Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.Nach endlosen Debatten brachte man endlich einen Entwurf zu Stande, Das also war das Ergebniß der Session in Betreff der Verfassungs¬ Wenn die Negierung den constitutionellen Fragen gegenüber sich stets Nach endlosen Debatten brachte man endlich einen Entwurf zu Stande, Das also war das Ergebniß der Session in Betreff der Verfassungs¬ Wenn die Negierung den constitutionellen Fragen gegenüber sich stets <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132636"/> <p xml:id="ID_1200"> Nach endlosen Debatten brachte man endlich einen Entwurf zu Stande,<lb/> der mancherlei Beschränkungen in Bezug auf Dauer des Wohnsitzes, Alter,<lb/> Jneompatibilät enthielt, die grade weit genug gingen, um den Entwurf un¬<lb/> populär zu machen, aber nicht weit genug, um sich von demselben einen gro¬<lb/> ßen Einfluß auf die Wahlen versprechen zu können. Aber unmittelbar nach<lb/> Einbringung der Vorlage wurde (24. März) ein Antrag angenommen, die<lb/> Sitzungen der Versammlung vom 28. März bis 12. Mai zu vertagen, wo¬<lb/> mit also auch die Beschlußfassung über das einzige Gesetz, welches die Com¬<lb/> mission zu Stande gebracht, bis ins Unabsehbare verschoben wurde. Zugleich<lb/> gelangte ein Antrag der Regierung zur Annahme, nach welchem die Wahlen<lb/> der Municipalrathe, die gesetzlich vor dem 30. April stattfinden mußten, bis<lb/> nach dem Zustandekommen des Wahlgesetzes vertagt wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1201"> Das also war das Ergebniß der Session in Betreff der Verfassungs¬<lb/> frage: ein mühsam zu Stande gebrachter Gesetzentwurf, dessen Schicksal noch<lb/> im hohen Grade zweifelhaft war, der Lösung der eigentlich constitutionellen<lb/> Fragen war man aber noch nicht um einen Schritt näher gekommen, ja man<lb/> begab sich mit der festen Ueberzeugung in die Ferien, daß man am Schlüsse<lb/> der nächsten Session noch auf derselben Stelle stehen werde, wie gegenwärtig.<lb/> Der Gedanke, im Laufe des Sommers die Entscheidung herbeizuführen, konnte<lb/> bereits am Schluß der Wintersession als aufgegeben gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1202" next="#ID_1203"> Wenn die Negierung den constitutionellen Fragen gegenüber sich stets<lb/> mit großer Zurückhaltung geäußert hatte, so war sie um so mehr bemüht,<lb/> zu zeigen, daß sie die Vollmachtsverlängerung als unwiderruflich ansetzn und<lb/> jeden Versuch, dieselbe in Frage zu stellen, als ein Attentat gegen den Na¬<lb/> tionalwillen zurückweisen und ahnden werde. Gleich bei Veröffentlichung des<lb/> Mairesgesetzes im Januar hatte Broglie ein Rundschreiben an die Präfekten<lb/> gerichtet, in welchem die verfassungsmäßige Reichsbeständigkeit des Septennats<lb/> nachdrücklich betont und die Präfekten angewiesen wurden, die Regierung<lb/> Mac Mahon's im Interesse der von ihr vertretenen moralischen Ordnung aufs<lb/> Entschiedenste zu unterstützen und bei der Bestätigung, resp. Entlassung der<lb/> bisher im Amte befindlichen Maires — durch das neue Gesetz waren die<lb/> Vollmachten sämmtlicher Maires erloschen — vorzüglich ihre Stellung dem<lb/> Septennat gegenüber ins Auge zu fassen. Die Republikaner waren mit diesem<lb/> Erlaß, wenngleich ihnen die in Aussicht gestellte Maßregelung aller repu¬<lb/> blikanischen Maires höchst anstößig war, doch, da er den Royalisten alle<lb/> Hoffnung abzuschneiden schien, nicht ganz unzufrieden, und beabsichtigten den<lb/> Herzog von Broglie durch eine Jnterpellation zu einer entschiedenen Erklärung<lb/> in ähnlichem Sinne von der Tribüne zu veranlassen. Die Jnterpellation wurde<lb/> indessen bis in den März hinein verschoben, und dann von Broglie in einer<lb/> halb ausweichenden Weise beantwortet, die Niemand ganz befriedigte, aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
Nach endlosen Debatten brachte man endlich einen Entwurf zu Stande,
der mancherlei Beschränkungen in Bezug auf Dauer des Wohnsitzes, Alter,
Jneompatibilät enthielt, die grade weit genug gingen, um den Entwurf un¬
populär zu machen, aber nicht weit genug, um sich von demselben einen gro¬
ßen Einfluß auf die Wahlen versprechen zu können. Aber unmittelbar nach
Einbringung der Vorlage wurde (24. März) ein Antrag angenommen, die
Sitzungen der Versammlung vom 28. März bis 12. Mai zu vertagen, wo¬
mit also auch die Beschlußfassung über das einzige Gesetz, welches die Com¬
mission zu Stande gebracht, bis ins Unabsehbare verschoben wurde. Zugleich
gelangte ein Antrag der Regierung zur Annahme, nach welchem die Wahlen
der Municipalrathe, die gesetzlich vor dem 30. April stattfinden mußten, bis
nach dem Zustandekommen des Wahlgesetzes vertagt wurden.
Das also war das Ergebniß der Session in Betreff der Verfassungs¬
frage: ein mühsam zu Stande gebrachter Gesetzentwurf, dessen Schicksal noch
im hohen Grade zweifelhaft war, der Lösung der eigentlich constitutionellen
Fragen war man aber noch nicht um einen Schritt näher gekommen, ja man
begab sich mit der festen Ueberzeugung in die Ferien, daß man am Schlüsse
der nächsten Session noch auf derselben Stelle stehen werde, wie gegenwärtig.
Der Gedanke, im Laufe des Sommers die Entscheidung herbeizuführen, konnte
bereits am Schluß der Wintersession als aufgegeben gelten.
Wenn die Negierung den constitutionellen Fragen gegenüber sich stets
mit großer Zurückhaltung geäußert hatte, so war sie um so mehr bemüht,
zu zeigen, daß sie die Vollmachtsverlängerung als unwiderruflich ansetzn und
jeden Versuch, dieselbe in Frage zu stellen, als ein Attentat gegen den Na¬
tionalwillen zurückweisen und ahnden werde. Gleich bei Veröffentlichung des
Mairesgesetzes im Januar hatte Broglie ein Rundschreiben an die Präfekten
gerichtet, in welchem die verfassungsmäßige Reichsbeständigkeit des Septennats
nachdrücklich betont und die Präfekten angewiesen wurden, die Regierung
Mac Mahon's im Interesse der von ihr vertretenen moralischen Ordnung aufs
Entschiedenste zu unterstützen und bei der Bestätigung, resp. Entlassung der
bisher im Amte befindlichen Maires — durch das neue Gesetz waren die
Vollmachten sämmtlicher Maires erloschen — vorzüglich ihre Stellung dem
Septennat gegenüber ins Auge zu fassen. Die Republikaner waren mit diesem
Erlaß, wenngleich ihnen die in Aussicht gestellte Maßregelung aller repu¬
blikanischen Maires höchst anstößig war, doch, da er den Royalisten alle
Hoffnung abzuschneiden schien, nicht ganz unzufrieden, und beabsichtigten den
Herzog von Broglie durch eine Jnterpellation zu einer entschiedenen Erklärung
in ähnlichem Sinne von der Tribüne zu veranlassen. Die Jnterpellation wurde
indessen bis in den März hinein verschoben, und dann von Broglie in einer
halb ausweichenden Weise beantwortet, die Niemand ganz befriedigte, aber
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |