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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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ser Frage am besten in einer Commission zu bewirken ist, wählen wir eine
Commission! Die Commission war unter allen Umständen verpflichtet, die
Reichsbankfrage zu prüfen, mit oder ohne ausdrücklichen Auftrag des Reichstags.
Hielt es der Reichstag für gut, das Motiv der Commissionswahl in diesem Fall
festzustellen, so war dies die unverfänglichste Sache von der Welt. Die Commission
mühte die Reichsbankfrage prüfen, aber sie war und blieb völlig frei in der Be¬
handlung derselben bei dem von ihr vorzuberathenden Gesetzentwurf. So war
die sonnenklare Lage des Antrags, und wenn ein Meister der Geschäfte wie
Forckenbeck kein Bedenken bei dem Antrag gefunden, so hätte auch ein blödes
Auge das Licht voraussetzen können, das ihm noch nicht leuchtete. Der Reichs¬
tag hätte Herrn Windthorst und seine Freunde bei ihrem humoristischen
Manöver mit lächelnder Miene überstimmen sollen. Aber in den Reihen der
Fraktionen, aus welchen der Laster'sche Antrag hervorgegangen, erhielt Herr
Windthorst Ueberläufer, die ihn auf einen Augenblick zum Führer der Ma¬
jorität des Reichstags machten. Was waren das für Ueberläufer, etwa Deser¬
teure der Reichsfahne? O nein, sondern echte deutsche Pedanten, schwer¬
fällige Denker vom Abgrund tiefer Confusion. Wer kennt nicht Herrn Georg
Beseler von der Paulskirche und von der ersten Zeit der preußischen Kammern
her? Ein Name von mannichfachen Verdienst, am berühmtesten aber dadurch,
daß er jedesmal zur ungelegensten Zeit über seine eignen Füße stolpernd, die
eigne Partei in Verwirrung gebracht. Kaum ist Herr Beseler wieder im
Reichstag, so schlägt er nach alter Gewohnheit wieder sein unförmliches Rad
zum allgemeinen Entsetzen und Gelächter. Der Mann war wirklich von der
Verletzung der Geschäftsordnung überzeugt, er sprach von einer Handlungs¬
weise W trauäem legis und beinah von einer Sünde wider den heiligen Geist.
^ Ein hübscher Witz der altgriechtschen Sophistik ist sehr erheiternd ins
Plattdeutsche übersetzt worden. Ein schlauer und biederer Landmann wird
von einem Vorübergehenden gefragt: ist der Hund sin Vater? Nach den
Mannichfaltigsten Anstrengungen des Geistes antwortet der Pfiffikus gereizt:
ve. ick bin dem Nund sin Vater! In diesen Gemüthszustand muß man sich
versetzen, um die" Rede des Herrn Beseler zu begreifen, der die Fehler der
Tugenden seines niedersächsischen Stammes hat. Aber wie die Verwirrung
jenes Landmanns etwas Ansteckendes hat, so die Verwirrung des Herrn Beseler.
Er führte Herrn Windthorst durch einige Mitbefangene eine kleine Mawntat
SU. Der Präsident v. Forckenbeck fand es jedoch außer dem Spaß, in einem
sonnenklaren Falle durch die Majorität der Unkenntniß der Geschäftsordnung
überführt zu werden, und legte sein Amt nieder. Die Art, wie Herr Windthorst
steh zum Fürsprecher der durch einstimmige Akklamation zu bewirkenden Wieder¬
wahl des verehrten Mannes machte, zeigte ihn als galant Komme der wohl
Su unterscheiden weiß, wo der Scherz aufhören muß. und der erste ist. die
Folgen eines Scherzes, sobald sie unbequem werden wollen, mit gefälliger und
sicherer Gewandtheit abzuwenden. Herr Beseler aber hat so tragisch geendet
wie begonnen, und die nationalliberale Fraktion verlassen, nachdem er in
derselben einige Vorwürfe hören müssen.iun

Damit wollen wir für heute unsern Bericht schließen und die Stzg
vom 21. November, die ihre interessanten Zwischenfälle hatte, dem nächsten
Briefe aufsparen, damit der diesmalige nicht zu lang werde.




ser Frage am besten in einer Commission zu bewirken ist, wählen wir eine
Commission! Die Commission war unter allen Umständen verpflichtet, die
Reichsbankfrage zu prüfen, mit oder ohne ausdrücklichen Auftrag des Reichstags.
Hielt es der Reichstag für gut, das Motiv der Commissionswahl in diesem Fall
festzustellen, so war dies die unverfänglichste Sache von der Welt. Die Commission
mühte die Reichsbankfrage prüfen, aber sie war und blieb völlig frei in der Be¬
handlung derselben bei dem von ihr vorzuberathenden Gesetzentwurf. So war
die sonnenklare Lage des Antrags, und wenn ein Meister der Geschäfte wie
Forckenbeck kein Bedenken bei dem Antrag gefunden, so hätte auch ein blödes
Auge das Licht voraussetzen können, das ihm noch nicht leuchtete. Der Reichs¬
tag hätte Herrn Windthorst und seine Freunde bei ihrem humoristischen
Manöver mit lächelnder Miene überstimmen sollen. Aber in den Reihen der
Fraktionen, aus welchen der Laster'sche Antrag hervorgegangen, erhielt Herr
Windthorst Ueberläufer, die ihn auf einen Augenblick zum Führer der Ma¬
jorität des Reichstags machten. Was waren das für Ueberläufer, etwa Deser¬
teure der Reichsfahne? O nein, sondern echte deutsche Pedanten, schwer¬
fällige Denker vom Abgrund tiefer Confusion. Wer kennt nicht Herrn Georg
Beseler von der Paulskirche und von der ersten Zeit der preußischen Kammern
her? Ein Name von mannichfachen Verdienst, am berühmtesten aber dadurch,
daß er jedesmal zur ungelegensten Zeit über seine eignen Füße stolpernd, die
eigne Partei in Verwirrung gebracht. Kaum ist Herr Beseler wieder im
Reichstag, so schlägt er nach alter Gewohnheit wieder sein unförmliches Rad
zum allgemeinen Entsetzen und Gelächter. Der Mann war wirklich von der
Verletzung der Geschäftsordnung überzeugt, er sprach von einer Handlungs¬
weise W trauäem legis und beinah von einer Sünde wider den heiligen Geist.
^ Ein hübscher Witz der altgriechtschen Sophistik ist sehr erheiternd ins
Plattdeutsche übersetzt worden. Ein schlauer und biederer Landmann wird
von einem Vorübergehenden gefragt: ist der Hund sin Vater? Nach den
Mannichfaltigsten Anstrengungen des Geistes antwortet der Pfiffikus gereizt:
ve. ick bin dem Nund sin Vater! In diesen Gemüthszustand muß man sich
versetzen, um die" Rede des Herrn Beseler zu begreifen, der die Fehler der
Tugenden seines niedersächsischen Stammes hat. Aber wie die Verwirrung
jenes Landmanns etwas Ansteckendes hat, so die Verwirrung des Herrn Beseler.
Er führte Herrn Windthorst durch einige Mitbefangene eine kleine Mawntat
SU. Der Präsident v. Forckenbeck fand es jedoch außer dem Spaß, in einem
sonnenklaren Falle durch die Majorität der Unkenntniß der Geschäftsordnung
überführt zu werden, und legte sein Amt nieder. Die Art, wie Herr Windthorst
steh zum Fürsprecher der durch einstimmige Akklamation zu bewirkenden Wieder¬
wahl des verehrten Mannes machte, zeigte ihn als galant Komme der wohl
Su unterscheiden weiß, wo der Scherz aufhören muß. und der erste ist. die
Folgen eines Scherzes, sobald sie unbequem werden wollen, mit gefälliger und
sicherer Gewandtheit abzuwenden. Herr Beseler aber hat so tragisch geendet
wie begonnen, und die nationalliberale Fraktion verlassen, nachdem er in
derselben einige Vorwürfe hören müssen.iun

Damit wollen wir für heute unsern Bericht schließen und die Stzg
vom 21. November, die ihre interessanten Zwischenfälle hatte, dem nächsten
Briefe aufsparen, damit der diesmalige nicht zu lang werde.




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[0363] ser Frage am besten in einer Commission zu bewirken ist, wählen wir eine Commission! Die Commission war unter allen Umständen verpflichtet, die Reichsbankfrage zu prüfen, mit oder ohne ausdrücklichen Auftrag des Reichstags. Hielt es der Reichstag für gut, das Motiv der Commissionswahl in diesem Fall festzustellen, so war dies die unverfänglichste Sache von der Welt. Die Commission mühte die Reichsbankfrage prüfen, aber sie war und blieb völlig frei in der Be¬ handlung derselben bei dem von ihr vorzuberathenden Gesetzentwurf. So war die sonnenklare Lage des Antrags, und wenn ein Meister der Geschäfte wie Forckenbeck kein Bedenken bei dem Antrag gefunden, so hätte auch ein blödes Auge das Licht voraussetzen können, das ihm noch nicht leuchtete. Der Reichs¬ tag hätte Herrn Windthorst und seine Freunde bei ihrem humoristischen Manöver mit lächelnder Miene überstimmen sollen. Aber in den Reihen der Fraktionen, aus welchen der Laster'sche Antrag hervorgegangen, erhielt Herr Windthorst Ueberläufer, die ihn auf einen Augenblick zum Führer der Ma¬ jorität des Reichstags machten. Was waren das für Ueberläufer, etwa Deser¬ teure der Reichsfahne? O nein, sondern echte deutsche Pedanten, schwer¬ fällige Denker vom Abgrund tiefer Confusion. Wer kennt nicht Herrn Georg Beseler von der Paulskirche und von der ersten Zeit der preußischen Kammern her? Ein Name von mannichfachen Verdienst, am berühmtesten aber dadurch, daß er jedesmal zur ungelegensten Zeit über seine eignen Füße stolpernd, die eigne Partei in Verwirrung gebracht. Kaum ist Herr Beseler wieder im Reichstag, so schlägt er nach alter Gewohnheit wieder sein unförmliches Rad zum allgemeinen Entsetzen und Gelächter. Der Mann war wirklich von der Verletzung der Geschäftsordnung überzeugt, er sprach von einer Handlungs¬ weise W trauäem legis und beinah von einer Sünde wider den heiligen Geist. ^ Ein hübscher Witz der altgriechtschen Sophistik ist sehr erheiternd ins Plattdeutsche übersetzt worden. Ein schlauer und biederer Landmann wird von einem Vorübergehenden gefragt: ist der Hund sin Vater? Nach den Mannichfaltigsten Anstrengungen des Geistes antwortet der Pfiffikus gereizt: ve. ick bin dem Nund sin Vater! In diesen Gemüthszustand muß man sich versetzen, um die" Rede des Herrn Beseler zu begreifen, der die Fehler der Tugenden seines niedersächsischen Stammes hat. Aber wie die Verwirrung jenes Landmanns etwas Ansteckendes hat, so die Verwirrung des Herrn Beseler. Er führte Herrn Windthorst durch einige Mitbefangene eine kleine Mawntat SU. Der Präsident v. Forckenbeck fand es jedoch außer dem Spaß, in einem sonnenklaren Falle durch die Majorität der Unkenntniß der Geschäftsordnung überführt zu werden, und legte sein Amt nieder. Die Art, wie Herr Windthorst steh zum Fürsprecher der durch einstimmige Akklamation zu bewirkenden Wieder¬ wahl des verehrten Mannes machte, zeigte ihn als galant Komme der wohl Su unterscheiden weiß, wo der Scherz aufhören muß. und der erste ist. die Folgen eines Scherzes, sobald sie unbequem werden wollen, mit gefälliger und sicherer Gewandtheit abzuwenden. Herr Beseler aber hat so tragisch geendet wie begonnen, und die nationalliberale Fraktion verlassen, nachdem er in derselben einige Vorwürfe hören müssen.iun Damit wollen wir für heute unsern Bericht schließen und die Stzg vom 21. November, die ihre interessanten Zwischenfälle hatte, dem nächsten Briefe aufsparen, damit der diesmalige nicht zu lang werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/363>, abgerufen am 28.12.2024.