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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Genuß der materiellen Güter ihres idealen Gehaltes beraubt, damit ist der
gröbste Materialismus zum Gesetze des Lebens, der Mensch zum Thiere gemacht.

Aber weiter ist ja nun dieser Standpunkt auch theoretisch durch Leugnung
der letzten geistigen Gründe für alles Sein und alles Leben und Streben zum
angeblichen Resultat der Wissenschaft gestempelt, und so sieht nun dieser
Standpunkt mit Verachtung und Spott nicht nur auf das Christenthum, son¬
dern auf die Grundlagen aller Religion herab. Dahin gehört aber nicht
allein die grobe Verirrung der Naturforscher, die mit Aufhebung aller
Wissenschaft, weil gegen alles logische gesunde Denken, den Geist leugnen, mit
dem sie arbeiten, wie Vogt, Büchner u. A., sondern auch die Entwicklung
oder vielmehr Verirrung der Philosophie seit Kant, welche, so bewunderns¬
würdig auch ihr abstraktes Denken gewesen ist, doch in voller Einseitigkeit nur
Eine Seite des menschlichen Geistes, eben das abstrakte Denken, zur Geltung
gebracht haben, leere Abstraktionen an die Stelle von Realitäten setzend, bis zur
Vernichtung des persönlichen Gottes und seines Ebenbildes, der menschlichen
Persönlichkeit, zugleich. Wir meinen damit die Systeme von Fichte, Sehet -
ling und Hegel*), sammt ihren Epigonen, namentlich S es open h an er und
Hart manu, wenn wir uns auch hier versagen müssen, diese neuen und neu¬
esten Verirrungen alles gesunden Denkens, wie auch die großartigen Verirrun-
gen des Darwinismus ausführlich zu behandeln. Nur über den begeistertsten
Jünger Darwin's, Häckel, können wir die Bemerkung nicht unterlassen, daß
wir auch ihm, soweit er über die descriptive Betrachtung der Erscheinungs¬
welt hinaus sich auf Schlüsse über das übersinnliche Sein, namentlich die Wür¬
digung des Teleologischen in der Schöpfung, einläßt, alles gesunde Den¬
ken absprechen müssen.

Dazu kommen aber endlich auch noch die Kämpfe und Verirrungen derer,
die sich für die Hüter des Heiligthums des Christenthums ausgeben, wenigstens
diese sein sollten, und die Pflicht haben, die christliche Wahrheit für Glauben
und Leben rein darzustellen und geltend zu machen.

Nur Mangel an Bildung des-ganzen Menschen, nach den ihm gegebenen
Anlagen und Kräften, die Wahrheit zu erkennen, Gott und seine Ordnung zu



in Deutschland und Karl Braun's Abhandlung über die falschen Uebersejzungen u s w aus
...
D> Red. Adam Smith, in Faucher's ViertcljahrsschM 1874.
"
) Man vergleiche, was Verfasser dieses über die Entwickelung der Philosophie überhaupt und
diese philosophischen Systeme insbesondere ausführlicher ausgesprochen hat in seiner Schrift:
Ordnung und Uebersicht der Materien der christlichen Kirchengeschichte, S. 220 ff. u. in der Schrift-
Die wichtigsten Fragen der Gegenwart in Staat und Kirche ze, 1874, da namentlich über den
Darwinismus mit Rücksicht auf die ausgezeichnete Widerlegung desselben durch Wigand. Der
Darwinismus ist ja nichts als eine verunglückte philosophische Spekulation, und zwar die Re-
production der Schelling'schen Einheitsphilosophie, keine Naturforschung, sondern umgekehrt
nur bedeutend als Symptom des wiedererwachenden Bewußtseins, daß auch die Naturforschung
der Philosophie, als des allgemeinen und gemeinsamen Bandes und Erklärungsgrundes aller
Wissenschaften, nicht entbehren kann.

Genuß der materiellen Güter ihres idealen Gehaltes beraubt, damit ist der
gröbste Materialismus zum Gesetze des Lebens, der Mensch zum Thiere gemacht.

Aber weiter ist ja nun dieser Standpunkt auch theoretisch durch Leugnung
der letzten geistigen Gründe für alles Sein und alles Leben und Streben zum
angeblichen Resultat der Wissenschaft gestempelt, und so sieht nun dieser
Standpunkt mit Verachtung und Spott nicht nur auf das Christenthum, son¬
dern auf die Grundlagen aller Religion herab. Dahin gehört aber nicht
allein die grobe Verirrung der Naturforscher, die mit Aufhebung aller
Wissenschaft, weil gegen alles logische gesunde Denken, den Geist leugnen, mit
dem sie arbeiten, wie Vogt, Büchner u. A., sondern auch die Entwicklung
oder vielmehr Verirrung der Philosophie seit Kant, welche, so bewunderns¬
würdig auch ihr abstraktes Denken gewesen ist, doch in voller Einseitigkeit nur
Eine Seite des menschlichen Geistes, eben das abstrakte Denken, zur Geltung
gebracht haben, leere Abstraktionen an die Stelle von Realitäten setzend, bis zur
Vernichtung des persönlichen Gottes und seines Ebenbildes, der menschlichen
Persönlichkeit, zugleich. Wir meinen damit die Systeme von Fichte, Sehet -
ling und Hegel*), sammt ihren Epigonen, namentlich S es open h an er und
Hart manu, wenn wir uns auch hier versagen müssen, diese neuen und neu¬
esten Verirrungen alles gesunden Denkens, wie auch die großartigen Verirrun-
gen des Darwinismus ausführlich zu behandeln. Nur über den begeistertsten
Jünger Darwin's, Häckel, können wir die Bemerkung nicht unterlassen, daß
wir auch ihm, soweit er über die descriptive Betrachtung der Erscheinungs¬
welt hinaus sich auf Schlüsse über das übersinnliche Sein, namentlich die Wür¬
digung des Teleologischen in der Schöpfung, einläßt, alles gesunde Den¬
ken absprechen müssen.

Dazu kommen aber endlich auch noch die Kämpfe und Verirrungen derer,
die sich für die Hüter des Heiligthums des Christenthums ausgeben, wenigstens
diese sein sollten, und die Pflicht haben, die christliche Wahrheit für Glauben
und Leben rein darzustellen und geltend zu machen.

Nur Mangel an Bildung des-ganzen Menschen, nach den ihm gegebenen
Anlagen und Kräften, die Wahrheit zu erkennen, Gott und seine Ordnung zu



in Deutschland und Karl Braun's Abhandlung über die falschen Uebersejzungen u s w aus
...
D> Red. Adam Smith, in Faucher's ViertcljahrsschM 1874.
"
) Man vergleiche, was Verfasser dieses über die Entwickelung der Philosophie überhaupt und
diese philosophischen Systeme insbesondere ausführlicher ausgesprochen hat in seiner Schrift:
Ordnung und Uebersicht der Materien der christlichen Kirchengeschichte, S. 220 ff. u. in der Schrift-
Die wichtigsten Fragen der Gegenwart in Staat und Kirche ze, 1874, da namentlich über den
Darwinismus mit Rücksicht auf die ausgezeichnete Widerlegung desselben durch Wigand. Der
Darwinismus ist ja nichts als eine verunglückte philosophische Spekulation, und zwar die Re-
production der Schelling'schen Einheitsphilosophie, keine Naturforschung, sondern umgekehrt
nur bedeutend als Symptom des wiedererwachenden Bewußtseins, daß auch die Naturforschung
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Wissenschaften, nicht entbehren kann.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/292>, abgerufen am 23.07.2024.