Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.Forstmeisters enthauptet und gleichzeitig eine Frau Lescalopier in (Mgi" ver¬ Forstmeisters enthauptet und gleichzeitig eine Frau Lescalopier in (Mgi« ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132903"/> <p xml:id="ID_494" prev="#ID_493" next="#ID_495"> Forstmeisters enthauptet und gleichzeitig eine Frau Lescalopier in (Mgi« ver¬<lb/> brannt. Und noch immer dauerten die Verhaftungen fort, und täglich mehrten<lb/> sich die Jndicien, wie weit sich die Fäden des Netzes bis in die höchsten<lb/> Schichten der Gesellschaft verliefen. Ja die öffentliche Meinung deutete sogar<lb/> auf Mitglieder des Richtercollegiums der LKambi't! aräente selbst, die auf das<lb/> ärgste compromittirt waren. Nun trat ein Wendepunkt ein. Es gab eine<lb/> gewisse Grenze für die Justiz und den strafenden Arm des Königs, die hier<lb/> erreicht war. Auch Könige und Richter haben Verwandte und Freunde.<lb/> Sodann war schon zu viel geweihtes Priesterblut geflossen, und die Gefahr<lb/> lag nahe, daß man den Interessen der heiligen katholischen Kirche durch allzu<lb/> rücksichtsloses Vorgehen gegen ihre Diener zu nahe trat. Ebensowenig mochte<lb/> der König die furchtbaren Schäden, an denen das Land während seines per¬<lb/> sönlichen Regiments litt, dem Auslande gegenüber weiter als es schon geschehen<lb/> aufgedeckt wissen. So trafen denn von nun an die Verurteilungen und Hin¬<lb/> richtungen fast ausschließlich Verbrecher aus den unteren Klassen. Erschreckt<lb/> durch das furchtbare Strafgericht, das in allen Provinzen des Landes über<lb/> so viele Hunderte verhängt wurde, flüchteten sich eine große Zahl noch ver¬<lb/> schont Gebliebener, auch aus angesehenen Familien, ins Ausland, und dieser<lb/> Aderlaß von leichterer Art, nachdem Schaffott und Scheiterhaufen das ihrige<lb/> gethan, führten das Uebel zu einem verhängnißmäßig schnellen Ende. Zauberer<lb/> und Hexen spukten allerdings auch noch in den Tagen der Regierung Ludwig's<lb/> des Fünfzehnten munter weiter; aber wer darf behaupten, daß sie überhaupt<lb/> ausgestorben sind? Für den Franzosen, der mit gutem Rechte gewöhnt<lb/> worden ist, auf das Zeitalter Ludwig's XIV. als auf die glänzendste Periode<lb/> der vaterländischen Geschichte hinzublicken, auf die augusteische Zeit, wo der<lb/> Nationalgeist seine schönsten Blüthen trieb, und wo ein Herrscher mit nie zu¬<lb/> vor gesehener Machtfülle Frankreich gewissermaßen zur Gebieterin Europas<lb/> machte, können die geschildertenZustände natürlich nie verfehlen, einen höchst<lb/> unerbaulichen und das Nationalgefühl herabdrückenden Eindruck zu machen.<lb/> Alle Lobredner und Geschichtsschreiber des großen Königs, Voltaire selbst<lb/> nicht ausgenommen, haben bisher fast ausschließlich der glänzenden Außenseite<lb/> seiner Regierungszeit ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Und doch brütete unter<lb/> derselben ein Sumpf von sittlichen Schäden, die von Zeit zu Zeit noch unter¬<lb/> drückt wurden, an denen aber unter seinen Nachfolgern das alte Königthum<lb/> zu Grunde ging. La Bruyere, Se. Simon, Bussy - Rabutin und auch Bol?<lb/> leau, wenn auch nur in mäßiger Weise, haben das ihrige gethan, um der<lb/> Außenwelt zu zeigen, wie viel Servilität. Gemeinheit und feiles Laster in der<lb/> nächsten Umgebung des allerchristlichsten Herrschers ihr Wesen trieben und den<lb/> allgemeinen Erschöpfungs- und Zersetzungsprozeß beschleunigen halfen. Daß<lb/> auch das untere, in grauenerregender Unwissenheit lebende Volk im Großen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
Forstmeisters enthauptet und gleichzeitig eine Frau Lescalopier in (Mgi« ver¬
brannt. Und noch immer dauerten die Verhaftungen fort, und täglich mehrten
sich die Jndicien, wie weit sich die Fäden des Netzes bis in die höchsten
Schichten der Gesellschaft verliefen. Ja die öffentliche Meinung deutete sogar
auf Mitglieder des Richtercollegiums der LKambi't! aräente selbst, die auf das
ärgste compromittirt waren. Nun trat ein Wendepunkt ein. Es gab eine
gewisse Grenze für die Justiz und den strafenden Arm des Königs, die hier
erreicht war. Auch Könige und Richter haben Verwandte und Freunde.
Sodann war schon zu viel geweihtes Priesterblut geflossen, und die Gefahr
lag nahe, daß man den Interessen der heiligen katholischen Kirche durch allzu
rücksichtsloses Vorgehen gegen ihre Diener zu nahe trat. Ebensowenig mochte
der König die furchtbaren Schäden, an denen das Land während seines per¬
sönlichen Regiments litt, dem Auslande gegenüber weiter als es schon geschehen
aufgedeckt wissen. So trafen denn von nun an die Verurteilungen und Hin¬
richtungen fast ausschließlich Verbrecher aus den unteren Klassen. Erschreckt
durch das furchtbare Strafgericht, das in allen Provinzen des Landes über
so viele Hunderte verhängt wurde, flüchteten sich eine große Zahl noch ver¬
schont Gebliebener, auch aus angesehenen Familien, ins Ausland, und dieser
Aderlaß von leichterer Art, nachdem Schaffott und Scheiterhaufen das ihrige
gethan, führten das Uebel zu einem verhängnißmäßig schnellen Ende. Zauberer
und Hexen spukten allerdings auch noch in den Tagen der Regierung Ludwig's
des Fünfzehnten munter weiter; aber wer darf behaupten, daß sie überhaupt
ausgestorben sind? Für den Franzosen, der mit gutem Rechte gewöhnt
worden ist, auf das Zeitalter Ludwig's XIV. als auf die glänzendste Periode
der vaterländischen Geschichte hinzublicken, auf die augusteische Zeit, wo der
Nationalgeist seine schönsten Blüthen trieb, und wo ein Herrscher mit nie zu¬
vor gesehener Machtfülle Frankreich gewissermaßen zur Gebieterin Europas
machte, können die geschildertenZustände natürlich nie verfehlen, einen höchst
unerbaulichen und das Nationalgefühl herabdrückenden Eindruck zu machen.
Alle Lobredner und Geschichtsschreiber des großen Königs, Voltaire selbst
nicht ausgenommen, haben bisher fast ausschließlich der glänzenden Außenseite
seiner Regierungszeit ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Und doch brütete unter
derselben ein Sumpf von sittlichen Schäden, die von Zeit zu Zeit noch unter¬
drückt wurden, an denen aber unter seinen Nachfolgern das alte Königthum
zu Grunde ging. La Bruyere, Se. Simon, Bussy - Rabutin und auch Bol?
leau, wenn auch nur in mäßiger Weise, haben das ihrige gethan, um der
Außenwelt zu zeigen, wie viel Servilität. Gemeinheit und feiles Laster in der
nächsten Umgebung des allerchristlichsten Herrschers ihr Wesen trieben und den
allgemeinen Erschöpfungs- und Zersetzungsprozeß beschleunigen halfen. Daß
auch das untere, in grauenerregender Unwissenheit lebende Volk im Großen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |