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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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daß das System einer neuen Bankpolitik begründet werden muß im Augen¬
blick eines WÄHrungswcchsels, der allezeit für eine der schwierigsten Ma߬
regeln gegolten hat. Die Gesichtspunkte der deutschen Bankpolitik müssen
in Folge davon beeinflußt sein durch eine doppelte unabweisbare Aufgabe:
erstens durch die Aufgabe, den Vollzug des Währungswechsels zu unterstützen,
und zweitens durch die eng damit zusammenhängende, aber doch selbständige
und in eine weite Zukunft sich erstreckende Aufgabe, die in Deutschland an¬
genommene Goldwährung bei der eigenthümlichen Lage des deutschen Reiches
in einer Uebergangsperiode des europäischen Verkehrs, und namentlich der
Münz- und Währnngs-Verhältnisse zu schützen.

Die Lösung einer so vielgestaltigen und dabei so folgenreichen und ver¬
antwortlichen Aufgabe wurde mit ebenso allgemeiner Spannung erwartet,
als sie allgemein für unaufschiebbar erkannt wurde. Die Hauptfragen, auf
Welche sich die Spannung richtete, waren: 1) Wie ist um die Monopole der
Territorialbanken herum zu kommen? 2) Wie soll es mit der Ausgabe un¬
gedeckter Noten gehalten werden? 3) Ist, abgesehen von der Rechtsfrage
der territorialen Monopole, eine Centralisation des Bankwesens wünschens¬
wert!) ?

Als nun in diesem Sommer, wie man sagt, etwas vorzeitig, der Gesetz¬
entwurf veröffentlicht wurde, welchen das Reichskanzleramt dem Bundesrath
zu unterbreiten gedachte, da war das erste aber äußerst rasch vorübergehende
Gefühl das einer gewissen Enttäuschung. Jemehr man aber den Entwurf
studirte, trat an die Stelle des ersten weniger, als man erwartet hatte, gro߬
artigen Eindrucks, ein Gefühl der Bewunderung für ein Werk wahrhaft
ingeniösen Scharfsinnes. Denn die so umfassende Aufgabe eines deutschen
Bankgesetzes schien hier gelöst, die Hindernisse unschädlich gemacht und doch
nicht zermalmt, was eine unverhältnißmäßige Anstrengung erfordert und
vielleicht eine verhängnisvoll nachblutende Wunde zurückgelassen haben würde.
Die unbeschränkte Ausdehnung der Notenausgabe war in Schranken gehalten
durch Auslegung einer fünfproeentigen Steuer auf jede ungedeckte Note über
einen gewissen Gesammtbetrag dieser Noten hinaus. Dabei war das Privi-
legium unbeschränkter Notenausgabe, wie es gewissen Banken zugesichert,
nicht angetastet. Anstatt des territorialen Bankprivilegiums, bei welchem die
Operationen der einzelnen Bank nur mißbräuchlich die territorialen Grenzen
überschreiten konnten, erhielt jede Bank den gesetzlichen Umlauf ihrer Noten
im ganzen Reich zugesichert, wenn sie sich zur Unterwerfung unter gewisse
Normativbedingungen verstand, worunter die Einlösung ihrer Noten an den
Hauptplätzen des deutschen Verkehrs und der Austausch derselben Noten gegen
die der andern, den reichsgesetzlichen Normen sich unterwerfenden Banken sich
befand. Auf diese Weise war ohne Centralisation der Bankinstitute die ein-


daß das System einer neuen Bankpolitik begründet werden muß im Augen¬
blick eines WÄHrungswcchsels, der allezeit für eine der schwierigsten Ma߬
regeln gegolten hat. Die Gesichtspunkte der deutschen Bankpolitik müssen
in Folge davon beeinflußt sein durch eine doppelte unabweisbare Aufgabe:
erstens durch die Aufgabe, den Vollzug des Währungswechsels zu unterstützen,
und zweitens durch die eng damit zusammenhängende, aber doch selbständige
und in eine weite Zukunft sich erstreckende Aufgabe, die in Deutschland an¬
genommene Goldwährung bei der eigenthümlichen Lage des deutschen Reiches
in einer Uebergangsperiode des europäischen Verkehrs, und namentlich der
Münz- und Währnngs-Verhältnisse zu schützen.

Die Lösung einer so vielgestaltigen und dabei so folgenreichen und ver¬
antwortlichen Aufgabe wurde mit ebenso allgemeiner Spannung erwartet,
als sie allgemein für unaufschiebbar erkannt wurde. Die Hauptfragen, auf
Welche sich die Spannung richtete, waren: 1) Wie ist um die Monopole der
Territorialbanken herum zu kommen? 2) Wie soll es mit der Ausgabe un¬
gedeckter Noten gehalten werden? 3) Ist, abgesehen von der Rechtsfrage
der territorialen Monopole, eine Centralisation des Bankwesens wünschens¬
wert!) ?

Als nun in diesem Sommer, wie man sagt, etwas vorzeitig, der Gesetz¬
entwurf veröffentlicht wurde, welchen das Reichskanzleramt dem Bundesrath
zu unterbreiten gedachte, da war das erste aber äußerst rasch vorübergehende
Gefühl das einer gewissen Enttäuschung. Jemehr man aber den Entwurf
studirte, trat an die Stelle des ersten weniger, als man erwartet hatte, gro߬
artigen Eindrucks, ein Gefühl der Bewunderung für ein Werk wahrhaft
ingeniösen Scharfsinnes. Denn die so umfassende Aufgabe eines deutschen
Bankgesetzes schien hier gelöst, die Hindernisse unschädlich gemacht und doch
nicht zermalmt, was eine unverhältnißmäßige Anstrengung erfordert und
vielleicht eine verhängnisvoll nachblutende Wunde zurückgelassen haben würde.
Die unbeschränkte Ausdehnung der Notenausgabe war in Schranken gehalten
durch Auslegung einer fünfproeentigen Steuer auf jede ungedeckte Note über
einen gewissen Gesammtbetrag dieser Noten hinaus. Dabei war das Privi-
legium unbeschränkter Notenausgabe, wie es gewissen Banken zugesichert,
nicht angetastet. Anstatt des territorialen Bankprivilegiums, bei welchem die
Operationen der einzelnen Bank nur mißbräuchlich die territorialen Grenzen
überschreiten konnten, erhielt jede Bank den gesetzlichen Umlauf ihrer Noten
im ganzen Reich zugesichert, wenn sie sich zur Unterwerfung unter gewisse
Normativbedingungen verstand, worunter die Einlösung ihrer Noten an den
Hauptplätzen des deutschen Verkehrs und der Austausch derselben Noten gegen
die der andern, den reichsgesetzlichen Normen sich unterwerfenden Banken sich
befand. Auf diese Weise war ohne Centralisation der Bankinstitute die ein-


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[0359] daß das System einer neuen Bankpolitik begründet werden muß im Augen¬ blick eines WÄHrungswcchsels, der allezeit für eine der schwierigsten Ma߬ regeln gegolten hat. Die Gesichtspunkte der deutschen Bankpolitik müssen in Folge davon beeinflußt sein durch eine doppelte unabweisbare Aufgabe: erstens durch die Aufgabe, den Vollzug des Währungswechsels zu unterstützen, und zweitens durch die eng damit zusammenhängende, aber doch selbständige und in eine weite Zukunft sich erstreckende Aufgabe, die in Deutschland an¬ genommene Goldwährung bei der eigenthümlichen Lage des deutschen Reiches in einer Uebergangsperiode des europäischen Verkehrs, und namentlich der Münz- und Währnngs-Verhältnisse zu schützen. Die Lösung einer so vielgestaltigen und dabei so folgenreichen und ver¬ antwortlichen Aufgabe wurde mit ebenso allgemeiner Spannung erwartet, als sie allgemein für unaufschiebbar erkannt wurde. Die Hauptfragen, auf Welche sich die Spannung richtete, waren: 1) Wie ist um die Monopole der Territorialbanken herum zu kommen? 2) Wie soll es mit der Ausgabe un¬ gedeckter Noten gehalten werden? 3) Ist, abgesehen von der Rechtsfrage der territorialen Monopole, eine Centralisation des Bankwesens wünschens¬ wert!) ? Als nun in diesem Sommer, wie man sagt, etwas vorzeitig, der Gesetz¬ entwurf veröffentlicht wurde, welchen das Reichskanzleramt dem Bundesrath zu unterbreiten gedachte, da war das erste aber äußerst rasch vorübergehende Gefühl das einer gewissen Enttäuschung. Jemehr man aber den Entwurf studirte, trat an die Stelle des ersten weniger, als man erwartet hatte, gro߬ artigen Eindrucks, ein Gefühl der Bewunderung für ein Werk wahrhaft ingeniösen Scharfsinnes. Denn die so umfassende Aufgabe eines deutschen Bankgesetzes schien hier gelöst, die Hindernisse unschädlich gemacht und doch nicht zermalmt, was eine unverhältnißmäßige Anstrengung erfordert und vielleicht eine verhängnisvoll nachblutende Wunde zurückgelassen haben würde. Die unbeschränkte Ausdehnung der Notenausgabe war in Schranken gehalten durch Auslegung einer fünfproeentigen Steuer auf jede ungedeckte Note über einen gewissen Gesammtbetrag dieser Noten hinaus. Dabei war das Privi- legium unbeschränkter Notenausgabe, wie es gewissen Banken zugesichert, nicht angetastet. Anstatt des territorialen Bankprivilegiums, bei welchem die Operationen der einzelnen Bank nur mißbräuchlich die territorialen Grenzen überschreiten konnten, erhielt jede Bank den gesetzlichen Umlauf ihrer Noten im ganzen Reich zugesichert, wenn sie sich zur Unterwerfung unter gewisse Normativbedingungen verstand, worunter die Einlösung ihrer Noten an den Hauptplätzen des deutschen Verkehrs und der Austausch derselben Noten gegen die der andern, den reichsgesetzlichen Normen sich unterwerfenden Banken sich befand. Auf diese Weise war ohne Centralisation der Bankinstitute die ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/359>, abgerufen am 27.07.2024.