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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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als sein persönliches Monopol und in den Hafenstädten des Kanals den
Thranhandel.

Daß Fouquet diese systematische Plünderung der öffentlichen Finanzen
Jahre lang ungestört fortsetzen konnte, erklärt sich theilweise aus dem unbe¬
dingten Vertrauen, das von Anfang an zu seiner Rechtlichkeit gehegt wurde,
theils auch aus der Solidarität mit einer ganzen Bande von Mitwissern und
Helfershelfern, welche in seinem Solde standen und Alles aufboten, den all¬
gemeinen Zusammenbruch aufzuhalten. Als derselbe endlich doch unvermeid¬
lich geworden war, theilte sich unter dem unbeschreiblichen, tiefen Eindrucke,
den der Skandal auf Alle machte, ganz Frankreich in zwei große Heerlager.
Die durch Fouquet gehobenen und ausgezeichneten Beamten, Gelehrten und
Künstler und eine Menge hochgestellter Leute, die sich compromittirt wußten,
schaarten sich um den Angeklagten, während das Heer der Betrogenen
seine exemplarische Bestrafung und Ersatz für die Erpressungen und Schwin¬
deleien forderte. Der König, der sich in seiner persönlichen Würde als
Staatsoberhaupt aufs Empfindlichste verletzt fühlte, ließ den Prozeß mit.
allen Mitteln und der größten Energie führen. Das Urtheil erfolgte nach
vier Jahren. Dreizehn Richter stimmten für die Todesstrafe, zweiundzwanzig
für Verbannung, der König decretirte lebenslängliche Einschließung. Fouquet
wurde von der Bastille nach Pignerol im Piemontesischen, das von 1630 bis
1696 französisch war, abgeführt und starb daselbst nach sechszehnjähriger
Kerkerhaft. Bis zu welchem Grade die französische Verwaltung und das
Finanzwesen verderbt und zerrüttet waren, erhellt aus dem von den Unter¬
suchungsrichtern dieses Monstreprozesses nachträglich gelieferten Nachweise, daß
schon unter der Regentschaft der Königin Anna und Mazarin die Staats¬
kassen um 380 Millionen Franken bestohlen worden waren, von welchen nur
2S Millionen ersetzt werden konnten. .Auch war mit Fouquet/s Verurtheilung
und allen skandalösen Enthüllungen weder die Wurzel des Uebels ausgerissen,
noch überhaupt eine gründliche Besserung der verrotteten Zustände angebahnt.
Denn der verschwenderische Hof zu Versailles, die ungleiche und ungerechte
Vertheilung der Steuern, die Immunitäten des Adels und des Clerus und
die beständigen Kriege vermehrten die Schwierigkeiten und schufen ein Wirrsal,
das kein Despotenmachtwort lösen konnte.

Es verdient übrigens der Erwähnung, daß auch der große Ludwig in
den Zeiten der tiefsten Ebbe Hülfe suchend sich an die Goldmachekunst wandte
und ein Paar Alchymisten in die Bastille setzte, um mit Hülfe von Schwefel,
Zinn, Antimon und dem Zauberbuche der ^xooal^pse oliimiMs das ersehnte
Metall ins Dasein zu rufen. Als es trotz vieler, kostspieliger Versuche nicht
kommen wollte, wurden die Privatwohnungen der Künstler durchstöbert und
hier zwar kein Gold, aber ganze Sammlungen von Giften vorgefunden. So


Gicnzboten I. 1875. 17

als sein persönliches Monopol und in den Hafenstädten des Kanals den
Thranhandel.

Daß Fouquet diese systematische Plünderung der öffentlichen Finanzen
Jahre lang ungestört fortsetzen konnte, erklärt sich theilweise aus dem unbe¬
dingten Vertrauen, das von Anfang an zu seiner Rechtlichkeit gehegt wurde,
theils auch aus der Solidarität mit einer ganzen Bande von Mitwissern und
Helfershelfern, welche in seinem Solde standen und Alles aufboten, den all¬
gemeinen Zusammenbruch aufzuhalten. Als derselbe endlich doch unvermeid¬
lich geworden war, theilte sich unter dem unbeschreiblichen, tiefen Eindrucke,
den der Skandal auf Alle machte, ganz Frankreich in zwei große Heerlager.
Die durch Fouquet gehobenen und ausgezeichneten Beamten, Gelehrten und
Künstler und eine Menge hochgestellter Leute, die sich compromittirt wußten,
schaarten sich um den Angeklagten, während das Heer der Betrogenen
seine exemplarische Bestrafung und Ersatz für die Erpressungen und Schwin¬
deleien forderte. Der König, der sich in seiner persönlichen Würde als
Staatsoberhaupt aufs Empfindlichste verletzt fühlte, ließ den Prozeß mit.
allen Mitteln und der größten Energie führen. Das Urtheil erfolgte nach
vier Jahren. Dreizehn Richter stimmten für die Todesstrafe, zweiundzwanzig
für Verbannung, der König decretirte lebenslängliche Einschließung. Fouquet
wurde von der Bastille nach Pignerol im Piemontesischen, das von 1630 bis
1696 französisch war, abgeführt und starb daselbst nach sechszehnjähriger
Kerkerhaft. Bis zu welchem Grade die französische Verwaltung und das
Finanzwesen verderbt und zerrüttet waren, erhellt aus dem von den Unter¬
suchungsrichtern dieses Monstreprozesses nachträglich gelieferten Nachweise, daß
schon unter der Regentschaft der Königin Anna und Mazarin die Staats¬
kassen um 380 Millionen Franken bestohlen worden waren, von welchen nur
2S Millionen ersetzt werden konnten. .Auch war mit Fouquet/s Verurtheilung
und allen skandalösen Enthüllungen weder die Wurzel des Uebels ausgerissen,
noch überhaupt eine gründliche Besserung der verrotteten Zustände angebahnt.
Denn der verschwenderische Hof zu Versailles, die ungleiche und ungerechte
Vertheilung der Steuern, die Immunitäten des Adels und des Clerus und
die beständigen Kriege vermehrten die Schwierigkeiten und schufen ein Wirrsal,
das kein Despotenmachtwort lösen konnte.

Es verdient übrigens der Erwähnung, daß auch der große Ludwig in
den Zeiten der tiefsten Ebbe Hülfe suchend sich an die Goldmachekunst wandte
und ein Paar Alchymisten in die Bastille setzte, um mit Hülfe von Schwefel,
Zinn, Antimon und dem Zauberbuche der ^xooal^pse oliimiMs das ersehnte
Metall ins Dasein zu rufen. Als es trotz vieler, kostspieliger Versuche nicht
kommen wollte, wurden die Privatwohnungen der Künstler durchstöbert und
hier zwar kein Gold, aber ganze Sammlungen von Giften vorgefunden. So


Gicnzboten I. 1875. 17
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[0137] als sein persönliches Monopol und in den Hafenstädten des Kanals den Thranhandel. Daß Fouquet diese systematische Plünderung der öffentlichen Finanzen Jahre lang ungestört fortsetzen konnte, erklärt sich theilweise aus dem unbe¬ dingten Vertrauen, das von Anfang an zu seiner Rechtlichkeit gehegt wurde, theils auch aus der Solidarität mit einer ganzen Bande von Mitwissern und Helfershelfern, welche in seinem Solde standen und Alles aufboten, den all¬ gemeinen Zusammenbruch aufzuhalten. Als derselbe endlich doch unvermeid¬ lich geworden war, theilte sich unter dem unbeschreiblichen, tiefen Eindrucke, den der Skandal auf Alle machte, ganz Frankreich in zwei große Heerlager. Die durch Fouquet gehobenen und ausgezeichneten Beamten, Gelehrten und Künstler und eine Menge hochgestellter Leute, die sich compromittirt wußten, schaarten sich um den Angeklagten, während das Heer der Betrogenen seine exemplarische Bestrafung und Ersatz für die Erpressungen und Schwin¬ deleien forderte. Der König, der sich in seiner persönlichen Würde als Staatsoberhaupt aufs Empfindlichste verletzt fühlte, ließ den Prozeß mit. allen Mitteln und der größten Energie führen. Das Urtheil erfolgte nach vier Jahren. Dreizehn Richter stimmten für die Todesstrafe, zweiundzwanzig für Verbannung, der König decretirte lebenslängliche Einschließung. Fouquet wurde von der Bastille nach Pignerol im Piemontesischen, das von 1630 bis 1696 französisch war, abgeführt und starb daselbst nach sechszehnjähriger Kerkerhaft. Bis zu welchem Grade die französische Verwaltung und das Finanzwesen verderbt und zerrüttet waren, erhellt aus dem von den Unter¬ suchungsrichtern dieses Monstreprozesses nachträglich gelieferten Nachweise, daß schon unter der Regentschaft der Königin Anna und Mazarin die Staats¬ kassen um 380 Millionen Franken bestohlen worden waren, von welchen nur 2S Millionen ersetzt werden konnten. .Auch war mit Fouquet/s Verurtheilung und allen skandalösen Enthüllungen weder die Wurzel des Uebels ausgerissen, noch überhaupt eine gründliche Besserung der verrotteten Zustände angebahnt. Denn der verschwenderische Hof zu Versailles, die ungleiche und ungerechte Vertheilung der Steuern, die Immunitäten des Adels und des Clerus und die beständigen Kriege vermehrten die Schwierigkeiten und schufen ein Wirrsal, das kein Despotenmachtwort lösen konnte. Es verdient übrigens der Erwähnung, daß auch der große Ludwig in den Zeiten der tiefsten Ebbe Hülfe suchend sich an die Goldmachekunst wandte und ein Paar Alchymisten in die Bastille setzte, um mit Hülfe von Schwefel, Zinn, Antimon und dem Zauberbuche der ^xooal^pse oliimiMs das ersehnte Metall ins Dasein zu rufen. Als es trotz vieler, kostspieliger Versuche nicht kommen wollte, wurden die Privatwohnungen der Künstler durchstöbert und hier zwar kein Gold, aber ganze Sammlungen von Giften vorgefunden. So Gicnzboten I. 1875. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/137>, abgerufen am 23.07.2024.