friedrichshafen giebt es erst in unserm Jahrhundert, nachdem das alte Kloster Hosen aufge¬ löst und mit der Reichsstadt Buchhorn zu einem Ganzen vereinigt ward.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/303>, abgerufen am 25.08.2024.