Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch die Vertreter der Reichsregierung beglaubigte Thatsachen, Zahlen von
unanfechtbarer Beweiskraft vorgelegt worden, welche hoffentlich allen mystischen
Schwindel über die Hauptursache unserer wirthschaftlichen Krankheit beseitigen.
Dieser Gewinn der ersten Lesung des Bankgesetzes dünkt uns allein schon ein
unschätzbarer. Kehren wir aber zur Vorgeschichte des Entwurfes zurück.

Dem Uebel der großen Bank-Institute, von kleinen Staaten privile-
girt, suchten Preußen und nach ihm andere Bundesstaaten durch Verbote der
Banknoten des deutschen Auslandes zu steuern: Verbote, die aus dem oben¬
berührten Grunde über kurz oder lang immer wieder unwirksam werden mußten.
Eine der letzten gesetzgeberischen Thaten des norddeutschen Bundes war das
Verbot der Ertheilung neuer Bankprivilegien bis zum Ende des Jahres 1874,
ein Verbot, welches das deutsche Reich vom norddeutschen Bund übernahm
und auf sein erweitertes Gebiet erstreckte. In den politisch ebenso trostlosen,
als an wirthschaftlichem Aufschwung reichen fünfziger Jahren empfahl die
deutsche Manchesterschule -- ein Name, den wir als Ehrennamen betrachten,
wenn auch diese Schule, so wenig als irgend eine andere, das Verständniß
ihres Faches erschöpft hat -- als Heilmittel gegen das damals schon als
höchst gefährlich erkannte Uebel des gleichzeitig monopolisirten und doch höchst
irrationell zersplitterten Bankwesens die allgemeine Bankfreiheit. Bis auf
wenige unerschütterliche Adepten, deren namhaftester wohl Herr Eugen Richter
sein möchte, ist man von dem Glauben an die Universalmedizin der individu¬
ellen Bewegungsfreiheit gerade für das Bankwesen am meisten zurückgekommen-
Die Gründe dürfen wir heute nicht erwähnen, um Nicht diesmal zu lang zu
werden. Abgesehen von der Frage nach der nothwendigen Einwirkung des
Staates auf das Bankwesen hat sich in Deutschland eine Ansicht mehr und
mehr Bahn gebrochen, als deren erster Vorfechter Professor Tellkampf zu
Breslau lange Zeit allein stand, welche das Wesen der Zettelbank im Grunde
beseitigen will. Danach soll es nur noch Banknoten mit voller Deckung durch
das Edelmetall der landesgesetzltchen Währung geben. Solche Noten sind,
wie man richtig hervorgehoben hat, keine Banknoten, sondern Depositenscheine.
Dieser Ansicht steht jedoch die entgegengesetzte ältere, zwar nicht mehr in Allein¬
herrschaft, aber noch in eifrig verfochten^ Geltung gegenüber, welche in den
Banknoten das wohlthätige Mittel sieht, dem Verkehr wohlfeiles Geld und
durch dasselbe beständig wachsende Flügel zu geben.

Mitten in diesen Kampf der Theorie, der zugleich ein Kampf materieller
Interessen von vielfacher Gestalt und allerbeträchtlichstem Umfang ist. fällt
nun die Aufgabe des deutschen Reiches, das System einer einheitlichen Bank¬
politik zum erstenmal zu ergreifen und durchzuführen, nicht etwa auf einer
tatmlg, rasa, sondern auf dem Boden eines im üppigsten und zugleich
irrationellsten Wachsthum stehenden Bankwesens. Dazu kommt aber noch,


durch die Vertreter der Reichsregierung beglaubigte Thatsachen, Zahlen von
unanfechtbarer Beweiskraft vorgelegt worden, welche hoffentlich allen mystischen
Schwindel über die Hauptursache unserer wirthschaftlichen Krankheit beseitigen.
Dieser Gewinn der ersten Lesung des Bankgesetzes dünkt uns allein schon ein
unschätzbarer. Kehren wir aber zur Vorgeschichte des Entwurfes zurück.

Dem Uebel der großen Bank-Institute, von kleinen Staaten privile-
girt, suchten Preußen und nach ihm andere Bundesstaaten durch Verbote der
Banknoten des deutschen Auslandes zu steuern: Verbote, die aus dem oben¬
berührten Grunde über kurz oder lang immer wieder unwirksam werden mußten.
Eine der letzten gesetzgeberischen Thaten des norddeutschen Bundes war das
Verbot der Ertheilung neuer Bankprivilegien bis zum Ende des Jahres 1874,
ein Verbot, welches das deutsche Reich vom norddeutschen Bund übernahm
und auf sein erweitertes Gebiet erstreckte. In den politisch ebenso trostlosen,
als an wirthschaftlichem Aufschwung reichen fünfziger Jahren empfahl die
deutsche Manchesterschule — ein Name, den wir als Ehrennamen betrachten,
wenn auch diese Schule, so wenig als irgend eine andere, das Verständniß
ihres Faches erschöpft hat — als Heilmittel gegen das damals schon als
höchst gefährlich erkannte Uebel des gleichzeitig monopolisirten und doch höchst
irrationell zersplitterten Bankwesens die allgemeine Bankfreiheit. Bis auf
wenige unerschütterliche Adepten, deren namhaftester wohl Herr Eugen Richter
sein möchte, ist man von dem Glauben an die Universalmedizin der individu¬
ellen Bewegungsfreiheit gerade für das Bankwesen am meisten zurückgekommen-
Die Gründe dürfen wir heute nicht erwähnen, um Nicht diesmal zu lang zu
werden. Abgesehen von der Frage nach der nothwendigen Einwirkung des
Staates auf das Bankwesen hat sich in Deutschland eine Ansicht mehr und
mehr Bahn gebrochen, als deren erster Vorfechter Professor Tellkampf zu
Breslau lange Zeit allein stand, welche das Wesen der Zettelbank im Grunde
beseitigen will. Danach soll es nur noch Banknoten mit voller Deckung durch
das Edelmetall der landesgesetzltchen Währung geben. Solche Noten sind,
wie man richtig hervorgehoben hat, keine Banknoten, sondern Depositenscheine.
Dieser Ansicht steht jedoch die entgegengesetzte ältere, zwar nicht mehr in Allein¬
herrschaft, aber noch in eifrig verfochten^ Geltung gegenüber, welche in den
Banknoten das wohlthätige Mittel sieht, dem Verkehr wohlfeiles Geld und
durch dasselbe beständig wachsende Flügel zu geben.

Mitten in diesen Kampf der Theorie, der zugleich ein Kampf materieller
Interessen von vielfacher Gestalt und allerbeträchtlichstem Umfang ist. fällt
nun die Aufgabe des deutschen Reiches, das System einer einheitlichen Bank¬
politik zum erstenmal zu ergreifen und durchzuführen, nicht etwa auf einer
tatmlg, rasa, sondern auf dem Boden eines im üppigsten und zugleich
irrationellsten Wachsthum stehenden Bankwesens. Dazu kommt aber noch,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132580"/>
          <p xml:id="ID_1071" prev="#ID_1070"> durch die Vertreter der Reichsregierung beglaubigte Thatsachen, Zahlen von<lb/>
unanfechtbarer Beweiskraft vorgelegt worden, welche hoffentlich allen mystischen<lb/>
Schwindel über die Hauptursache unserer wirthschaftlichen Krankheit beseitigen.<lb/>
Dieser Gewinn der ersten Lesung des Bankgesetzes dünkt uns allein schon ein<lb/>
unschätzbarer. Kehren wir aber zur Vorgeschichte des Entwurfes zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1072"> Dem Uebel der großen Bank-Institute, von kleinen Staaten privile-<lb/>
girt, suchten Preußen und nach ihm andere Bundesstaaten durch Verbote der<lb/>
Banknoten des deutschen Auslandes zu steuern: Verbote, die aus dem oben¬<lb/>
berührten Grunde über kurz oder lang immer wieder unwirksam werden mußten.<lb/>
Eine der letzten gesetzgeberischen Thaten des norddeutschen Bundes war das<lb/>
Verbot der Ertheilung neuer Bankprivilegien bis zum Ende des Jahres 1874,<lb/>
ein Verbot, welches das deutsche Reich vom norddeutschen Bund übernahm<lb/>
und auf sein erweitertes Gebiet erstreckte. In den politisch ebenso trostlosen,<lb/>
als an wirthschaftlichem Aufschwung reichen fünfziger Jahren empfahl die<lb/>
deutsche Manchesterschule &#x2014; ein Name, den wir als Ehrennamen betrachten,<lb/>
wenn auch diese Schule, so wenig als irgend eine andere, das Verständniß<lb/>
ihres Faches erschöpft hat &#x2014; als Heilmittel gegen das damals schon als<lb/>
höchst gefährlich erkannte Uebel des gleichzeitig monopolisirten und doch höchst<lb/>
irrationell zersplitterten Bankwesens die allgemeine Bankfreiheit. Bis auf<lb/>
wenige unerschütterliche Adepten, deren namhaftester wohl Herr Eugen Richter<lb/>
sein möchte, ist man von dem Glauben an die Universalmedizin der individu¬<lb/>
ellen Bewegungsfreiheit gerade für das Bankwesen am meisten zurückgekommen-<lb/>
Die Gründe dürfen wir heute nicht erwähnen, um Nicht diesmal zu lang zu<lb/>
werden. Abgesehen von der Frage nach der nothwendigen Einwirkung des<lb/>
Staates auf das Bankwesen hat sich in Deutschland eine Ansicht mehr und<lb/>
mehr Bahn gebrochen, als deren erster Vorfechter Professor Tellkampf zu<lb/>
Breslau lange Zeit allein stand, welche das Wesen der Zettelbank im Grunde<lb/>
beseitigen will. Danach soll es nur noch Banknoten mit voller Deckung durch<lb/>
das Edelmetall der landesgesetzltchen Währung geben. Solche Noten sind,<lb/>
wie man richtig hervorgehoben hat, keine Banknoten, sondern Depositenscheine.<lb/>
Dieser Ansicht steht jedoch die entgegengesetzte ältere, zwar nicht mehr in Allein¬<lb/>
herrschaft, aber noch in eifrig verfochten^ Geltung gegenüber, welche in den<lb/>
Banknoten das wohlthätige Mittel sieht, dem Verkehr wohlfeiles Geld und<lb/>
durch dasselbe beständig wachsende Flügel zu geben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1073" next="#ID_1074"> Mitten in diesen Kampf der Theorie, der zugleich ein Kampf materieller<lb/>
Interessen von vielfacher Gestalt und allerbeträchtlichstem Umfang ist. fällt<lb/>
nun die Aufgabe des deutschen Reiches, das System einer einheitlichen Bank¬<lb/>
politik zum erstenmal zu ergreifen und durchzuführen, nicht etwa auf einer<lb/>
tatmlg, rasa, sondern auf dem Boden eines im üppigsten und zugleich<lb/>
irrationellsten Wachsthum stehenden Bankwesens.  Dazu kommt aber noch,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0358] durch die Vertreter der Reichsregierung beglaubigte Thatsachen, Zahlen von unanfechtbarer Beweiskraft vorgelegt worden, welche hoffentlich allen mystischen Schwindel über die Hauptursache unserer wirthschaftlichen Krankheit beseitigen. Dieser Gewinn der ersten Lesung des Bankgesetzes dünkt uns allein schon ein unschätzbarer. Kehren wir aber zur Vorgeschichte des Entwurfes zurück. Dem Uebel der großen Bank-Institute, von kleinen Staaten privile- girt, suchten Preußen und nach ihm andere Bundesstaaten durch Verbote der Banknoten des deutschen Auslandes zu steuern: Verbote, die aus dem oben¬ berührten Grunde über kurz oder lang immer wieder unwirksam werden mußten. Eine der letzten gesetzgeberischen Thaten des norddeutschen Bundes war das Verbot der Ertheilung neuer Bankprivilegien bis zum Ende des Jahres 1874, ein Verbot, welches das deutsche Reich vom norddeutschen Bund übernahm und auf sein erweitertes Gebiet erstreckte. In den politisch ebenso trostlosen, als an wirthschaftlichem Aufschwung reichen fünfziger Jahren empfahl die deutsche Manchesterschule — ein Name, den wir als Ehrennamen betrachten, wenn auch diese Schule, so wenig als irgend eine andere, das Verständniß ihres Faches erschöpft hat — als Heilmittel gegen das damals schon als höchst gefährlich erkannte Uebel des gleichzeitig monopolisirten und doch höchst irrationell zersplitterten Bankwesens die allgemeine Bankfreiheit. Bis auf wenige unerschütterliche Adepten, deren namhaftester wohl Herr Eugen Richter sein möchte, ist man von dem Glauben an die Universalmedizin der individu¬ ellen Bewegungsfreiheit gerade für das Bankwesen am meisten zurückgekommen- Die Gründe dürfen wir heute nicht erwähnen, um Nicht diesmal zu lang zu werden. Abgesehen von der Frage nach der nothwendigen Einwirkung des Staates auf das Bankwesen hat sich in Deutschland eine Ansicht mehr und mehr Bahn gebrochen, als deren erster Vorfechter Professor Tellkampf zu Breslau lange Zeit allein stand, welche das Wesen der Zettelbank im Grunde beseitigen will. Danach soll es nur noch Banknoten mit voller Deckung durch das Edelmetall der landesgesetzltchen Währung geben. Solche Noten sind, wie man richtig hervorgehoben hat, keine Banknoten, sondern Depositenscheine. Dieser Ansicht steht jedoch die entgegengesetzte ältere, zwar nicht mehr in Allein¬ herrschaft, aber noch in eifrig verfochten^ Geltung gegenüber, welche in den Banknoten das wohlthätige Mittel sieht, dem Verkehr wohlfeiles Geld und durch dasselbe beständig wachsende Flügel zu geben. Mitten in diesen Kampf der Theorie, der zugleich ein Kampf materieller Interessen von vielfacher Gestalt und allerbeträchtlichstem Umfang ist. fällt nun die Aufgabe des deutschen Reiches, das System einer einheitlichen Bank¬ politik zum erstenmal zu ergreifen und durchzuführen, nicht etwa auf einer tatmlg, rasa, sondern auf dem Boden eines im üppigsten und zugleich irrationellsten Wachsthum stehenden Bankwesens. Dazu kommt aber noch,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/358
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/358>, abgerufen am 27.07.2024.