Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daß Herr Zt. verhaftet und nach der Bastille abgeführt werde. Seine Majestät
ertheilen dem Gouverneur die Weisung, ihn bis auf Weiteres unter seine
Obhut zu nehmen."*) Betraf der Haftbefehl eine hochgestellte Persönlichkeit,
so überbrachte ihn ein Commando Musketiere, wie in der Cäsarenzeit die
Centurionen Schwert oder Strick. Wenn es sich um einen Bürgerlichen han¬
delte, so erhielten etliche Polizeisergeanten einfach den Befehl, die Verhaftung
ohne Verzug und Aufsehen vorzunehmen. Bei Einbruch der Nacht erschienen
die Sbirren, und sobald das Stäbchen in der Hand des Commissärs, das
Symbol der königlichen Jurisdiction, die Schulter des Verhafteten berührt
hatte, gehörte sein Corpus dem König. Der Transport geschah im Wagen.
Sobald derselbe vor der ersten Schildwache der Bastille angelangt war, er¬
schallte das (Zui vivs und als Antwort Ordre ein roi. Ein Unterofficier
visirte den Verhaftungsbefehl und signalisirte nach der Hauptwache. Die
Mannschaft trat unters Gewehr, zwei Officiere nahmen den Gefangenen in
Empfang und überlieferten ihn an den Commandanten. Alle Gefangenen
zerfielen in zwei Klassen. Zur einen gehörten Alle, welche ohne Urtheils-
spruch und auf unbestimmte Dauer, meistens nur um gebessert oder einge-
schüchert zu werden, hinter Schloß und Riegel gehalten wurden. Alle Uebrigen
blieben ebenfalls je nach Gutdünken eingesperrt, wurden aber nach Verlauf
einiger Zeit gewöhnlich vor die Schranken des Parlaments oder einer auf
allerhöchste Ordre besonders eingesetzten Commission gestellt. War erst das
"Schuldig" ausgesprochen, so geschah von dem Augenblicke an die Procedur
nicht mehr im Namen des Königs, sondern des betreffenden Collegiums.
Und dabei galt der eigenthümliche Brauch, wenn der Delinquent wegen noch
so vieler Einzelvergehen belangt war, in dem Straferkenntniß nur einen ein¬
zigen Anklagepunkt namhaft zu machen. Natürlich machte das in vielen
Fällen den irrthümlichen Eindruck übermäßiger Strenge, während der Zweck
Vertuschung und Fälschung des jährlichen Facit der Criminalstatistik war.
Der Vollziehung der Todesstrafe ging noch die Tortur voraus, die leichtere
bestand in dem bekannten spanischen Stiefel; weit furchtbarer soll die soge¬
nannte Wasserprobe gewesen sein. Der Unglückliche wurde wagerecht auf
eine hölzerne Pritsche gestreckt. Der Folterknecht schüttete dann portionen¬
weise und allmählich sechs bis acht Schoppen Wassers durch einen in den
Mund gefügten Trichter, wodurch die inneren Organe unter furchtbaren Qualen
auseinander getrieben wurden. Nur um einem etwaigen tödtlichen Ausgange
dieser scheußlichen Procedur vorzubeugen, hatten zwei Aerzte derselben beizu¬
wohnen. Sobald die Henkersarbeit vollzogen war, legte man den Gefangenen



-) "II est orSoimü ü' arröter Is Siour un tel et as Jo vo-Miro " I" bsstUlv. LoMat
sa ni-^eslü M s'nuvLi'llvur av Jo g-u-am- .ju^u' ?>> nouvol oräro."

daß Herr Zt. verhaftet und nach der Bastille abgeführt werde. Seine Majestät
ertheilen dem Gouverneur die Weisung, ihn bis auf Weiteres unter seine
Obhut zu nehmen."*) Betraf der Haftbefehl eine hochgestellte Persönlichkeit,
so überbrachte ihn ein Commando Musketiere, wie in der Cäsarenzeit die
Centurionen Schwert oder Strick. Wenn es sich um einen Bürgerlichen han¬
delte, so erhielten etliche Polizeisergeanten einfach den Befehl, die Verhaftung
ohne Verzug und Aufsehen vorzunehmen. Bei Einbruch der Nacht erschienen
die Sbirren, und sobald das Stäbchen in der Hand des Commissärs, das
Symbol der königlichen Jurisdiction, die Schulter des Verhafteten berührt
hatte, gehörte sein Corpus dem König. Der Transport geschah im Wagen.
Sobald derselbe vor der ersten Schildwache der Bastille angelangt war, er¬
schallte das (Zui vivs und als Antwort Ordre ein roi. Ein Unterofficier
visirte den Verhaftungsbefehl und signalisirte nach der Hauptwache. Die
Mannschaft trat unters Gewehr, zwei Officiere nahmen den Gefangenen in
Empfang und überlieferten ihn an den Commandanten. Alle Gefangenen
zerfielen in zwei Klassen. Zur einen gehörten Alle, welche ohne Urtheils-
spruch und auf unbestimmte Dauer, meistens nur um gebessert oder einge-
schüchert zu werden, hinter Schloß und Riegel gehalten wurden. Alle Uebrigen
blieben ebenfalls je nach Gutdünken eingesperrt, wurden aber nach Verlauf
einiger Zeit gewöhnlich vor die Schranken des Parlaments oder einer auf
allerhöchste Ordre besonders eingesetzten Commission gestellt. War erst das
„Schuldig" ausgesprochen, so geschah von dem Augenblicke an die Procedur
nicht mehr im Namen des Königs, sondern des betreffenden Collegiums.
Und dabei galt der eigenthümliche Brauch, wenn der Delinquent wegen noch
so vieler Einzelvergehen belangt war, in dem Straferkenntniß nur einen ein¬
zigen Anklagepunkt namhaft zu machen. Natürlich machte das in vielen
Fällen den irrthümlichen Eindruck übermäßiger Strenge, während der Zweck
Vertuschung und Fälschung des jährlichen Facit der Criminalstatistik war.
Der Vollziehung der Todesstrafe ging noch die Tortur voraus, die leichtere
bestand in dem bekannten spanischen Stiefel; weit furchtbarer soll die soge¬
nannte Wasserprobe gewesen sein. Der Unglückliche wurde wagerecht auf
eine hölzerne Pritsche gestreckt. Der Folterknecht schüttete dann portionen¬
weise und allmählich sechs bis acht Schoppen Wassers durch einen in den
Mund gefügten Trichter, wodurch die inneren Organe unter furchtbaren Qualen
auseinander getrieben wurden. Nur um einem etwaigen tödtlichen Ausgange
dieser scheußlichen Procedur vorzubeugen, hatten zwei Aerzte derselben beizu¬
wohnen. Sobald die Henkersarbeit vollzogen war, legte man den Gefangenen



-) „II est orSoimü ü' arröter Is Siour un tel et as Jo vo-Miro » I» bsstUlv. LoMat
sa ni-^eslü M s'nuvLi'llvur av Jo g-u-am- .ju^u' ?>> nouvol oräro."
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132891"/>
          <p xml:id="ID_467" prev="#ID_466" next="#ID_468"> daß Herr Zt. verhaftet und nach der Bastille abgeführt werde. Seine Majestät<lb/>
ertheilen dem Gouverneur die Weisung, ihn bis auf Weiteres unter seine<lb/>
Obhut zu nehmen."*) Betraf der Haftbefehl eine hochgestellte Persönlichkeit,<lb/>
so überbrachte ihn ein Commando Musketiere, wie in der Cäsarenzeit die<lb/>
Centurionen Schwert oder Strick. Wenn es sich um einen Bürgerlichen han¬<lb/>
delte, so erhielten etliche Polizeisergeanten einfach den Befehl, die Verhaftung<lb/>
ohne Verzug und Aufsehen vorzunehmen. Bei Einbruch der Nacht erschienen<lb/>
die Sbirren, und sobald das Stäbchen in der Hand des Commissärs, das<lb/>
Symbol der königlichen Jurisdiction, die Schulter des Verhafteten berührt<lb/>
hatte, gehörte sein Corpus dem König. Der Transport geschah im Wagen.<lb/>
Sobald derselbe vor der ersten Schildwache der Bastille angelangt war, er¬<lb/>
schallte das (Zui vivs und als Antwort Ordre ein roi. Ein Unterofficier<lb/>
visirte den Verhaftungsbefehl und signalisirte nach der Hauptwache. Die<lb/>
Mannschaft trat unters Gewehr, zwei Officiere nahmen den Gefangenen in<lb/>
Empfang und überlieferten ihn an den Commandanten. Alle Gefangenen<lb/>
zerfielen in zwei Klassen. Zur einen gehörten Alle, welche ohne Urtheils-<lb/>
spruch und auf unbestimmte Dauer, meistens nur um gebessert oder einge-<lb/>
schüchert zu werden, hinter Schloß und Riegel gehalten wurden. Alle Uebrigen<lb/>
blieben ebenfalls je nach Gutdünken eingesperrt, wurden aber nach Verlauf<lb/>
einiger Zeit gewöhnlich vor die Schranken des Parlaments oder einer auf<lb/>
allerhöchste Ordre besonders eingesetzten Commission gestellt. War erst das<lb/>
&#x201E;Schuldig" ausgesprochen, so geschah von dem Augenblicke an die Procedur<lb/>
nicht mehr im Namen des Königs, sondern des betreffenden Collegiums.<lb/>
Und dabei galt der eigenthümliche Brauch, wenn der Delinquent wegen noch<lb/>
so vieler Einzelvergehen belangt war, in dem Straferkenntniß nur einen ein¬<lb/>
zigen Anklagepunkt namhaft zu machen. Natürlich machte das in vielen<lb/>
Fällen den irrthümlichen Eindruck übermäßiger Strenge, während der Zweck<lb/>
Vertuschung und Fälschung des jährlichen Facit der Criminalstatistik war.<lb/>
Der Vollziehung der Todesstrafe ging noch die Tortur voraus, die leichtere<lb/>
bestand in dem bekannten spanischen Stiefel; weit furchtbarer soll die soge¬<lb/>
nannte Wasserprobe gewesen sein. Der Unglückliche wurde wagerecht auf<lb/>
eine hölzerne Pritsche gestreckt. Der Folterknecht schüttete dann portionen¬<lb/>
weise und allmählich sechs bis acht Schoppen Wassers durch einen in den<lb/>
Mund gefügten Trichter, wodurch die inneren Organe unter furchtbaren Qualen<lb/>
auseinander getrieben wurden. Nur um einem etwaigen tödtlichen Ausgange<lb/>
dieser scheußlichen Procedur vorzubeugen, hatten zwei Aerzte derselben beizu¬<lb/>
wohnen.  Sobald die Henkersarbeit vollzogen war, legte man den Gefangenen</p><lb/>
          <note xml:id="FID_25" place="foot"> -) &#x201E;II est orSoimü ü' arröter Is Siour un tel et as Jo vo-Miro » I» bsstUlv. LoMat<lb/>
sa ni-^eslü M s'nuvLi'llvur av Jo g-u-am- .ju^u' ?&gt;&gt; nouvol oräro."</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] daß Herr Zt. verhaftet und nach der Bastille abgeführt werde. Seine Majestät ertheilen dem Gouverneur die Weisung, ihn bis auf Weiteres unter seine Obhut zu nehmen."*) Betraf der Haftbefehl eine hochgestellte Persönlichkeit, so überbrachte ihn ein Commando Musketiere, wie in der Cäsarenzeit die Centurionen Schwert oder Strick. Wenn es sich um einen Bürgerlichen han¬ delte, so erhielten etliche Polizeisergeanten einfach den Befehl, die Verhaftung ohne Verzug und Aufsehen vorzunehmen. Bei Einbruch der Nacht erschienen die Sbirren, und sobald das Stäbchen in der Hand des Commissärs, das Symbol der königlichen Jurisdiction, die Schulter des Verhafteten berührt hatte, gehörte sein Corpus dem König. Der Transport geschah im Wagen. Sobald derselbe vor der ersten Schildwache der Bastille angelangt war, er¬ schallte das (Zui vivs und als Antwort Ordre ein roi. Ein Unterofficier visirte den Verhaftungsbefehl und signalisirte nach der Hauptwache. Die Mannschaft trat unters Gewehr, zwei Officiere nahmen den Gefangenen in Empfang und überlieferten ihn an den Commandanten. Alle Gefangenen zerfielen in zwei Klassen. Zur einen gehörten Alle, welche ohne Urtheils- spruch und auf unbestimmte Dauer, meistens nur um gebessert oder einge- schüchert zu werden, hinter Schloß und Riegel gehalten wurden. Alle Uebrigen blieben ebenfalls je nach Gutdünken eingesperrt, wurden aber nach Verlauf einiger Zeit gewöhnlich vor die Schranken des Parlaments oder einer auf allerhöchste Ordre besonders eingesetzten Commission gestellt. War erst das „Schuldig" ausgesprochen, so geschah von dem Augenblicke an die Procedur nicht mehr im Namen des Königs, sondern des betreffenden Collegiums. Und dabei galt der eigenthümliche Brauch, wenn der Delinquent wegen noch so vieler Einzelvergehen belangt war, in dem Straferkenntniß nur einen ein¬ zigen Anklagepunkt namhaft zu machen. Natürlich machte das in vielen Fällen den irrthümlichen Eindruck übermäßiger Strenge, während der Zweck Vertuschung und Fälschung des jährlichen Facit der Criminalstatistik war. Der Vollziehung der Todesstrafe ging noch die Tortur voraus, die leichtere bestand in dem bekannten spanischen Stiefel; weit furchtbarer soll die soge¬ nannte Wasserprobe gewesen sein. Der Unglückliche wurde wagerecht auf eine hölzerne Pritsche gestreckt. Der Folterknecht schüttete dann portionen¬ weise und allmählich sechs bis acht Schoppen Wassers durch einen in den Mund gefügten Trichter, wodurch die inneren Organe unter furchtbaren Qualen auseinander getrieben wurden. Nur um einem etwaigen tödtlichen Ausgange dieser scheußlichen Procedur vorzubeugen, hatten zwei Aerzte derselben beizu¬ wohnen. Sobald die Henkersarbeit vollzogen war, legte man den Gefangenen -) „II est orSoimü ü' arröter Is Siour un tel et as Jo vo-Miro » I» bsstUlv. LoMat sa ni-^eslü M s'nuvLi'llvur av Jo g-u-am- .ju^u' ?>> nouvol oräro."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/131
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/131>, abgerufen am 23.07.2024.