Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.Zutheilung der Speisen an den Gast sehr nachahmenswerth ist. Vor den Wohl in keinem Falle tritt der eben ausgesprochene Satz so offen zu Tage Man findet nirgends einen größern Contrast zwischen dem äußern und Grenzboten IV. 1874. L3
Zutheilung der Speisen an den Gast sehr nachahmenswerth ist. Vor den Wohl in keinem Falle tritt der eben ausgesprochene Satz so offen zu Tage Man findet nirgends einen größern Contrast zwischen dem äußern und Grenzboten IV. 1874. L3
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132643"/> <p xml:id="ID_1223" prev="#ID_1222"> Zutheilung der Speisen an den Gast sehr nachahmenswerth ist. Vor den<lb/> Augen eines jeden Gastes wird von dem großen schönen Braten, die auf<lb/> kleinen Rolltischchen durch die Speisesäle gefahren und in Metallgefäßen<lb/> wohl zugedeckt warm gehalten werden, durch die Zuschneider, ganz nach den<lb/> Wünschen der Speisenden der Teller mit saftigen Stücken belegt. Ebenso ge¬<lb/> schieht es mit den Gemüsen, die stets zum Braten gegessen werden, und der<lb/> Suppe, und wenn die beiden letztgenannten Gerichte auch zu den schwächsten<lb/> Seiten der Engländer gehören, so ändert das nichts an der Thatsache, daß<lb/> man überall in London sehr preiswürdig speist.. Die anscheinend hohen<lb/> Wirthschafts-Preise reduciren sich sofort, wenn man die Höhe sämmtlicher<lb/> Lebensmittelmarktpreise bedenkt. So kostet z. B. ein Pfund Rindfleisch 12—14<lb/> Sgr.; die Kartoffeln, en Zro» auf dem Bahnhof der Great Nothern Bahn,<lb/> dem Haupt-Kartoffelmarkte Londons, pro Tonne (20 Centner) 30 Thlr. und<lb/> mehr und da alle andern Preise, höchstens die für Fisch ausgenommen, in<lb/> demselben Verhältnisse höher sind als die deutschen. so erscheinen schließlich die<lb/> Preise der fertigen Speisen, die nicht wesentlich höher sind als z. B. die Ber¬<lb/> liner, besonders auch in Anbetracht der ausgezeichneten Qualität, eher niedrig<lb/> als hoch. Es zeigt sich auch hier wieder der echt germanische Zug, der über¬<lb/> all in England scharf ausgeprägt ist, während er leider in Deutschland-viel¬<lb/> fach durch den leidigen französischen Einfluß verdrängt wurde, daß der Kern<lb/> das wesentliche jeder Sache ist und Reellttät in jeder Hinsicht auch eines hohen<lb/> Preises werth ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1224"> Wohl in keinem Falle tritt der eben ausgesprochene Satz so offen zu Tage<lb/> als bei Betrachtung des nebst der Nahrung wichtigsten menschlichen Lebens¬<lb/> bedürfnisses, der Wohnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225" next="#ID_1226"> Man findet nirgends einen größern Contrast zwischen dem äußern und<lb/> innern Ansehen als bei englischen Wohnhäusern und zwar ist derselbe durch<lb/> folgende Umstände bedingt. Während auf dem Continent in den großen<lb/> Städten und vor allen in Berlin nicht nur ein Nebeneinander-, sonder vor<lb/> allen Dingen auch ein Ueberetnanderwohnen stattfindet, welches leider schon<lb/> mit dem Kellergeschoß beginnt und erst im Dachgeschoß sein Ende erreicht,<lb/> gehört es in London und andern englischen Städten zu den größten Selten¬<lb/> heiten, daß in einem Hause überhaupt mehr als eine Familie wohnt. Der<lb/> Engländer strebt danach, in seiner Wohnung möglichst nach Außen hin ganz<lb/> abgeschlossen und allein zu sein und aus diesem Streben entspringt nicht nur<lb/> die Einrichtung der Häuser selbst, sondern auch die Gestaltung ganzer Stadt¬<lb/> theile, ja sogar ganzer Städte. Ueberall da, wo der Verkehr den Werth<lb/> der Läden und Geschäftslokale und dadurch auch den Werth des Grund und<lb/> Bodens, der Häuser, in die Höhe treibt, nimmt die Zahl der Wohnungen<lb/> und der Bewohner in unverhältnißmäßiger Weise ab. Sobald ein Haus in</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1874. L3</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0421]
Zutheilung der Speisen an den Gast sehr nachahmenswerth ist. Vor den
Augen eines jeden Gastes wird von dem großen schönen Braten, die auf
kleinen Rolltischchen durch die Speisesäle gefahren und in Metallgefäßen
wohl zugedeckt warm gehalten werden, durch die Zuschneider, ganz nach den
Wünschen der Speisenden der Teller mit saftigen Stücken belegt. Ebenso ge¬
schieht es mit den Gemüsen, die stets zum Braten gegessen werden, und der
Suppe, und wenn die beiden letztgenannten Gerichte auch zu den schwächsten
Seiten der Engländer gehören, so ändert das nichts an der Thatsache, daß
man überall in London sehr preiswürdig speist.. Die anscheinend hohen
Wirthschafts-Preise reduciren sich sofort, wenn man die Höhe sämmtlicher
Lebensmittelmarktpreise bedenkt. So kostet z. B. ein Pfund Rindfleisch 12—14
Sgr.; die Kartoffeln, en Zro» auf dem Bahnhof der Great Nothern Bahn,
dem Haupt-Kartoffelmarkte Londons, pro Tonne (20 Centner) 30 Thlr. und
mehr und da alle andern Preise, höchstens die für Fisch ausgenommen, in
demselben Verhältnisse höher sind als die deutschen. so erscheinen schließlich die
Preise der fertigen Speisen, die nicht wesentlich höher sind als z. B. die Ber¬
liner, besonders auch in Anbetracht der ausgezeichneten Qualität, eher niedrig
als hoch. Es zeigt sich auch hier wieder der echt germanische Zug, der über¬
all in England scharf ausgeprägt ist, während er leider in Deutschland-viel¬
fach durch den leidigen französischen Einfluß verdrängt wurde, daß der Kern
das wesentliche jeder Sache ist und Reellttät in jeder Hinsicht auch eines hohen
Preises werth ist.
Wohl in keinem Falle tritt der eben ausgesprochene Satz so offen zu Tage
als bei Betrachtung des nebst der Nahrung wichtigsten menschlichen Lebens¬
bedürfnisses, der Wohnung.
Man findet nirgends einen größern Contrast zwischen dem äußern und
innern Ansehen als bei englischen Wohnhäusern und zwar ist derselbe durch
folgende Umstände bedingt. Während auf dem Continent in den großen
Städten und vor allen in Berlin nicht nur ein Nebeneinander-, sonder vor
allen Dingen auch ein Ueberetnanderwohnen stattfindet, welches leider schon
mit dem Kellergeschoß beginnt und erst im Dachgeschoß sein Ende erreicht,
gehört es in London und andern englischen Städten zu den größten Selten¬
heiten, daß in einem Hause überhaupt mehr als eine Familie wohnt. Der
Engländer strebt danach, in seiner Wohnung möglichst nach Außen hin ganz
abgeschlossen und allein zu sein und aus diesem Streben entspringt nicht nur
die Einrichtung der Häuser selbst, sondern auch die Gestaltung ganzer Stadt¬
theile, ja sogar ganzer Städte. Ueberall da, wo der Verkehr den Werth
der Läden und Geschäftslokale und dadurch auch den Werth des Grund und
Bodens, der Häuser, in die Höhe treibt, nimmt die Zahl der Wohnungen
und der Bewohner in unverhältnißmäßiger Weise ab. Sobald ein Haus in
Grenzboten IV. 1874. L3
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