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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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wenn auch nicht zu allen Consequenzen gelangte neuere Ansicht den Sieg
behalten werde.

Das ist nun ganz anders gekommen. Eine der ersten Stimmen nämlich,
die sich ausführlicher über den Entwurf vernehmen ließ, die des Abgeordneten
Sonnemann, hatte dem Entwurf vor allem die Nichtschaffung einer Reichs¬
bank zum Vorwurf gemacht. Anfangs fand dieser Vorwurf wenig Zustim¬
mung, denn man sagte sich : eine Reichsbank setzt die Beseitigung der bestehenden
Bankprivilegien voraus, welche ohne einen halben Gewaltstreich nicht möglich
ist, und doch noch schwere Entschädigungssummen verschlingen würde. Herr
Sonnemann behauptete aber, eine solche Beseitigung sei gar nicht nöthig, die
Neichsbank könne durch die Wucht ihrer Stellung und ihrer Mittel die Ein¬
schränkung der Lokalbanken auf das wohlthätige Maß herbeiführen, trotz aller
Privilegien der letzteren. Diese Ansicht, die sicherlich großen Bedenken unter¬
liegt und welche jedenfalls den Weg der richtigen Normirung des lokalen
Bankwesens als einen erst zu findenden noch nicht zeigt, hat gleichwohl den
Beifall der maßgebenden Fraktionen im Reichstag gefunden, hat die drei¬
tägigen Verhandlungen der ersten Lesung beherrscht und die größte Aussicht
gewonnen, schließlich die Majorität zu erhalten. Zwei Motive scheinen diese
Stimmung hauptsächlich hervorgebracht zu haben. Das eine, hochpatriotischer
Und erfreulicher Natur: daß man um jeden Preis auf dem so vitalen Gebiet
des Bankwesens eine Reichsinstitution haben will; das andere, etwas weniger
ideal, mehr menschlich, wenn man bei diesem Wort, wie man zu thun pflegt,
vorzugsweise an die menschliche Schwäche denkt: der Argwohn, die preußische
Regierung wolle den Nutzen ihres großen und bewährten Bankinstitutes,
eines Institutes, welchem bei der neuen Regelung des Bankwesens der
Löwenantheil zufallen werde, für sich behalten. Man erkennt sogleich. daß
Wir hier das Gebiet der eigenthümlichen Zumuthungen betreten, welche das
Reich und seine Freunde an Preußen zu stellen gewohnt sind." Preußen wird
durchaus nicht behandelt wie jeder andere Bundesstaat; wo es auf Opfer
für das Reich ankommt, soll es das Zehnfache leisten. Man sagt wohl, das
Reich sei nur ein anderer Name für Preußen, was Preußen dem Reich opfere,
opfere es sich selbst in vervollkommneter Metamorphose. Entspricht diese
Meinung aber dem thatsächlichen Laus, wie ihn die Dinge genommen haben
Und nehmen werden? Weil es so sein könnte, darum ist es noch
nicht so.

Halten wir uns an die vorliegende Frage. Was verlangt man? Die
Aufhebung der deutschen Territorialbanken hielte man für wünschenswerth,
^an scheut sich aber vor dem Stück Terrorismus, das dazu gehören würde,
^tho die Territorialbanken sollen bestehen bleiben. Auch die preußische? O
bewahre, die preußische Bank würde eine Reichsbank unmöglich machen, die


wenn auch nicht zu allen Consequenzen gelangte neuere Ansicht den Sieg
behalten werde.

Das ist nun ganz anders gekommen. Eine der ersten Stimmen nämlich,
die sich ausführlicher über den Entwurf vernehmen ließ, die des Abgeordneten
Sonnemann, hatte dem Entwurf vor allem die Nichtschaffung einer Reichs¬
bank zum Vorwurf gemacht. Anfangs fand dieser Vorwurf wenig Zustim¬
mung, denn man sagte sich : eine Reichsbank setzt die Beseitigung der bestehenden
Bankprivilegien voraus, welche ohne einen halben Gewaltstreich nicht möglich
ist, und doch noch schwere Entschädigungssummen verschlingen würde. Herr
Sonnemann behauptete aber, eine solche Beseitigung sei gar nicht nöthig, die
Neichsbank könne durch die Wucht ihrer Stellung und ihrer Mittel die Ein¬
schränkung der Lokalbanken auf das wohlthätige Maß herbeiführen, trotz aller
Privilegien der letzteren. Diese Ansicht, die sicherlich großen Bedenken unter¬
liegt und welche jedenfalls den Weg der richtigen Normirung des lokalen
Bankwesens als einen erst zu findenden noch nicht zeigt, hat gleichwohl den
Beifall der maßgebenden Fraktionen im Reichstag gefunden, hat die drei¬
tägigen Verhandlungen der ersten Lesung beherrscht und die größte Aussicht
gewonnen, schließlich die Majorität zu erhalten. Zwei Motive scheinen diese
Stimmung hauptsächlich hervorgebracht zu haben. Das eine, hochpatriotischer
Und erfreulicher Natur: daß man um jeden Preis auf dem so vitalen Gebiet
des Bankwesens eine Reichsinstitution haben will; das andere, etwas weniger
ideal, mehr menschlich, wenn man bei diesem Wort, wie man zu thun pflegt,
vorzugsweise an die menschliche Schwäche denkt: der Argwohn, die preußische
Regierung wolle den Nutzen ihres großen und bewährten Bankinstitutes,
eines Institutes, welchem bei der neuen Regelung des Bankwesens der
Löwenantheil zufallen werde, für sich behalten. Man erkennt sogleich. daß
Wir hier das Gebiet der eigenthümlichen Zumuthungen betreten, welche das
Reich und seine Freunde an Preußen zu stellen gewohnt sind." Preußen wird
durchaus nicht behandelt wie jeder andere Bundesstaat; wo es auf Opfer
für das Reich ankommt, soll es das Zehnfache leisten. Man sagt wohl, das
Reich sei nur ein anderer Name für Preußen, was Preußen dem Reich opfere,
opfere es sich selbst in vervollkommneter Metamorphose. Entspricht diese
Meinung aber dem thatsächlichen Laus, wie ihn die Dinge genommen haben
Und nehmen werden? Weil es so sein könnte, darum ist es noch
nicht so.

Halten wir uns an die vorliegende Frage. Was verlangt man? Die
Aufhebung der deutschen Territorialbanken hielte man für wünschenswerth,
^an scheut sich aber vor dem Stück Terrorismus, das dazu gehören würde,
^tho die Territorialbanken sollen bestehen bleiben. Auch die preußische? O
bewahre, die preußische Bank würde eine Reichsbank unmöglich machen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/361>, abgerufen am 28.07.2024.