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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Mein Herr!

Ich weiß, daß man, um meine imperialistische Candidatur zu be¬
kämpfen, die Ihrer republikanischen gegenübersteht, in unserem Lande
wieder alle jene Verläumdungen und Lügen auszubreiten begonnen hat, welche
beweisen sollen, daß das Kaiserreich die Ursache all unsrer Niederlagen sei.
Deshalb halte ich es für meine Pflicht, Ihnen gegenüber kurz festzustellen:

1. daß nicht das Kaiserreich den Krieg gewollt hat.

2. daß nicht das Kaiserreich die Schuld trägt, wenn wir
nicht bereit waren.

3. daß man nicht das Kaiserreich fürder Verlust zweier
Provinzen und die außerordentlichen Summen, die uns der
Krieg gekostet, verantwortlich machen kann.

4. daß Sedan der edelste Akt des Lebens Napoleon's III. ist.

Ich habe die Ehre, Ihnen diese Notiz zu übersenden, indem ich Sie bitte,
dieselbe mit sorgfältigster Aufmersamkeit zu lesen. Wie Sie lesen werden,
bringe ich nicht Worte, sondern Thatsachen zum Beweis. Nun, ich fordere
Sie auf, die Wahrheit einer einzigen dieser Thatsachen zu bestreiten und biete
^sum in dieser Hinsicht eine Wette von 2S000 Franks gegen 260V0
Sous zum Besten der Armen des Cantons. Und nicht nur Ihnen,
Indern allen französischen Republikanern biete ich diese Wette. Empfangen
S'e, mein Herr, die Versicherung meiner Hochachtung.

Vague de la Fauconnerie.

Diesen offnen Brief -- die durchschossen gesetzten Worte sind im "Ordre"
'Alt Riesenlettern gedruckt -- hat der Verfasser folgende auch als Broschüre
sür die Wähler gedruckte Abhandlung beigefügt:

An meine Wähler!

Man hat gewagt, Euch zu sagen, daß das Kaiserreich den Krieg gewollt
habe. Ich antworte: das ist eine Lüge! Nein, das war nicht der Kaiser,
^um er hat sich von Drouyn de Lhuys, seinem alten Minister getrennt, weil
^ser den Krieg wollte. Das war nicht der Kaiser, denn einige Zeit, bevor
^ Krieg ausbrach, hat er Preußen eine gegenseitige Entwaffnung vorge-
Mcigen. Das war nicht der Kaiser; denn in seiner Rede an den Präsidenten
^ Gesetzgebenden Körpers hat er im Moment seines Abgangs zum Heer
^ge: .Mir haben Alles gethan, was von uns abhing, um den Krieg zu
^meiden, und ich kann sagen: es ist die gesammte Nation, welche in
'^em unwiderstehlichen Elan unseren Entschluß dictirt hat.

Anderseits braucht Ihr, um zu wissen, was in dieser Hinsicht die offene-
'che Meinung war. nur einen Blick auf die Zeitungen, selbst auf die dem
^erreich abgeneigtesten, zu werfen.

Die "Liberte" z. B. sagte: "Wir haben seit einigen Tagen nicht ab-


Grenzbottn IV. 1874. 8
Mein Herr!

Ich weiß, daß man, um meine imperialistische Candidatur zu be¬
kämpfen, die Ihrer republikanischen gegenübersteht, in unserem Lande
wieder alle jene Verläumdungen und Lügen auszubreiten begonnen hat, welche
beweisen sollen, daß das Kaiserreich die Ursache all unsrer Niederlagen sei.
Deshalb halte ich es für meine Pflicht, Ihnen gegenüber kurz festzustellen:

1. daß nicht das Kaiserreich den Krieg gewollt hat.

2. daß nicht das Kaiserreich die Schuld trägt, wenn wir
nicht bereit waren.

3. daß man nicht das Kaiserreich fürder Verlust zweier
Provinzen und die außerordentlichen Summen, die uns der
Krieg gekostet, verantwortlich machen kann.

4. daß Sedan der edelste Akt des Lebens Napoleon's III. ist.

Ich habe die Ehre, Ihnen diese Notiz zu übersenden, indem ich Sie bitte,
dieselbe mit sorgfältigster Aufmersamkeit zu lesen. Wie Sie lesen werden,
bringe ich nicht Worte, sondern Thatsachen zum Beweis. Nun, ich fordere
Sie auf, die Wahrheit einer einzigen dieser Thatsachen zu bestreiten und biete
^sum in dieser Hinsicht eine Wette von 2S000 Franks gegen 260V0
Sous zum Besten der Armen des Cantons. Und nicht nur Ihnen,
Indern allen französischen Republikanern biete ich diese Wette. Empfangen
S'e, mein Herr, die Versicherung meiner Hochachtung.

Vague de la Fauconnerie.

Diesen offnen Brief — die durchschossen gesetzten Worte sind im „Ordre"
'Alt Riesenlettern gedruckt — hat der Verfasser folgende auch als Broschüre
sür die Wähler gedruckte Abhandlung beigefügt:

An meine Wähler!

Man hat gewagt, Euch zu sagen, daß das Kaiserreich den Krieg gewollt
habe. Ich antworte: das ist eine Lüge! Nein, das war nicht der Kaiser,
^um er hat sich von Drouyn de Lhuys, seinem alten Minister getrennt, weil
^ser den Krieg wollte. Das war nicht der Kaiser, denn einige Zeit, bevor
^ Krieg ausbrach, hat er Preußen eine gegenseitige Entwaffnung vorge-
Mcigen. Das war nicht der Kaiser; denn in seiner Rede an den Präsidenten
^ Gesetzgebenden Körpers hat er im Moment seines Abgangs zum Heer
^ge: .Mir haben Alles gethan, was von uns abhing, um den Krieg zu
^meiden, und ich kann sagen: es ist die gesammte Nation, welche in
'^em unwiderstehlichen Elan unseren Entschluß dictirt hat.

Anderseits braucht Ihr, um zu wissen, was in dieser Hinsicht die offene-
'che Meinung war. nur einen Blick auf die Zeitungen, selbst auf die dem
^erreich abgeneigtesten, zu werfen.

Die „Liberte" z. B. sagte: „Wir haben seit einigen Tagen nicht ab-


Grenzbottn IV. 1874. 8
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[0061] Mein Herr! Ich weiß, daß man, um meine imperialistische Candidatur zu be¬ kämpfen, die Ihrer republikanischen gegenübersteht, in unserem Lande wieder alle jene Verläumdungen und Lügen auszubreiten begonnen hat, welche beweisen sollen, daß das Kaiserreich die Ursache all unsrer Niederlagen sei. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, Ihnen gegenüber kurz festzustellen: 1. daß nicht das Kaiserreich den Krieg gewollt hat. 2. daß nicht das Kaiserreich die Schuld trägt, wenn wir nicht bereit waren. 3. daß man nicht das Kaiserreich fürder Verlust zweier Provinzen und die außerordentlichen Summen, die uns der Krieg gekostet, verantwortlich machen kann. 4. daß Sedan der edelste Akt des Lebens Napoleon's III. ist. Ich habe die Ehre, Ihnen diese Notiz zu übersenden, indem ich Sie bitte, dieselbe mit sorgfältigster Aufmersamkeit zu lesen. Wie Sie lesen werden, bringe ich nicht Worte, sondern Thatsachen zum Beweis. Nun, ich fordere Sie auf, die Wahrheit einer einzigen dieser Thatsachen zu bestreiten und biete ^sum in dieser Hinsicht eine Wette von 2S000 Franks gegen 260V0 Sous zum Besten der Armen des Cantons. Und nicht nur Ihnen, Indern allen französischen Republikanern biete ich diese Wette. Empfangen S'e, mein Herr, die Versicherung meiner Hochachtung. Vague de la Fauconnerie. Diesen offnen Brief — die durchschossen gesetzten Worte sind im „Ordre" 'Alt Riesenlettern gedruckt — hat der Verfasser folgende auch als Broschüre sür die Wähler gedruckte Abhandlung beigefügt: An meine Wähler! Man hat gewagt, Euch zu sagen, daß das Kaiserreich den Krieg gewollt habe. Ich antworte: das ist eine Lüge! Nein, das war nicht der Kaiser, ^um er hat sich von Drouyn de Lhuys, seinem alten Minister getrennt, weil ^ser den Krieg wollte. Das war nicht der Kaiser, denn einige Zeit, bevor ^ Krieg ausbrach, hat er Preußen eine gegenseitige Entwaffnung vorge- Mcigen. Das war nicht der Kaiser; denn in seiner Rede an den Präsidenten ^ Gesetzgebenden Körpers hat er im Moment seines Abgangs zum Heer ^ge: .Mir haben Alles gethan, was von uns abhing, um den Krieg zu ^meiden, und ich kann sagen: es ist die gesammte Nation, welche in '^em unwiderstehlichen Elan unseren Entschluß dictirt hat. Anderseits braucht Ihr, um zu wissen, was in dieser Hinsicht die offene- 'che Meinung war. nur einen Blick auf die Zeitungen, selbst auf die dem ^erreich abgeneigtesten, zu werfen. Die „Liberte" z. B. sagte: „Wir haben seit einigen Tagen nicht ab- Grenzbottn IV. 1874. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/61>, abgerufen am 27.07.2024.