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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Feder, dies neue Staatswesen zu schildern, Lockelius, Rentsch und in
den nächsten Nachwirkungen dieser Regierung unter seinen beiden Nachfolgern
Gundling. Zwantzig. Abel und Mylius. Den großen Kurfürsten
hatte Leti, einer der italienischen Vielschreiber, sich neben seinen anderen
zahlreichen Geschichtsbüchern zum Gegenstand einer lebhaften und amüsanten
Schilderung gemacht; und der Kurfürst selbst hatte einen der ersten europäi.
schen Gelehrten Pufendorf herbeigerufen, Herold seiner Thaten zu werden.
Das kurfürstliche Staatsarchiv stand Pufendorf offen; er benutzte mit großem
Geschick und mit politischem Verständniß die geheimsten Papiere der Regie¬
rung, -- ein merkwürdiges Beispiel von richtiger Erkenntniß der Bedeutung
und des Nutzens archivalischer Forschung, mit dem unser Vaterland damals
Andern die Wege gewiesen !

Unter unsern preußischen Historikern ist mit besonderem Nachdruck unser
größter König und Staatsmann zu nennen, König Friedrich der Große.
Er hat bekanntlich nicht allein die Geschichte seines Lebens und seiner Regie¬
rung verfaßt, sondern auch eine Skizze der vorhergehenden Geschichte des
Landes und des Fürstenhauses geliefert, ein kleines aber bedeutendes Buch,
voll der genialsten historischen Blicke, gesättigt und getränkt von dem histo¬
risch-politischen Urtheil eines der gewaltigsten und originalsten politischen
Genies. Der König, der wie keiner die Leistungen und Fähigkeiten und Auf¬
gaben seines Volkes zu ermessen und zu leiten verstand, kritisirte in scharf
pointirter Sätzen Thun und Lassen, Tugenden und Fehler seiner Vorgänger:
beim Studium preußischer Geschichte wird man heute noch diese Urtheile zu
erwägen und zu berücksichtigen haben.

Während der Regierung dieses Königs wurde das Königreich Preußen
europäische Großmacht; es lohnte sich immer mehr seiner Geschichte nachzu¬
gehen. Der Hallenser Professor Pauli hat damals ein umfangreiches Werk
aus gewissenhaften Studien verfaßt; von Band zu Band wächst mit dem Auf¬
schwung der großen Ereignisse und Thaten des siebenjährigen Krieges Kraft
und Muth des preußischen Historikers: wir können heute immer noch die acht
Quartanten von Pauli nicht entbehren. Um Pauli gruppiren sich, ihn ergän¬
zend und ausführend, die Arbeiren und Studien von Buchholz, Gallus,
Thile, Wöhner, Fischbach, Hering, Baczko u. A.: eine Anzahl von
Monographien ist damals entstanden, ohne deren Hülfe auch heute noch
Niemandem -- leider! --- gerathen werden könnte, preußische Geschichte zu
treiben!

Am Ausgang des vorigen und Eingang dieses Jahrhunderts hat sich der
Geister in ganz Europa eine neue politische Tendenz und Auffassung benach'
ligt: wie sie das öffentliche Leben in allen Culturländern zu beherrschen und
allmälig umzuwandeln sich bestrebte, so drang sie auch in die politischen und


Feder, dies neue Staatswesen zu schildern, Lockelius, Rentsch und in
den nächsten Nachwirkungen dieser Regierung unter seinen beiden Nachfolgern
Gundling. Zwantzig. Abel und Mylius. Den großen Kurfürsten
hatte Leti, einer der italienischen Vielschreiber, sich neben seinen anderen
zahlreichen Geschichtsbüchern zum Gegenstand einer lebhaften und amüsanten
Schilderung gemacht; und der Kurfürst selbst hatte einen der ersten europäi.
schen Gelehrten Pufendorf herbeigerufen, Herold seiner Thaten zu werden.
Das kurfürstliche Staatsarchiv stand Pufendorf offen; er benutzte mit großem
Geschick und mit politischem Verständniß die geheimsten Papiere der Regie¬
rung, — ein merkwürdiges Beispiel von richtiger Erkenntniß der Bedeutung
und des Nutzens archivalischer Forschung, mit dem unser Vaterland damals
Andern die Wege gewiesen !

Unter unsern preußischen Historikern ist mit besonderem Nachdruck unser
größter König und Staatsmann zu nennen, König Friedrich der Große.
Er hat bekanntlich nicht allein die Geschichte seines Lebens und seiner Regie¬
rung verfaßt, sondern auch eine Skizze der vorhergehenden Geschichte des
Landes und des Fürstenhauses geliefert, ein kleines aber bedeutendes Buch,
voll der genialsten historischen Blicke, gesättigt und getränkt von dem histo¬
risch-politischen Urtheil eines der gewaltigsten und originalsten politischen
Genies. Der König, der wie keiner die Leistungen und Fähigkeiten und Auf¬
gaben seines Volkes zu ermessen und zu leiten verstand, kritisirte in scharf
pointirter Sätzen Thun und Lassen, Tugenden und Fehler seiner Vorgänger:
beim Studium preußischer Geschichte wird man heute noch diese Urtheile zu
erwägen und zu berücksichtigen haben.

Während der Regierung dieses Königs wurde das Königreich Preußen
europäische Großmacht; es lohnte sich immer mehr seiner Geschichte nachzu¬
gehen. Der Hallenser Professor Pauli hat damals ein umfangreiches Werk
aus gewissenhaften Studien verfaßt; von Band zu Band wächst mit dem Auf¬
schwung der großen Ereignisse und Thaten des siebenjährigen Krieges Kraft
und Muth des preußischen Historikers: wir können heute immer noch die acht
Quartanten von Pauli nicht entbehren. Um Pauli gruppiren sich, ihn ergän¬
zend und ausführend, die Arbeiren und Studien von Buchholz, Gallus,
Thile, Wöhner, Fischbach, Hering, Baczko u. A.: eine Anzahl von
Monographien ist damals entstanden, ohne deren Hülfe auch heute noch
Niemandem — leider! —- gerathen werden könnte, preußische Geschichte zu
treiben!

Am Ausgang des vorigen und Eingang dieses Jahrhunderts hat sich der
Geister in ganz Europa eine neue politische Tendenz und Auffassung benach'
ligt: wie sie das öffentliche Leben in allen Culturländern zu beherrschen und
allmälig umzuwandeln sich bestrebte, so drang sie auch in die politischen und


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[0446] Feder, dies neue Staatswesen zu schildern, Lockelius, Rentsch und in den nächsten Nachwirkungen dieser Regierung unter seinen beiden Nachfolgern Gundling. Zwantzig. Abel und Mylius. Den großen Kurfürsten hatte Leti, einer der italienischen Vielschreiber, sich neben seinen anderen zahlreichen Geschichtsbüchern zum Gegenstand einer lebhaften und amüsanten Schilderung gemacht; und der Kurfürst selbst hatte einen der ersten europäi. schen Gelehrten Pufendorf herbeigerufen, Herold seiner Thaten zu werden. Das kurfürstliche Staatsarchiv stand Pufendorf offen; er benutzte mit großem Geschick und mit politischem Verständniß die geheimsten Papiere der Regie¬ rung, — ein merkwürdiges Beispiel von richtiger Erkenntniß der Bedeutung und des Nutzens archivalischer Forschung, mit dem unser Vaterland damals Andern die Wege gewiesen ! Unter unsern preußischen Historikern ist mit besonderem Nachdruck unser größter König und Staatsmann zu nennen, König Friedrich der Große. Er hat bekanntlich nicht allein die Geschichte seines Lebens und seiner Regie¬ rung verfaßt, sondern auch eine Skizze der vorhergehenden Geschichte des Landes und des Fürstenhauses geliefert, ein kleines aber bedeutendes Buch, voll der genialsten historischen Blicke, gesättigt und getränkt von dem histo¬ risch-politischen Urtheil eines der gewaltigsten und originalsten politischen Genies. Der König, der wie keiner die Leistungen und Fähigkeiten und Auf¬ gaben seines Volkes zu ermessen und zu leiten verstand, kritisirte in scharf pointirter Sätzen Thun und Lassen, Tugenden und Fehler seiner Vorgänger: beim Studium preußischer Geschichte wird man heute noch diese Urtheile zu erwägen und zu berücksichtigen haben. Während der Regierung dieses Königs wurde das Königreich Preußen europäische Großmacht; es lohnte sich immer mehr seiner Geschichte nachzu¬ gehen. Der Hallenser Professor Pauli hat damals ein umfangreiches Werk aus gewissenhaften Studien verfaßt; von Band zu Band wächst mit dem Auf¬ schwung der großen Ereignisse und Thaten des siebenjährigen Krieges Kraft und Muth des preußischen Historikers: wir können heute immer noch die acht Quartanten von Pauli nicht entbehren. Um Pauli gruppiren sich, ihn ergän¬ zend und ausführend, die Arbeiren und Studien von Buchholz, Gallus, Thile, Wöhner, Fischbach, Hering, Baczko u. A.: eine Anzahl von Monographien ist damals entstanden, ohne deren Hülfe auch heute noch Niemandem — leider! —- gerathen werden könnte, preußische Geschichte zu treiben! Am Ausgang des vorigen und Eingang dieses Jahrhunderts hat sich der Geister in ganz Europa eine neue politische Tendenz und Auffassung benach' ligt: wie sie das öffentliche Leben in allen Culturländern zu beherrschen und allmälig umzuwandeln sich bestrebte, so drang sie auch in die politischen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/446>, abgerufen am 27.07.2024.