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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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d>e allerdings auch bis zu gewissem Grade in Deutschland Eingang gefunden
hat, aber doch bei weitem nicht so weit durchgebildet ist; ich meine die scharfe
Trennung der verschiedenen Musikarten in- den verschiedenen Concerten und die
bewundernswerthe Consequenz, mit der jeden Abend an der. betreffenden Gat¬
tung, von Musik festgehalten wird. Da giebt es den einen Abend klassische
Musik im Allgemeinen, den zweiten nur Bethoven, den dritten nur Offenbach,
den vierten sogenannte englische Musik, den fünften ein Oratorium, den sechsten
Gounot oder Wagner u. s. f. Dieses Gattungs-Programm wird stets auf
Mindestens eine Woche im Voraus festgesetzt und so kann Jeder seinen beson¬
dern Liebhabereien folgen, er kann wenigstens sicher sein, seine Lieblingsmusik
einem bestimmten Abend zu hören zu bekommen, wenn er auch das spe¬
ziellere Programm noch nicht kennt. Wehe freilich dem armen Fremden, der
um dieses oder jenes Lokal zu besuchen, wegen Mangel an Zeit oder unver¬
zeihlicher Unkenntniß in eine Offenbachnacht, oder sonstige englische Liebhabe¬
rin hineinfällt. Er ist selbst in den Hallen der ersten Opernhäuser, die sich
natürlich alle "königlich" nennen, obgleich es nur Privattheater sind, vor
derartiger Musik nicht gesichert, denn was wäre dem Unternehmer heilig, wo
^ Kilt, möglichst große Einnahmen zu erzielen, besonders in der todten
Herbstzeit, in der die kostspieligen Opern durch einfache Concerte verdrängt
werden und demgemäß auch die Preise reduzirt sind.

Daß in der Hauptstadt des Landes Shakspeare's und Garrick's gute Schau-
"ud Lustspielvorstellungen gegeben werden, ist ja zu erwarten und so findet
">an denn auch in diesem Kunstzweige bis zu kleinen Theatern hinab theil-
^else vorzügliche Leistungen. Und doch ist so manches dabei, was mir nicht
behagt. Wie in Deutschland die Possen tagtäglich immer und immer wieder¬
holt werden, bis die ganze Stadt sich daran genugsam ergötzt hat, so
geschieht das hier mit allen theatralischen Vorstellungen, mit Hamlet so gut
^e mit der Fille de Madame Angot, mit Richard Löwenherz ebensowohl wie
'Uit Lg lioi vawtlv, welche Posse sich über den Besuch des Schah von Pechen
den europäischen Höfen lustig macht. Bei Possen mag diese ewige Wieder-
)vlung ihre Berechtigung haben und es läßt sich 5urch neue Couplets und
Lustige neue Witze und eventuelle kleine Abänderungen sowohl das Interesse
^6 Publikums, als auch der Schauspieler rege erhalten. In Tragödien
^se das aber unmöglich und wenn auch die hervorragenden Schauspieler
>es bestreben werden ihre Rolle von Tag zu Tag besser zu erfassen
und den Charakter mit möglichster Vollkommenheit darzustellen, so müssen
Kräfte von zweitem und dritten Range, die es doch auf allen Bühnen giebt,
und die auch stets nothwendig sind, doch unbedingt erlahmen und dadurch
wird dem Zusammenspiel, welches im Allgemeinen sehr gut ist, Abbruch ge¬
than. In, Herbste trat allabendlich auf dem Lyceumtheater der binnen kurzer


d>e allerdings auch bis zu gewissem Grade in Deutschland Eingang gefunden
hat, aber doch bei weitem nicht so weit durchgebildet ist; ich meine die scharfe
Trennung der verschiedenen Musikarten in- den verschiedenen Concerten und die
bewundernswerthe Consequenz, mit der jeden Abend an der. betreffenden Gat¬
tung, von Musik festgehalten wird. Da giebt es den einen Abend klassische
Musik im Allgemeinen, den zweiten nur Bethoven, den dritten nur Offenbach,
den vierten sogenannte englische Musik, den fünften ein Oratorium, den sechsten
Gounot oder Wagner u. s. f. Dieses Gattungs-Programm wird stets auf
Mindestens eine Woche im Voraus festgesetzt und so kann Jeder seinen beson¬
dern Liebhabereien folgen, er kann wenigstens sicher sein, seine Lieblingsmusik
einem bestimmten Abend zu hören zu bekommen, wenn er auch das spe¬
ziellere Programm noch nicht kennt. Wehe freilich dem armen Fremden, der
um dieses oder jenes Lokal zu besuchen, wegen Mangel an Zeit oder unver¬
zeihlicher Unkenntniß in eine Offenbachnacht, oder sonstige englische Liebhabe¬
rin hineinfällt. Er ist selbst in den Hallen der ersten Opernhäuser, die sich
natürlich alle „königlich" nennen, obgleich es nur Privattheater sind, vor
derartiger Musik nicht gesichert, denn was wäre dem Unternehmer heilig, wo
^ Kilt, möglichst große Einnahmen zu erzielen, besonders in der todten
Herbstzeit, in der die kostspieligen Opern durch einfache Concerte verdrängt
werden und demgemäß auch die Preise reduzirt sind.

Daß in der Hauptstadt des Landes Shakspeare's und Garrick's gute Schau-
"ud Lustspielvorstellungen gegeben werden, ist ja zu erwarten und so findet
">an denn auch in diesem Kunstzweige bis zu kleinen Theatern hinab theil-
^else vorzügliche Leistungen. Und doch ist so manches dabei, was mir nicht
behagt. Wie in Deutschland die Possen tagtäglich immer und immer wieder¬
holt werden, bis die ganze Stadt sich daran genugsam ergötzt hat, so
geschieht das hier mit allen theatralischen Vorstellungen, mit Hamlet so gut
^e mit der Fille de Madame Angot, mit Richard Löwenherz ebensowohl wie
'Uit Lg lioi vawtlv, welche Posse sich über den Besuch des Schah von Pechen
den europäischen Höfen lustig macht. Bei Possen mag diese ewige Wieder-
)vlung ihre Berechtigung haben und es läßt sich 5urch neue Couplets und
Lustige neue Witze und eventuelle kleine Abänderungen sowohl das Interesse
^6 Publikums, als auch der Schauspieler rege erhalten. In Tragödien
^se das aber unmöglich und wenn auch die hervorragenden Schauspieler
>es bestreben werden ihre Rolle von Tag zu Tag besser zu erfassen
und den Charakter mit möglichster Vollkommenheit darzustellen, so müssen
Kräfte von zweitem und dritten Range, die es doch auf allen Bühnen giebt,
und die auch stets nothwendig sind, doch unbedingt erlahmen und dadurch
wird dem Zusammenspiel, welches im Allgemeinen sehr gut ist, Abbruch ge¬
than. In, Herbste trat allabendlich auf dem Lyceumtheater der binnen kurzer


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[0229] d>e allerdings auch bis zu gewissem Grade in Deutschland Eingang gefunden hat, aber doch bei weitem nicht so weit durchgebildet ist; ich meine die scharfe Trennung der verschiedenen Musikarten in- den verschiedenen Concerten und die bewundernswerthe Consequenz, mit der jeden Abend an der. betreffenden Gat¬ tung, von Musik festgehalten wird. Da giebt es den einen Abend klassische Musik im Allgemeinen, den zweiten nur Bethoven, den dritten nur Offenbach, den vierten sogenannte englische Musik, den fünften ein Oratorium, den sechsten Gounot oder Wagner u. s. f. Dieses Gattungs-Programm wird stets auf Mindestens eine Woche im Voraus festgesetzt und so kann Jeder seinen beson¬ dern Liebhabereien folgen, er kann wenigstens sicher sein, seine Lieblingsmusik einem bestimmten Abend zu hören zu bekommen, wenn er auch das spe¬ ziellere Programm noch nicht kennt. Wehe freilich dem armen Fremden, der um dieses oder jenes Lokal zu besuchen, wegen Mangel an Zeit oder unver¬ zeihlicher Unkenntniß in eine Offenbachnacht, oder sonstige englische Liebhabe¬ rin hineinfällt. Er ist selbst in den Hallen der ersten Opernhäuser, die sich natürlich alle „königlich" nennen, obgleich es nur Privattheater sind, vor derartiger Musik nicht gesichert, denn was wäre dem Unternehmer heilig, wo ^ Kilt, möglichst große Einnahmen zu erzielen, besonders in der todten Herbstzeit, in der die kostspieligen Opern durch einfache Concerte verdrängt werden und demgemäß auch die Preise reduzirt sind. Daß in der Hauptstadt des Landes Shakspeare's und Garrick's gute Schau- "ud Lustspielvorstellungen gegeben werden, ist ja zu erwarten und so findet ">an denn auch in diesem Kunstzweige bis zu kleinen Theatern hinab theil- ^else vorzügliche Leistungen. Und doch ist so manches dabei, was mir nicht behagt. Wie in Deutschland die Possen tagtäglich immer und immer wieder¬ holt werden, bis die ganze Stadt sich daran genugsam ergötzt hat, so geschieht das hier mit allen theatralischen Vorstellungen, mit Hamlet so gut ^e mit der Fille de Madame Angot, mit Richard Löwenherz ebensowohl wie 'Uit Lg lioi vawtlv, welche Posse sich über den Besuch des Schah von Pechen den europäischen Höfen lustig macht. Bei Possen mag diese ewige Wieder- )vlung ihre Berechtigung haben und es läßt sich 5urch neue Couplets und Lustige neue Witze und eventuelle kleine Abänderungen sowohl das Interesse ^6 Publikums, als auch der Schauspieler rege erhalten. In Tragödien ^se das aber unmöglich und wenn auch die hervorragenden Schauspieler >es bestreben werden ihre Rolle von Tag zu Tag besser zu erfassen und den Charakter mit möglichster Vollkommenheit darzustellen, so müssen Kräfte von zweitem und dritten Range, die es doch auf allen Bühnen giebt, und die auch stets nothwendig sind, doch unbedingt erlahmen und dadurch wird dem Zusammenspiel, welches im Allgemeinen sehr gut ist, Abbruch ge¬ than. In, Herbste trat allabendlich auf dem Lyceumtheater der binnen kurzer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/229>, abgerufen am 23.07.2024.