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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Platte des Thurms soll die Statue des Kaisers auf einem Viergespann ge¬
standen haben.*)

Ist dieses eines der imponirendsten Mausoleen, welche die Geschichte über¬
haupt kennt, so erscheint es doch klein im Vergleich zu dem für alle Zeiten
wahrhaft staunenswerthen, ja geradezu einzigen Werke, der kaiserlichen
Villa bei Tibur, welche geradezu als eine Kunstausstellung der römischen
Welt, ein Museum aller Stile, eine plastischen Gestaltung aller Reise-Ein¬
drücke und Erinnerungen des Kaisers genannt werden kann. In einem Um¬
fange von einigen Stunden, welcher dem der Siebenhügelstadt selbst wenig
nachgiebt, schuf er ein Labyrinth von Gärten und Bauten. Hier schlössen sich
an einander Theater, Circus, Akademie, Lyceum, Gallerien, Tempel bald in
griechischem, bald in ägyptischem Stile. Hier war ein See, auf welchem Ge¬
fechte aufgeführt werden konnten, dort Hallen und Bäder; hier das schöne
Thal Tempe. durchströmt von einem Peneus; dort, damit nichts fehle,
ein Elysium und ein Tartarus, von dem die Sage geht, es seien, um
die Illusion aufs höchste zu steigern, in ihm Verbrecher gegeißelt worden, deren
dumpfherauftönendes Geschrei die Seufzer der Unterwelt nachahmen sollte.
Das Ganze beherrschte auf einer Anhöhe gelegen der Palast des Kaisers. --
Heut ist diese Villa nur ein ungeheurer Compler nackter Ziegelmauern, deren
Bestimmung im einzelnen sehr schwierig ist. Die Schaaren des Totilas haben
sie vernichtet, und seit der Zeit ist sie verödet geblieben.

Entsprechend war der malerische Schmuck des Innern, von welchem
die Ausgrabungen noch vereinzelte Neste zu Tage gefördert haben: besonders
Stuckdecken und Mosaikboden. Während unter den letzteren in Bezug auf
Feinheit der Arbeit das Masken-Mosaik (jetzt im Mdinotto Zslls nnrseuvrv
des Vatican) den ersten Platz einnimmt, ragt in Bezug auf Anmuth der
Darstellung das Tauben-Mosaik (jetzt im capitolinischen Museum) hervor.
Auf dem Rande einer Schale mit Wasser sitzen 4 Tauben, von denen die
eine trinkt, eine zweite sich putzt, die beiden andern sich umsehen. Ergreifend
ist die Darstellung des Kampfes von Centauren gegen wilde Thiere auf dem
jetzt in Berlin befindlichen Mosaik.

Ungleich großartiger ist die Ausbeute an Werken der Plastik gewesen,
mit welchen die Villa geschmückt war. Nachdem bereits am Ende des




") Die Angabe, daß der riesige Pinienapfel aus vergoldetem Metall, der sich jetzt im
G"reen des Vatikan befindet, die Spitze des Grabmals gekrönt habe, ist höchst wahrscheinlich,
ebenso wie die Angabe, daß das Denkmal von ehernen Schranken mit goldnen Pfauen und
einem goldnen Stier umgeben war, ins Gebiet der Fabeleien zu weisen, welche sich frühzeitig
an dieses Denkmal anschlössen. --
"
) Ein Theil der antiken Einrahmung des Mosaiks, ein Vlnmenstreifeu, befindet sich als
Geschenk des Eard. Albcmi an den sächsische" Kurprinzen Christian im Museum zu Dresden

Platte des Thurms soll die Statue des Kaisers auf einem Viergespann ge¬
standen haben.*)

Ist dieses eines der imponirendsten Mausoleen, welche die Geschichte über¬
haupt kennt, so erscheint es doch klein im Vergleich zu dem für alle Zeiten
wahrhaft staunenswerthen, ja geradezu einzigen Werke, der kaiserlichen
Villa bei Tibur, welche geradezu als eine Kunstausstellung der römischen
Welt, ein Museum aller Stile, eine plastischen Gestaltung aller Reise-Ein¬
drücke und Erinnerungen des Kaisers genannt werden kann. In einem Um¬
fange von einigen Stunden, welcher dem der Siebenhügelstadt selbst wenig
nachgiebt, schuf er ein Labyrinth von Gärten und Bauten. Hier schlössen sich
an einander Theater, Circus, Akademie, Lyceum, Gallerien, Tempel bald in
griechischem, bald in ägyptischem Stile. Hier war ein See, auf welchem Ge¬
fechte aufgeführt werden konnten, dort Hallen und Bäder; hier das schöne
Thal Tempe. durchströmt von einem Peneus; dort, damit nichts fehle,
ein Elysium und ein Tartarus, von dem die Sage geht, es seien, um
die Illusion aufs höchste zu steigern, in ihm Verbrecher gegeißelt worden, deren
dumpfherauftönendes Geschrei die Seufzer der Unterwelt nachahmen sollte.
Das Ganze beherrschte auf einer Anhöhe gelegen der Palast des Kaisers. —
Heut ist diese Villa nur ein ungeheurer Compler nackter Ziegelmauern, deren
Bestimmung im einzelnen sehr schwierig ist. Die Schaaren des Totilas haben
sie vernichtet, und seit der Zeit ist sie verödet geblieben.

Entsprechend war der malerische Schmuck des Innern, von welchem
die Ausgrabungen noch vereinzelte Neste zu Tage gefördert haben: besonders
Stuckdecken und Mosaikboden. Während unter den letzteren in Bezug auf
Feinheit der Arbeit das Masken-Mosaik (jetzt im Mdinotto Zslls nnrseuvrv
des Vatican) den ersten Platz einnimmt, ragt in Bezug auf Anmuth der
Darstellung das Tauben-Mosaik (jetzt im capitolinischen Museum) hervor.
Auf dem Rande einer Schale mit Wasser sitzen 4 Tauben, von denen die
eine trinkt, eine zweite sich putzt, die beiden andern sich umsehen. Ergreifend
ist die Darstellung des Kampfes von Centauren gegen wilde Thiere auf dem
jetzt in Berlin befindlichen Mosaik.

Ungleich großartiger ist die Ausbeute an Werken der Plastik gewesen,
mit welchen die Villa geschmückt war. Nachdem bereits am Ende des




") Die Angabe, daß der riesige Pinienapfel aus vergoldetem Metall, der sich jetzt im
G»reen des Vatikan befindet, die Spitze des Grabmals gekrönt habe, ist höchst wahrscheinlich,
ebenso wie die Angabe, daß das Denkmal von ehernen Schranken mit goldnen Pfauen und
einem goldnen Stier umgeben war, ins Gebiet der Fabeleien zu weisen, welche sich frühzeitig
an dieses Denkmal anschlössen. —
"
) Ein Theil der antiken Einrahmung des Mosaiks, ein Vlnmenstreifeu, befindet sich als
Geschenk des Eard. Albcmi an den sächsische» Kurprinzen Christian im Museum zu Dresden
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[0174] Platte des Thurms soll die Statue des Kaisers auf einem Viergespann ge¬ standen haben.*) Ist dieses eines der imponirendsten Mausoleen, welche die Geschichte über¬ haupt kennt, so erscheint es doch klein im Vergleich zu dem für alle Zeiten wahrhaft staunenswerthen, ja geradezu einzigen Werke, der kaiserlichen Villa bei Tibur, welche geradezu als eine Kunstausstellung der römischen Welt, ein Museum aller Stile, eine plastischen Gestaltung aller Reise-Ein¬ drücke und Erinnerungen des Kaisers genannt werden kann. In einem Um¬ fange von einigen Stunden, welcher dem der Siebenhügelstadt selbst wenig nachgiebt, schuf er ein Labyrinth von Gärten und Bauten. Hier schlössen sich an einander Theater, Circus, Akademie, Lyceum, Gallerien, Tempel bald in griechischem, bald in ägyptischem Stile. Hier war ein See, auf welchem Ge¬ fechte aufgeführt werden konnten, dort Hallen und Bäder; hier das schöne Thal Tempe. durchströmt von einem Peneus; dort, damit nichts fehle, ein Elysium und ein Tartarus, von dem die Sage geht, es seien, um die Illusion aufs höchste zu steigern, in ihm Verbrecher gegeißelt worden, deren dumpfherauftönendes Geschrei die Seufzer der Unterwelt nachahmen sollte. Das Ganze beherrschte auf einer Anhöhe gelegen der Palast des Kaisers. — Heut ist diese Villa nur ein ungeheurer Compler nackter Ziegelmauern, deren Bestimmung im einzelnen sehr schwierig ist. Die Schaaren des Totilas haben sie vernichtet, und seit der Zeit ist sie verödet geblieben. Entsprechend war der malerische Schmuck des Innern, von welchem die Ausgrabungen noch vereinzelte Neste zu Tage gefördert haben: besonders Stuckdecken und Mosaikboden. Während unter den letzteren in Bezug auf Feinheit der Arbeit das Masken-Mosaik (jetzt im Mdinotto Zslls nnrseuvrv des Vatican) den ersten Platz einnimmt, ragt in Bezug auf Anmuth der Darstellung das Tauben-Mosaik (jetzt im capitolinischen Museum) hervor. Auf dem Rande einer Schale mit Wasser sitzen 4 Tauben, von denen die eine trinkt, eine zweite sich putzt, die beiden andern sich umsehen. Ergreifend ist die Darstellung des Kampfes von Centauren gegen wilde Thiere auf dem jetzt in Berlin befindlichen Mosaik. Ungleich großartiger ist die Ausbeute an Werken der Plastik gewesen, mit welchen die Villa geschmückt war. Nachdem bereits am Ende des ") Die Angabe, daß der riesige Pinienapfel aus vergoldetem Metall, der sich jetzt im G»reen des Vatikan befindet, die Spitze des Grabmals gekrönt habe, ist höchst wahrscheinlich, ebenso wie die Angabe, daß das Denkmal von ehernen Schranken mit goldnen Pfauen und einem goldnen Stier umgeben war, ins Gebiet der Fabeleien zu weisen, welche sich frühzeitig an dieses Denkmal anschlössen. — " ) Ein Theil der antiken Einrahmung des Mosaiks, ein Vlnmenstreifeu, befindet sich als Geschenk des Eard. Albcmi an den sächsische» Kurprinzen Christian im Museum zu Dresden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/174>, abgerufen am 23.07.2024.