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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Aus der JaWe,

Als die Thore der alten Zwingburg des französischen Königthums im
Faubourg Se. Antoine durch den wüthenden Anprall der Pariser Pöbelhaufen
gesprengt waren, wurden die seit Jahrhunderten aufgespeicherten Actenmassen
des Gefängnißarchivs während der Durchstöberung der inneren Räume unter¬
schiedslos auf den Hof geschleudert. Dort blieben sie Wind und Wetter und
tausend Zufälligkeiten ausgesetzt so lange liegen, bis sie eine Zufluchtsstätte
im Kloster Se. Germain des Pre's und noch später im alten Arsenalgebäude
fanden. Die" sowohl für die Sitten- wie auch für die politische Geschichte
der Zeit wichtigen und interessanten Urkunden haben da seit der Revolution
bis zum Jahre 1840 unbeachtet im Staube der Vergessenheit gelegen. Dann
erst wurden sie von dem gelehrten Archivar Ravaisson gewissermaßen neu ent¬
deckt, mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gesichtet, historisch geordnet
und nach langjähriger Arbeit mit Genehmigung der Staatsregierung dem
Drucke übergeben. Die jetzt vorliegenden sechs Bände umfassen die mit aus¬
führlichen Einleitungen und Erläuterungen oder eigentlich geschichtlichen Ab¬
handlungen versehenen Texte von 1659 bis 1681, sowie die nicht minder
interessanten, gleichzeitig wieder aufgefundenen Acten der Pariser Polizei von
Colbert bis zum Jahre 1774; sie werden unter den gediegensten Quellen¬
arbeiten der französischen Geschichtsschreibung stets einen ehrenvollen Platz
behaupten.

Unter der Regierung des weltklugen und diplomatischen Karl V.,
der den aufstrebenden Freiheitssinn so trefflich zu bemeistern und dennoch
Bürger und Adel an sich zu fesseln verstand, wurde im Jahre 1369 der
Grundstein zu der Feste gelegt, die nicht bloß gegen den äußern Feind als
Bollwerk dienen sollte. Denn kaum war der Bau vollendet, als auch schon
der Verwalter der königlichen Finanzen, der ihn geleitet hatte, Hugues Aubriot.
als erster unfreiwilliger Jnsasse und wahrscheinlich nicht ohne guten Grund
hineinwandern mußte. Indessen wurde die Bastille damals in erster Linie
als Befestigungswerk angesehen. Ein Jahrhundert später legte das königliche
Scheusal Louis XI. hier seine berüchtigten Menschenkäfige an, und noch später
unter der Liga mußte einmal das Richtercollegium des Pariser Parlaments


Grenzboten l. 1875. 16
Aus der JaWe,

Als die Thore der alten Zwingburg des französischen Königthums im
Faubourg Se. Antoine durch den wüthenden Anprall der Pariser Pöbelhaufen
gesprengt waren, wurden die seit Jahrhunderten aufgespeicherten Actenmassen
des Gefängnißarchivs während der Durchstöberung der inneren Räume unter¬
schiedslos auf den Hof geschleudert. Dort blieben sie Wind und Wetter und
tausend Zufälligkeiten ausgesetzt so lange liegen, bis sie eine Zufluchtsstätte
im Kloster Se. Germain des Pre's und noch später im alten Arsenalgebäude
fanden. Die" sowohl für die Sitten- wie auch für die politische Geschichte
der Zeit wichtigen und interessanten Urkunden haben da seit der Revolution
bis zum Jahre 1840 unbeachtet im Staube der Vergessenheit gelegen. Dann
erst wurden sie von dem gelehrten Archivar Ravaisson gewissermaßen neu ent¬
deckt, mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gesichtet, historisch geordnet
und nach langjähriger Arbeit mit Genehmigung der Staatsregierung dem
Drucke übergeben. Die jetzt vorliegenden sechs Bände umfassen die mit aus¬
führlichen Einleitungen und Erläuterungen oder eigentlich geschichtlichen Ab¬
handlungen versehenen Texte von 1659 bis 1681, sowie die nicht minder
interessanten, gleichzeitig wieder aufgefundenen Acten der Pariser Polizei von
Colbert bis zum Jahre 1774; sie werden unter den gediegensten Quellen¬
arbeiten der französischen Geschichtsschreibung stets einen ehrenvollen Platz
behaupten.

Unter der Regierung des weltklugen und diplomatischen Karl V.,
der den aufstrebenden Freiheitssinn so trefflich zu bemeistern und dennoch
Bürger und Adel an sich zu fesseln verstand, wurde im Jahre 1369 der
Grundstein zu der Feste gelegt, die nicht bloß gegen den äußern Feind als
Bollwerk dienen sollte. Denn kaum war der Bau vollendet, als auch schon
der Verwalter der königlichen Finanzen, der ihn geleitet hatte, Hugues Aubriot.
als erster unfreiwilliger Jnsasse und wahrscheinlich nicht ohne guten Grund
hineinwandern mußte. Indessen wurde die Bastille damals in erster Linie
als Befestigungswerk angesehen. Ein Jahrhundert später legte das königliche
Scheusal Louis XI. hier seine berüchtigten Menschenkäfige an, und noch später
unter der Liga mußte einmal das Richtercollegium des Pariser Parlaments


Grenzboten l. 1875. 16
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[0129] Aus der JaWe, Als die Thore der alten Zwingburg des französischen Königthums im Faubourg Se. Antoine durch den wüthenden Anprall der Pariser Pöbelhaufen gesprengt waren, wurden die seit Jahrhunderten aufgespeicherten Actenmassen des Gefängnißarchivs während der Durchstöberung der inneren Räume unter¬ schiedslos auf den Hof geschleudert. Dort blieben sie Wind und Wetter und tausend Zufälligkeiten ausgesetzt so lange liegen, bis sie eine Zufluchtsstätte im Kloster Se. Germain des Pre's und noch später im alten Arsenalgebäude fanden. Die" sowohl für die Sitten- wie auch für die politische Geschichte der Zeit wichtigen und interessanten Urkunden haben da seit der Revolution bis zum Jahre 1840 unbeachtet im Staube der Vergessenheit gelegen. Dann erst wurden sie von dem gelehrten Archivar Ravaisson gewissermaßen neu ent¬ deckt, mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gesichtet, historisch geordnet und nach langjähriger Arbeit mit Genehmigung der Staatsregierung dem Drucke übergeben. Die jetzt vorliegenden sechs Bände umfassen die mit aus¬ führlichen Einleitungen und Erläuterungen oder eigentlich geschichtlichen Ab¬ handlungen versehenen Texte von 1659 bis 1681, sowie die nicht minder interessanten, gleichzeitig wieder aufgefundenen Acten der Pariser Polizei von Colbert bis zum Jahre 1774; sie werden unter den gediegensten Quellen¬ arbeiten der französischen Geschichtsschreibung stets einen ehrenvollen Platz behaupten. Unter der Regierung des weltklugen und diplomatischen Karl V., der den aufstrebenden Freiheitssinn so trefflich zu bemeistern und dennoch Bürger und Adel an sich zu fesseln verstand, wurde im Jahre 1369 der Grundstein zu der Feste gelegt, die nicht bloß gegen den äußern Feind als Bollwerk dienen sollte. Denn kaum war der Bau vollendet, als auch schon der Verwalter der königlichen Finanzen, der ihn geleitet hatte, Hugues Aubriot. als erster unfreiwilliger Jnsasse und wahrscheinlich nicht ohne guten Grund hineinwandern mußte. Indessen wurde die Bastille damals in erster Linie als Befestigungswerk angesehen. Ein Jahrhundert später legte das königliche Scheusal Louis XI. hier seine berüchtigten Menschenkäfige an, und noch später unter der Liga mußte einmal das Richtercollegium des Pariser Parlaments Grenzboten l. 1875. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/129>, abgerufen am 01.07.2024.