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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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einen großen breiten Perron, von dem erst, die zwischen den Gleisen liegenden
Zungenperrons auslaufen; bei kleinen Zwischenstationen direct den neben dem
Gleis liegenden Einsteigeperron. Diese letzteren sowohl als auch die Zungen¬
perrons sind derartig abgesperrt, daß Niemand ohne Billet dieselben betreten
darf, liegt die Billetexpedition, wie bei der unterirdischen Eisenbahn um ein
Stockwerk höher wie die Gleise, so erfolgt die Absperrung schon oben an den
Treppen, die nach den Perrons führen. Die Billets werden nun bei jenen
Absperrungsbarrieren revidirt und eoupirt, so daß jeder, der etwa einen fal¬
schen Perron betreten wollte, sofort von dem Billetcontroleur auf seinen Irr¬
thum aufmerksam gemacht wird, also auch niemals in einen unrichtigen Zug
gelangen kann. Allerdings gehört eine gewisse Bekanntschaft mit den ört¬
lichen Verhältnissen dazu, um sich möglichst schnell zurecht zu finden, für den
ganz Fremden sind die Einrichtungen nicht gemacht, er erhält auch auf seine
Fragen wenig Antworten, da nicht jene Fülle von Portiers und sonstigen
Beamten auf den Stationen zu finden ist, welche der continentale Reisende
gewohnt ist. Wenn man aber nur geringe Lokalkenntniß sich erworben hat
-- und diese zu erwerben ist überall nicht schwer, besonders wenn man die
Stadtbahnen häufig benutzt -- so kann man sich sehr leicht zurechtfinden und
man wird schließlich auch ohne diese in der Regel an und in den gewünschten
Zug gelangen, wenn man ohne viel zu fragen, dreist aufs gerade wohl zu¬
geht; geht man fehl, so wird man schon zurecht gewiesen werden, weil man
ja mit seinem Billet nur einen bestimmten Perron betreten darf.

Ein Aufenthalt in den Wartezimmern, -- Wartesäle kennt man
in England nicht -- findet nicht statt, da Jeder erst unmittelbar vor Abgang
des Zuges auf die Station geht. Zeit ist ja Geld, also wozu auch unnö¬
thigen Aufenthalt? So genügen denn auch überall ganz schmucklose einfache
Zimmer, um nicht zu sagen Stübchen, für die geringe Anzahl von Reisenden,
welche sich von den Sitten der Landesbewohner emancipiren wollen. Wenn der
Raum zu mehreren Wartezimmern für Herren und Damen und die verschie¬
denen Classen nicht ausreicht, fo ist doch mindestens ein derartiger Raum
vorhanden, der dann aber in der Regel nur für Damen bestimmt ist. Der
Engländer zeigt hier wie überall seine große Zuvorkommenheit gegen das
weibliche Geschlecht.

Vom Perron aus steigt der Reisende ohne irgend welche Hülfe seitens
der Schaffner in den bereitstehenden Zug, der Zug setzt sich in Bewegung
und an der betreffenden Station, deren Name auf den Laternen und an
großen Tafeln deutlich zu lesen ist, auch von den Schaffnern laut und häufig
gerufen wird, verläßt der Fahrgast auch wieder den Zug ohne Unterstützung
von Beamten; man öffnet und schließt die Thüren selbst, eilt vom Perron
mit möglichster Schnelligkeit auf die Straße und hier wird beim Verlassen des


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einen großen breiten Perron, von dem erst, die zwischen den Gleisen liegenden
Zungenperrons auslaufen; bei kleinen Zwischenstationen direct den neben dem
Gleis liegenden Einsteigeperron. Diese letzteren sowohl als auch die Zungen¬
perrons sind derartig abgesperrt, daß Niemand ohne Billet dieselben betreten
darf, liegt die Billetexpedition, wie bei der unterirdischen Eisenbahn um ein
Stockwerk höher wie die Gleise, so erfolgt die Absperrung schon oben an den
Treppen, die nach den Perrons führen. Die Billets werden nun bei jenen
Absperrungsbarrieren revidirt und eoupirt, so daß jeder, der etwa einen fal¬
schen Perron betreten wollte, sofort von dem Billetcontroleur auf seinen Irr¬
thum aufmerksam gemacht wird, also auch niemals in einen unrichtigen Zug
gelangen kann. Allerdings gehört eine gewisse Bekanntschaft mit den ört¬
lichen Verhältnissen dazu, um sich möglichst schnell zurecht zu finden, für den
ganz Fremden sind die Einrichtungen nicht gemacht, er erhält auch auf seine
Fragen wenig Antworten, da nicht jene Fülle von Portiers und sonstigen
Beamten auf den Stationen zu finden ist, welche der continentale Reisende
gewohnt ist. Wenn man aber nur geringe Lokalkenntniß sich erworben hat
— und diese zu erwerben ist überall nicht schwer, besonders wenn man die
Stadtbahnen häufig benutzt — so kann man sich sehr leicht zurechtfinden und
man wird schließlich auch ohne diese in der Regel an und in den gewünschten
Zug gelangen, wenn man ohne viel zu fragen, dreist aufs gerade wohl zu¬
geht; geht man fehl, so wird man schon zurecht gewiesen werden, weil man
ja mit seinem Billet nur einen bestimmten Perron betreten darf.

Ein Aufenthalt in den Wartezimmern, — Wartesäle kennt man
in England nicht — findet nicht statt, da Jeder erst unmittelbar vor Abgang
des Zuges auf die Station geht. Zeit ist ja Geld, also wozu auch unnö¬
thigen Aufenthalt? So genügen denn auch überall ganz schmucklose einfache
Zimmer, um nicht zu sagen Stübchen, für die geringe Anzahl von Reisenden,
welche sich von den Sitten der Landesbewohner emancipiren wollen. Wenn der
Raum zu mehreren Wartezimmern für Herren und Damen und die verschie¬
denen Classen nicht ausreicht, fo ist doch mindestens ein derartiger Raum
vorhanden, der dann aber in der Regel nur für Damen bestimmt ist. Der
Engländer zeigt hier wie überall seine große Zuvorkommenheit gegen das
weibliche Geschlecht.

Vom Perron aus steigt der Reisende ohne irgend welche Hülfe seitens
der Schaffner in den bereitstehenden Zug, der Zug setzt sich in Bewegung
und an der betreffenden Station, deren Name auf den Laternen und an
großen Tafeln deutlich zu lesen ist, auch von den Schaffnern laut und häufig
gerufen wird, verläßt der Fahrgast auch wieder den Zug ohne Unterstützung
von Beamten; man öffnet und schließt die Thüren selbst, eilt vom Perron
mit möglichster Schnelligkeit auf die Straße und hier wird beim Verlassen des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/113>, abgerufen am 23.07.2024.