Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.derselben Richtung hin sprachlich und stilistisch ganz besonders beanlagt. Von den Prachtwerken, welche dieses Jahr sich zur Bescheerung derselben Richtung hin sprachlich und stilistisch ganz besonders beanlagt. Von den Prachtwerken, welche dieses Jahr sich zur Bescheerung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132665"/> <p xml:id="ID_1289" prev="#ID_1288"> derselben Richtung hin sprachlich und stilistisch ganz besonders beanlagt.<lb/> Aber diese Bemerkung soll keineswegs etwa den Werth des Originals oder<lb/> dieser deutschen Ausgabe desselben herabsetzen. Der Deutsche, der in dänischer<lb/> Literatur zu Hause ist, wird es oft eigenthümlich empfunden haben, daß der<lb/> Däne eine Weichheit und Bewegung des Gefühls, der Naturschilderung, der<lb/> Charakteristik für die landesüblichen Bedürfnisse vorräthig hält, die wir bei<lb/> unsern männlichen Schriftstellern höchst selten antreffen und im Allgemeinen<lb/> nicht für absolut nothwendig ansehen, dagegen sehr anerkennenswert!) finden,<lb/> wenn sie aus Frauenfedern entflossen sind. Es ist das ein Beitrag zu dem<lb/> merkwürdigen Problem, daß die Völker, die im rauhesten Kampfe mit der<lb/> Natur ihr Dasein fristen müssen, Gebirgsbewohner und Jnselstämme u. s. w.,<lb/> den innigsten, weichsten Regungen des Herzens, der feinsten Beobachtung beson¬<lb/> ders zugänglich sind und ihr geistiges Leben darin besonders zu bethätigen lieben.<lb/> Für uns norddeutsche, die wir in dem Kampfe um unsere Existenz auch<lb/> keineswegs auf Rosen von Schiras gebettet sind, hat die dänische und skan¬<lb/> dinavische Poesie, solange sie uns erschlossen ist, immer besondere Anziehungs¬<lb/> kraft geübt, und auch diese Erzählungen von L. Butte verdienen unser vollstes<lb/> Interesse. Denn auch im Humor, in der freien germanischen Würdigung der<lb/> Individualität, des Menschen im Menschen, gleichviel welchem Stande der<lb/> Einzelne angehört, in dem schönen Bewußtsein der Pflicht, die Jeder an<lb/> seinem Theile gegen Andre und die große menschliche Gesellschaft zu üben<lb/> hat, in der er lebt, sind diese Erzählungen, trotz ihrer nördlicheren seeländischen<lb/> Herkunft doch ein treues Spiegelbild unserer Volksseele. Ja, in ihnen allen<lb/> ist die Anerziehung oder der Durchbruch dieses Bewußtseins der Kern der<lb/> „Moral", der Entwickelung und Verwickelung der kleinen Handlung, welche das<lb/> sinnige Gemüth des Verfassers uns abspinnt. Wir sind überzeugt, niemand wird<lb/> diese freundlichen herzlichen Geschichten ohne tiefen bleibenden Eindruck lesen.<lb/> Für den Weihnachtsabend eignen sie sich ganz besonders, da einige der besten<lb/> von ihnen die Weihnacht zur Peripetie ihrer Handlung auserkoren haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1290" next="#ID_1291"> Von den Prachtwerken, welche dieses Jahr sich zur Bescheerung<lb/> besonders empfehlen, sei in erster Linie der beiden schönen Erzeugnisse des<lb/> Verlags von Alphons Dürr gedacht: „Die schönsien deutschen Volks¬<lb/> lieder, gesammelt und herausgegeben von Georg Scherer, mit trefflichen<lb/> Holzschnitten nach Zeichnungen von Piloty, Ramberg, Ludw. Richter,<lb/> M. v. Schwind. Thumann u. A., einer illustrirten Prachtausgabe, die jedem<lb/> deutschen Hause zur Zierde gereicht, Jung und Alt eine Quelle wahrer,<lb/> lauterer Freude werden wird; und dann jene edle Ausgabe von Cornelius<lb/> Loggienbildern, facsimilirt gestochen nach den eigenhändigen Entwürfen<lb/> des Meisters zu den bekannten Fresken in der Münchner Pinakothek. Hier<lb/> an dieser Stelle soll auf das hochbedeutsame Werk nur verwiesen werden, um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
derselben Richtung hin sprachlich und stilistisch ganz besonders beanlagt.
Aber diese Bemerkung soll keineswegs etwa den Werth des Originals oder
dieser deutschen Ausgabe desselben herabsetzen. Der Deutsche, der in dänischer
Literatur zu Hause ist, wird es oft eigenthümlich empfunden haben, daß der
Däne eine Weichheit und Bewegung des Gefühls, der Naturschilderung, der
Charakteristik für die landesüblichen Bedürfnisse vorräthig hält, die wir bei
unsern männlichen Schriftstellern höchst selten antreffen und im Allgemeinen
nicht für absolut nothwendig ansehen, dagegen sehr anerkennenswert!) finden,
wenn sie aus Frauenfedern entflossen sind. Es ist das ein Beitrag zu dem
merkwürdigen Problem, daß die Völker, die im rauhesten Kampfe mit der
Natur ihr Dasein fristen müssen, Gebirgsbewohner und Jnselstämme u. s. w.,
den innigsten, weichsten Regungen des Herzens, der feinsten Beobachtung beson¬
ders zugänglich sind und ihr geistiges Leben darin besonders zu bethätigen lieben.
Für uns norddeutsche, die wir in dem Kampfe um unsere Existenz auch
keineswegs auf Rosen von Schiras gebettet sind, hat die dänische und skan¬
dinavische Poesie, solange sie uns erschlossen ist, immer besondere Anziehungs¬
kraft geübt, und auch diese Erzählungen von L. Butte verdienen unser vollstes
Interesse. Denn auch im Humor, in der freien germanischen Würdigung der
Individualität, des Menschen im Menschen, gleichviel welchem Stande der
Einzelne angehört, in dem schönen Bewußtsein der Pflicht, die Jeder an
seinem Theile gegen Andre und die große menschliche Gesellschaft zu üben
hat, in der er lebt, sind diese Erzählungen, trotz ihrer nördlicheren seeländischen
Herkunft doch ein treues Spiegelbild unserer Volksseele. Ja, in ihnen allen
ist die Anerziehung oder der Durchbruch dieses Bewußtseins der Kern der
„Moral", der Entwickelung und Verwickelung der kleinen Handlung, welche das
sinnige Gemüth des Verfassers uns abspinnt. Wir sind überzeugt, niemand wird
diese freundlichen herzlichen Geschichten ohne tiefen bleibenden Eindruck lesen.
Für den Weihnachtsabend eignen sie sich ganz besonders, da einige der besten
von ihnen die Weihnacht zur Peripetie ihrer Handlung auserkoren haben.
Von den Prachtwerken, welche dieses Jahr sich zur Bescheerung
besonders empfehlen, sei in erster Linie der beiden schönen Erzeugnisse des
Verlags von Alphons Dürr gedacht: „Die schönsien deutschen Volks¬
lieder, gesammelt und herausgegeben von Georg Scherer, mit trefflichen
Holzschnitten nach Zeichnungen von Piloty, Ramberg, Ludw. Richter,
M. v. Schwind. Thumann u. A., einer illustrirten Prachtausgabe, die jedem
deutschen Hause zur Zierde gereicht, Jung und Alt eine Quelle wahrer,
lauterer Freude werden wird; und dann jene edle Ausgabe von Cornelius
Loggienbildern, facsimilirt gestochen nach den eigenhändigen Entwürfen
des Meisters zu den bekannten Fresken in der Münchner Pinakothek. Hier
an dieser Stelle soll auf das hochbedeutsame Werk nur verwiesen werden, um
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