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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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dieses Verhältniß auch bei dem gesteigerten Verkehre nahezu unverändert er¬
halten. -- Im vergangenen Jahre zeigte der Gesammtverkehr eine Abnahme gegen
das Vorjahr, welche wohl nicht dem Saldirungsinstitute, sondern der all¬
gemeinen Geschäftslage zuzuschreiben sein wird. -- Aber nicht nur im Bank¬
wesen brach sich das Clearingsystem Bahn, auch im Eisenbahnwesen
fand es Eingang. Wieder ist es England, das auch auf diesem Gebiete zuerst
diese Institution einführte. 1842 wurde in London ein Eisenbahn-Central-
abrech'nungsbureau (Railway Clearinghouse) ins Leben gerufen, welchem nach
und nach fast alle englischen Eisenbahnen beitraten, so daß es jetzt einen
riesigen Verkehr zu bewältigen hat. Das Abrechnungsbureau umfaßt folgende
Geschäftszweige: Abrechnung des Personen-, Güter- und Viehverkehrs, sowie
Ausgleichung der betreffenden Geldbeträge; Controle der Wagen, Decken,
Bindestricke und Ketten in Bezug auf die Feststellung der Miethe; Regelung
der Entschädigung für Verlorne und beschädigte Güter, für Beschädigung der
Wagen; das Versicherungswesen für Güter im durchgehenden Verkehr. --
An der Spitze dieses Clearinghouse steht ein Comite', in dem jede am Clearing¬
system theilnehmende Bahn durch einen Delegirten vertreten ist. Die laufen¬
den Geschäfte selbst werden durch einen Director und (ca. 900 Beamte) be¬
sorgt. Alle Tage schließt die Anstalt ihre Rechnungen so, daß jede betheiligte
Bahn den Stand ihrer Forderungen oder Lasten erfahren kann.

Auch auf dem Continent machte das stets verwickelter werdende Abrech-
nungswesen die Nothwendigkeit fühlbar, ähnliche Abrechnungsstellen zu gründen.
Seit 1871 existiren in Berlin für mehrere deutsche und in Wien für alle
österreichisch-ungarischen Bahnen solche Anstalten. An der Spitze der deutschen
"General-Saldirungsstelle" steht die Berlin-Potsdam-Magdeburger Bahn, in
deren Gemeinschaft diese Stelle ursprünglich von 20 deutschen Bahnen ge¬
gründet wurde. -- In Wien besteht zu gleichem Zwecke der "Eisenbahnsaldo¬
aal" dessen Funktionen die österreichische Staatseisenbahngesellschaft leitet.
Die Kosten des ganzen Apparates bezifferten sich im Jahre 1873 auf
326,674 si. Die Thätigkeit dieser Centralsaldirungsstelle wird dadurch charak¬
terisier, daß im Jahre 1873 487 Debet-Saldi im Gesammtbetrage von
9.6 Mittönen Gulden Papier und 1.^ Millionen Gulden Silber eingezahlt
und 353 Credit-Saldi in gleichem Gesammtbetrage ausgezahlt wurden.

Wir schließen unsere Ausführungen mit dem Wunsche, es möge dadurch
betreffenden Orts Anregung gegeben werden, endlich in Deutschland gleich
Oesterreich einen Anfang zu machen und Besitz zu ergreifen von den Erleich¬
terungen und evidenten Vortheilen, welche die Ausbildung des Clearinghous-
Systems anderwärts dem Verkehr bietet.




dieses Verhältniß auch bei dem gesteigerten Verkehre nahezu unverändert er¬
halten. — Im vergangenen Jahre zeigte der Gesammtverkehr eine Abnahme gegen
das Vorjahr, welche wohl nicht dem Saldirungsinstitute, sondern der all¬
gemeinen Geschäftslage zuzuschreiben sein wird. — Aber nicht nur im Bank¬
wesen brach sich das Clearingsystem Bahn, auch im Eisenbahnwesen
fand es Eingang. Wieder ist es England, das auch auf diesem Gebiete zuerst
diese Institution einführte. 1842 wurde in London ein Eisenbahn-Central-
abrech'nungsbureau (Railway Clearinghouse) ins Leben gerufen, welchem nach
und nach fast alle englischen Eisenbahnen beitraten, so daß es jetzt einen
riesigen Verkehr zu bewältigen hat. Das Abrechnungsbureau umfaßt folgende
Geschäftszweige: Abrechnung des Personen-, Güter- und Viehverkehrs, sowie
Ausgleichung der betreffenden Geldbeträge; Controle der Wagen, Decken,
Bindestricke und Ketten in Bezug auf die Feststellung der Miethe; Regelung
der Entschädigung für Verlorne und beschädigte Güter, für Beschädigung der
Wagen; das Versicherungswesen für Güter im durchgehenden Verkehr. —
An der Spitze dieses Clearinghouse steht ein Comite', in dem jede am Clearing¬
system theilnehmende Bahn durch einen Delegirten vertreten ist. Die laufen¬
den Geschäfte selbst werden durch einen Director und (ca. 900 Beamte) be¬
sorgt. Alle Tage schließt die Anstalt ihre Rechnungen so, daß jede betheiligte
Bahn den Stand ihrer Forderungen oder Lasten erfahren kann.

Auch auf dem Continent machte das stets verwickelter werdende Abrech-
nungswesen die Nothwendigkeit fühlbar, ähnliche Abrechnungsstellen zu gründen.
Seit 1871 existiren in Berlin für mehrere deutsche und in Wien für alle
österreichisch-ungarischen Bahnen solche Anstalten. An der Spitze der deutschen
„General-Saldirungsstelle" steht die Berlin-Potsdam-Magdeburger Bahn, in
deren Gemeinschaft diese Stelle ursprünglich von 20 deutschen Bahnen ge¬
gründet wurde. — In Wien besteht zu gleichem Zwecke der „Eisenbahnsaldo¬
aal" dessen Funktionen die österreichische Staatseisenbahngesellschaft leitet.
Die Kosten des ganzen Apparates bezifferten sich im Jahre 1873 auf
326,674 si. Die Thätigkeit dieser Centralsaldirungsstelle wird dadurch charak¬
terisier, daß im Jahre 1873 487 Debet-Saldi im Gesammtbetrage von
9.6 Mittönen Gulden Papier und 1.^ Millionen Gulden Silber eingezahlt
und 353 Credit-Saldi in gleichem Gesammtbetrage ausgezahlt wurden.

Wir schließen unsere Ausführungen mit dem Wunsche, es möge dadurch
betreffenden Orts Anregung gegeben werden, endlich in Deutschland gleich
Oesterreich einen Anfang zu machen und Besitz zu ergreifen von den Erleich¬
terungen und evidenten Vortheilen, welche die Ausbildung des Clearinghous-
Systems anderwärts dem Verkehr bietet.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/155>, abgerufen am 23.07.2024.