Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wurden im Hause des Dänischen Consuls sig'e Paul gastfreundschaftlich auf¬
genommen. Ein Consul in der Levante genießt unter den Franken einer aus¬
gezeichneten Würde, die uns unser Wirth alsbald durch sein Decorum zu er¬
kennen gab. Er machte mit uns einen Besuch bei dem englischen Consul.
Unserm Zug gieng sein Janitschar in einem prächtigen purpurnen Mantel vor¬
an. Ein jeder Consul hat das Recht sein Haus durch so viel Flaggen aus¬
zuzeichnen, als Consulate ihm anvertrauet sind. Dies überraschte mich bei
dem ersten Anblick von Patraß, wo mehrere Consuls sind, und von denen
Paul allein 3 verschiedene Consulate bekleidete -- so wie auch die dünnen in
eine feine Spitze auslaufenden Thürme seiner Moscheen, die gewöhnlich aus
einen vierekten Haupt-Gebäude mit einer flachen Kuppel, um welche mehrere
kleine Kuppeln herum sich ziehen, bestehen. Alle diese neuen Erscheinungen
würden mich sehr angenehm beschäftigt gehabt haben, wenn ihren Genuß nicht
die Krankheit meines lieben Stackelbergs würde gestört haben. Erst nach
mehreren Tagen konnten wir uns auf einem kleinen Zwei - Master für Corinth
einschiffen. Der Eingang in dem herrlichen Golf von Lepcmtho zeichnet sich
durch die zwei gegenüberliegenden festen türkischen Schlößcr R hio n und An >
tihion aus. die gleichsam der Schlüssel von ihm sind. Die über seine beyde
Küsten sich hinziehenden Gebirge von Achaier und Pho eis hefteten meine
Blicke bald da bald dorthin und jede Meile vorwärts gab durch neue Formen
von erhabenen und großen Massen in Naturscenen, neuen Reiz. Wir mußten
wegen widrigen Wind in den Golf von Salona einlaufen, und daselbst
über acht Tage vor Anker liegen bleiben, welche Zeit wir benutzten, um eine
Tour nach dem ohnweit gelegenen Dorf K astri, das auf der Stelle des ehe¬
mals so berühmten Delphi liegt, zu machen. Hier wo die schönsten Werke
griechischer Kunst vereint waren, sind nun nur noch spärliche Ueberreste von
Fundamenten zu größern Gebäuden vorhanden.

Wir konnten leider den Parnaß nicht weiter besteigen, als bis zur einst
berühmten Kastalischen Quelle. Die Natur ist hier in einziger Großheit,
die zuerst ein stummes Staunen in mir erzeugte. Mit unserer Ausfuhr aus
dem Golf, entdeckte unser Auge bald in blauer Ferne noch den Felsberg Aero-
corinth. und so weiter bekamen wir deutlichere Bilder die schon von wei¬
tem aus dem Meer erschimmerten, Bergformen des Helikon, Citheron und dem
Vorgebirge von Amiae. Zu dem unnennbaren Reiz, der die mahlerische Schön¬
heit aller dieser erhabenen Gegenstände schafft, gesellt sich die Rückerinnerung
in jene schöne Welt, deren Geschichte sie von einer andern Seite außerordent¬
lich interessant und merkwürdig macht.

Corinth entzückte mich so sehr, daß ich sogleich mit in. l. Stackelberg
und Linke) übereinkam, uns daselbst auszuhalten, und unsere beiden andern
Freunde nach Athen vorausgehen zu lassen. Wir waren da fleißig mit Nach-


wurden im Hause des Dänischen Consuls sig'e Paul gastfreundschaftlich auf¬
genommen. Ein Consul in der Levante genießt unter den Franken einer aus¬
gezeichneten Würde, die uns unser Wirth alsbald durch sein Decorum zu er¬
kennen gab. Er machte mit uns einen Besuch bei dem englischen Consul.
Unserm Zug gieng sein Janitschar in einem prächtigen purpurnen Mantel vor¬
an. Ein jeder Consul hat das Recht sein Haus durch so viel Flaggen aus¬
zuzeichnen, als Consulate ihm anvertrauet sind. Dies überraschte mich bei
dem ersten Anblick von Patraß, wo mehrere Consuls sind, und von denen
Paul allein 3 verschiedene Consulate bekleidete — so wie auch die dünnen in
eine feine Spitze auslaufenden Thürme seiner Moscheen, die gewöhnlich aus
einen vierekten Haupt-Gebäude mit einer flachen Kuppel, um welche mehrere
kleine Kuppeln herum sich ziehen, bestehen. Alle diese neuen Erscheinungen
würden mich sehr angenehm beschäftigt gehabt haben, wenn ihren Genuß nicht
die Krankheit meines lieben Stackelbergs würde gestört haben. Erst nach
mehreren Tagen konnten wir uns auf einem kleinen Zwei - Master für Corinth
einschiffen. Der Eingang in dem herrlichen Golf von Lepcmtho zeichnet sich
durch die zwei gegenüberliegenden festen türkischen Schlößcr R hio n und An >
tihion aus. die gleichsam der Schlüssel von ihm sind. Die über seine beyde
Küsten sich hinziehenden Gebirge von Achaier und Pho eis hefteten meine
Blicke bald da bald dorthin und jede Meile vorwärts gab durch neue Formen
von erhabenen und großen Massen in Naturscenen, neuen Reiz. Wir mußten
wegen widrigen Wind in den Golf von Salona einlaufen, und daselbst
über acht Tage vor Anker liegen bleiben, welche Zeit wir benutzten, um eine
Tour nach dem ohnweit gelegenen Dorf K astri, das auf der Stelle des ehe¬
mals so berühmten Delphi liegt, zu machen. Hier wo die schönsten Werke
griechischer Kunst vereint waren, sind nun nur noch spärliche Ueberreste von
Fundamenten zu größern Gebäuden vorhanden.

Wir konnten leider den Parnaß nicht weiter besteigen, als bis zur einst
berühmten Kastalischen Quelle. Die Natur ist hier in einziger Großheit,
die zuerst ein stummes Staunen in mir erzeugte. Mit unserer Ausfuhr aus
dem Golf, entdeckte unser Auge bald in blauer Ferne noch den Felsberg Aero-
corinth. und so weiter bekamen wir deutlichere Bilder die schon von wei¬
tem aus dem Meer erschimmerten, Bergformen des Helikon, Citheron und dem
Vorgebirge von Amiae. Zu dem unnennbaren Reiz, der die mahlerische Schön¬
heit aller dieser erhabenen Gegenstände schafft, gesellt sich die Rückerinnerung
in jene schöne Welt, deren Geschichte sie von einer andern Seite außerordent¬
lich interessant und merkwürdig macht.

Corinth entzückte mich so sehr, daß ich sogleich mit in. l. Stackelberg
und Linke) übereinkam, uns daselbst auszuhalten, und unsere beiden andern
Freunde nach Athen vorausgehen zu lassen. Wir waren da fleißig mit Nach-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132976"/>
            <p xml:id="ID_731" prev="#ID_730"> wurden im Hause des Dänischen Consuls sig'e Paul gastfreundschaftlich auf¬<lb/>
genommen. Ein Consul in der Levante genießt unter den Franken einer aus¬<lb/>
gezeichneten Würde, die uns unser Wirth alsbald durch sein Decorum zu er¬<lb/>
kennen gab. Er machte mit uns einen Besuch bei dem englischen Consul.<lb/>
Unserm Zug gieng sein Janitschar in einem prächtigen purpurnen Mantel vor¬<lb/>
an. Ein jeder Consul hat das Recht sein Haus durch so viel Flaggen aus¬<lb/>
zuzeichnen, als Consulate ihm anvertrauet sind. Dies überraschte mich bei<lb/>
dem ersten Anblick von Patraß, wo mehrere Consuls sind, und von denen<lb/>
Paul allein 3 verschiedene Consulate bekleidete &#x2014; so wie auch die dünnen in<lb/>
eine feine Spitze auslaufenden Thürme seiner Moscheen, die gewöhnlich aus<lb/>
einen vierekten Haupt-Gebäude mit einer flachen Kuppel, um welche mehrere<lb/>
kleine Kuppeln herum sich ziehen, bestehen. Alle diese neuen Erscheinungen<lb/>
würden mich sehr angenehm beschäftigt gehabt haben, wenn ihren Genuß nicht<lb/>
die Krankheit meines lieben Stackelbergs würde gestört haben. Erst nach<lb/>
mehreren Tagen konnten wir uns auf einem kleinen Zwei - Master für Corinth<lb/>
einschiffen. Der Eingang in dem herrlichen Golf von Lepcmtho zeichnet sich<lb/>
durch die zwei gegenüberliegenden festen türkischen Schlößcr R hio n und An &gt;<lb/>
tihion aus. die gleichsam der Schlüssel von ihm sind. Die über seine beyde<lb/>
Küsten sich hinziehenden Gebirge von Achaier und Pho eis hefteten meine<lb/>
Blicke bald da bald dorthin und jede Meile vorwärts gab durch neue Formen<lb/>
von erhabenen und großen Massen in Naturscenen, neuen Reiz. Wir mußten<lb/>
wegen widrigen Wind in den Golf von Salona einlaufen, und daselbst<lb/>
über acht Tage vor Anker liegen bleiben, welche Zeit wir benutzten, um eine<lb/>
Tour nach dem ohnweit gelegenen Dorf K astri, das auf der Stelle des ehe¬<lb/>
mals so berühmten Delphi liegt, zu machen. Hier wo die schönsten Werke<lb/>
griechischer Kunst vereint waren, sind nun nur noch spärliche Ueberreste von<lb/>
Fundamenten zu größern Gebäuden vorhanden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_732"> Wir konnten leider den Parnaß nicht weiter besteigen, als bis zur einst<lb/>
berühmten Kastalischen Quelle. Die Natur ist hier in einziger Großheit,<lb/>
die zuerst ein stummes Staunen in mir erzeugte. Mit unserer Ausfuhr aus<lb/>
dem Golf, entdeckte unser Auge bald in blauer Ferne noch den Felsberg Aero-<lb/>
corinth. und so weiter bekamen wir deutlichere Bilder die schon von wei¬<lb/>
tem aus dem Meer erschimmerten, Bergformen des Helikon, Citheron und dem<lb/>
Vorgebirge von Amiae. Zu dem unnennbaren Reiz, der die mahlerische Schön¬<lb/>
heit aller dieser erhabenen Gegenstände schafft, gesellt sich die Rückerinnerung<lb/>
in jene schöne Welt, deren Geschichte sie von einer andern Seite außerordent¬<lb/>
lich interessant und merkwürdig macht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_733" next="#ID_734"> Corinth entzückte mich so sehr, daß ich sogleich mit in. l. Stackelberg<lb/>
und Linke) übereinkam, uns daselbst auszuhalten, und unsere beiden andern<lb/>
Freunde nach Athen vorausgehen zu lassen.  Wir waren da fleißig mit Nach-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] wurden im Hause des Dänischen Consuls sig'e Paul gastfreundschaftlich auf¬ genommen. Ein Consul in der Levante genießt unter den Franken einer aus¬ gezeichneten Würde, die uns unser Wirth alsbald durch sein Decorum zu er¬ kennen gab. Er machte mit uns einen Besuch bei dem englischen Consul. Unserm Zug gieng sein Janitschar in einem prächtigen purpurnen Mantel vor¬ an. Ein jeder Consul hat das Recht sein Haus durch so viel Flaggen aus¬ zuzeichnen, als Consulate ihm anvertrauet sind. Dies überraschte mich bei dem ersten Anblick von Patraß, wo mehrere Consuls sind, und von denen Paul allein 3 verschiedene Consulate bekleidete — so wie auch die dünnen in eine feine Spitze auslaufenden Thürme seiner Moscheen, die gewöhnlich aus einen vierekten Haupt-Gebäude mit einer flachen Kuppel, um welche mehrere kleine Kuppeln herum sich ziehen, bestehen. Alle diese neuen Erscheinungen würden mich sehr angenehm beschäftigt gehabt haben, wenn ihren Genuß nicht die Krankheit meines lieben Stackelbergs würde gestört haben. Erst nach mehreren Tagen konnten wir uns auf einem kleinen Zwei - Master für Corinth einschiffen. Der Eingang in dem herrlichen Golf von Lepcmtho zeichnet sich durch die zwei gegenüberliegenden festen türkischen Schlößcr R hio n und An > tihion aus. die gleichsam der Schlüssel von ihm sind. Die über seine beyde Küsten sich hinziehenden Gebirge von Achaier und Pho eis hefteten meine Blicke bald da bald dorthin und jede Meile vorwärts gab durch neue Formen von erhabenen und großen Massen in Naturscenen, neuen Reiz. Wir mußten wegen widrigen Wind in den Golf von Salona einlaufen, und daselbst über acht Tage vor Anker liegen bleiben, welche Zeit wir benutzten, um eine Tour nach dem ohnweit gelegenen Dorf K astri, das auf der Stelle des ehe¬ mals so berühmten Delphi liegt, zu machen. Hier wo die schönsten Werke griechischer Kunst vereint waren, sind nun nur noch spärliche Ueberreste von Fundamenten zu größern Gebäuden vorhanden. Wir konnten leider den Parnaß nicht weiter besteigen, als bis zur einst berühmten Kastalischen Quelle. Die Natur ist hier in einziger Großheit, die zuerst ein stummes Staunen in mir erzeugte. Mit unserer Ausfuhr aus dem Golf, entdeckte unser Auge bald in blauer Ferne noch den Felsberg Aero- corinth. und so weiter bekamen wir deutlichere Bilder die schon von wei¬ tem aus dem Meer erschimmerten, Bergformen des Helikon, Citheron und dem Vorgebirge von Amiae. Zu dem unnennbaren Reiz, der die mahlerische Schön¬ heit aller dieser erhabenen Gegenstände schafft, gesellt sich die Rückerinnerung in jene schöne Welt, deren Geschichte sie von einer andern Seite außerordent¬ lich interessant und merkwürdig macht. Corinth entzückte mich so sehr, daß ich sogleich mit in. l. Stackelberg und Linke) übereinkam, uns daselbst auszuhalten, und unsere beiden andern Freunde nach Athen vorausgehen zu lassen. Wir waren da fleißig mit Nach-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/216
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/216>, abgerufen am 23.07.2024.