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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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die allgemeine Ansicht war, wesentlich dazu beigetragen, diese Pläne zu ver¬
eiteln und die schon ihres Triumphes scheinbar sicheren Führer der hoch-
conservativen Partei zum Rückzug zu nöthigen. Eben dieses thatsächliche
Verhalten des Prinzen bei der erwähnten Gelegenheit scheint mir aber auch
jenes on an zu widerlegen, welches der Verfasser anführt und welches aller¬
dings seiner Zeit hier circulirte: König Albert -- damals noch Kronprinz --
habe im Ministerrathe darauf gedrungen, daß die Regierung mit Hülfe von
§ 92 der Verfassung betreffs des Schulgesetzes die Volkskammer majorisire und
sich fest auf die I. Kammer stütze, weil, wie er gesagt habe, sonst die in der
U. Kammer vorherrschende liberale Partei nichts Eiligeres zu thun haben
werde, als Sachsen in Preußen aufgehen zu lassen." -- Aber wenn der
Prinz diese Besorgniß wirklich gehegt hätte, so hätte er nicht dazu beitragen
dürfen, bei den so wichtigen Organisationsgesetzen den Widerstand der I.
Kammer zu brechen, der liberalen Partei und dem in dieser Sache mit ihr
gehenden Minister v. Nostiz den Sieg zu verschaffen.

Der Verfasser des Artikels geht so weit, zusagen: von jener rückläufigen
Wendung der sächsischen Negierungspolitik im Frühjahr 1873 datire eigentlich
die Regierung König Albert's, obschon er formell dieselbe erst im November
des Jahres, nach seines Vaters Tode, angetreten. Das heißt: jene rückläufige
Politik mit allen ihren Consequenzen sei das Werk des damaligen Kron¬
prinzen, jetzigen Königs ; er sei das eigentliche Agens dieser Politik; die
Minister hätten sich nur seinem Einflüsse und seinem Andringen gefügt, in¬
dem sie von der eine Zeit lang betretenen liberaleren Bahn plötzlich in die
gerade entgegengesetzte einlenkten.

Das ist eine gewagte Behauptung, die nicht ohne die triftigsten, thatsäch¬
lichen Beweise ausgesprochen werden sollte. Konservativ oder liberal, -- ein
König kann Beides sein. Beides hat seine Berechtigung als grundsätzliche
Überzeugung eines Einzelnen oder einer Partei. Allein wenn in einem Lande
^e liberale Strömung vorherrscht, -- und das ist in Sachsen ohne Zweifel
^ Fall, -- wenn außerdem in einer Zeitperiode die liberale Strömung vor¬
herrscht, -- und das ist in der Gegenwart ebenso zweifellos der Fall, -- dann
^äre eine grundsätzliche Gegenstellung wider diese Strömung auf Seiten des
Monarchen, also des obersten entscheidenden Willens im Lande eine verbarg-
"ißvolle Thatsache, ein Conflict, aus dem es nicht, wie bei der bloßen Gegen¬
stellung eines Ministeriums, einen Ausweg gäbe.

Ich weiß, daß in manchen politischen Kreisen Berlins die Ansicht getheilt
^rd: die sächsischen Minister müßten so sprechen und handeln, wie sie thun,
"UM sich zu halten." Immerhin eine schlechte Entschuldigung für constitutio-
nelle Minister, denen die eigene verantwortliche Ueberzeugung allein oberste
^oren ihres Handels sein müßte.


die allgemeine Ansicht war, wesentlich dazu beigetragen, diese Pläne zu ver¬
eiteln und die schon ihres Triumphes scheinbar sicheren Führer der hoch-
conservativen Partei zum Rückzug zu nöthigen. Eben dieses thatsächliche
Verhalten des Prinzen bei der erwähnten Gelegenheit scheint mir aber auch
jenes on an zu widerlegen, welches der Verfasser anführt und welches aller¬
dings seiner Zeit hier circulirte: König Albert — damals noch Kronprinz —
habe im Ministerrathe darauf gedrungen, daß die Regierung mit Hülfe von
§ 92 der Verfassung betreffs des Schulgesetzes die Volkskammer majorisire und
sich fest auf die I. Kammer stütze, weil, wie er gesagt habe, sonst die in der
U. Kammer vorherrschende liberale Partei nichts Eiligeres zu thun haben
werde, als Sachsen in Preußen aufgehen zu lassen." — Aber wenn der
Prinz diese Besorgniß wirklich gehegt hätte, so hätte er nicht dazu beitragen
dürfen, bei den so wichtigen Organisationsgesetzen den Widerstand der I.
Kammer zu brechen, der liberalen Partei und dem in dieser Sache mit ihr
gehenden Minister v. Nostiz den Sieg zu verschaffen.

Der Verfasser des Artikels geht so weit, zusagen: von jener rückläufigen
Wendung der sächsischen Negierungspolitik im Frühjahr 1873 datire eigentlich
die Regierung König Albert's, obschon er formell dieselbe erst im November
des Jahres, nach seines Vaters Tode, angetreten. Das heißt: jene rückläufige
Politik mit allen ihren Consequenzen sei das Werk des damaligen Kron¬
prinzen, jetzigen Königs ; er sei das eigentliche Agens dieser Politik; die
Minister hätten sich nur seinem Einflüsse und seinem Andringen gefügt, in¬
dem sie von der eine Zeit lang betretenen liberaleren Bahn plötzlich in die
gerade entgegengesetzte einlenkten.

Das ist eine gewagte Behauptung, die nicht ohne die triftigsten, thatsäch¬
lichen Beweise ausgesprochen werden sollte. Konservativ oder liberal, — ein
König kann Beides sein. Beides hat seine Berechtigung als grundsätzliche
Überzeugung eines Einzelnen oder einer Partei. Allein wenn in einem Lande
^e liberale Strömung vorherrscht, — und das ist in Sachsen ohne Zweifel
^ Fall, — wenn außerdem in einer Zeitperiode die liberale Strömung vor¬
herrscht, — und das ist in der Gegenwart ebenso zweifellos der Fall, — dann
^äre eine grundsätzliche Gegenstellung wider diese Strömung auf Seiten des
Monarchen, also des obersten entscheidenden Willens im Lande eine verbarg-
"ißvolle Thatsache, ein Conflict, aus dem es nicht, wie bei der bloßen Gegen¬
stellung eines Ministeriums, einen Ausweg gäbe.

Ich weiß, daß in manchen politischen Kreisen Berlins die Ansicht getheilt
^rd: die sächsischen Minister müßten so sprechen und handeln, wie sie thun,
"UM sich zu halten." Immerhin eine schlechte Entschuldigung für constitutio-
nelle Minister, denen die eigene verantwortliche Ueberzeugung allein oberste
^oren ihres Handels sein müßte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/355>, abgerufen am 27.07.2024.