Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.andere Einwirkung Beust's auf die sächsischen Verhältnisse, die ich allerdings Die Porträts der dermaligen Minister sind im Ganzen gut gezeichnet, andere Einwirkung Beust's auf die sächsischen Verhältnisse, die ich allerdings Die Porträts der dermaligen Minister sind im Ganzen gut gezeichnet, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132574"/> <p xml:id="ID_1055" prev="#ID_1054"> andere Einwirkung Beust's auf die sächsischen Verhältnisse, die ich allerdings<lb/> nicht ganz so positiv constatiren kann, wie jene, aber aus Gründen höchster<lb/> Wahrscheinlichkeit anzunehmen mich für befugt halte, datirt aus neuester Zeit.<lb/> Ganz kurz vor dem Schlüsse des Landtags im Frühjahr d. I. war Herr von<lb/> Beust in Dresden, präsentirte sich auch auf der diplomatischen Tribüne jeder<lb/> der beiden Kammern. Gerade damals brachten unsre beiden offiziösen Blätter,<lb/> das Dresdner Journal und die Leipziger Zeitung Artikel, welche darauf be¬<lb/> rechnet waren, in die neugeschlosfene Allianz der drei Nordmächte einen Keil<lb/> hineinzutreiben, besonders aber Mißtrauen zwischen dem deutschen Reich einer¬<lb/> seits, Oesterreich und Rußland andrerseits zu säen. Ich möchte meinen Kops<lb/> verwelken, daß diese Artikel dem persönlichen Einfluß Beust's auf die beiden<lb/> Redactionen zu verdanken, weil beiden noch immer Günstlinge Beust's vor¬<lb/> stehen. Ebendamals erschien auch, wie man sich erinnert, jener aufsehenerregende<lb/> Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, welcher Oesterreich gegen<lb/> Rußland und Deutschland argwöhnisch machen sollte, ein Artikel, den man<lb/> allgemein, wenn auch natürlich nur indirect, auf Herrn v. Beust zurückführte. Der<lb/> Artikel in der Leipziger Zeitung verrieth außerdem seinen Ursprung dadurch,<lb/> daß er die Vorsicht der ol-äevant Beust'schen Regierung über Oesterreich in<lb/> Bezug aus dessen Stellung zu Deutschland und Rußland rühmte, dagegen auf die<lb/> Andrassy'sche Aera einen tiefen Schatten fallen ließ. Beide Artikel wurden bald<lb/> darauf in denselben Blättern in möglichst unauffälliger Weise durch andere<lb/> in entgegengesetztem Sinne stillschweigend zurückgenommen oder desavouirt.<lb/> Man hat sich — das ist bezeichnend für unser officielles Preßregime — von<lb/> dem abgesetzten ehemaligen Minister.oder seinen Geschöpfen ein Kukuksei ins<lb/> Nest legen lassen, welches man jetzt sich beeilte hinauszuwerfen, bevor die gefähr¬<lb/> liche Brut auskröche, die kaum zu vermeidende Rüge aus Berlin wegen einer<lb/> so groben Kreuzung der Politik der Reichsregierung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1056" next="#ID_1057"> Die Porträts der dermaligen Minister sind im Ganzen gut gezeichnet,<lb/> ebenso die der beiden Führer unserer hochconservativen und hochkirchlichen<lb/> Partei, der Herren v. Zehner und v. Erdmannsdorf. Dagegen halte ich<lb/> das Urtheil, welches der Verfasser über die bestimmenden Momente der säch¬<lb/> sischen Politik im Allgemeinen, der aufs Reich bezüglichen im Besonderen<lb/> fällt, für mancher Berichtigung bedürftig. Hier ist allernächst ein Moment<lb/> außer Acht gelassen, welches gleichwohl in. E. einen sehr wesentlichen Antheil<lb/> an dem Ganzen der sächsischen Politik hat. Ich meine die traditionelle<lb/> Anschauung der maßgebenden Kreise in Sachsen von der gänzlichen Unwirk¬<lb/> samkeit ständischer Abstimmungen für den Bestand des Ministeriums. Diese<lb/> Anschauung ist so festgewurzelt, sie wird so zweifellos vom ganzen Beamten-<lb/> thum in allen seinen Verzweigungen getheilt, auch vom Bürgerthum still¬<lb/> schweigend anerkannt und geduldet, daß, wer etwa bei einer brennenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
andere Einwirkung Beust's auf die sächsischen Verhältnisse, die ich allerdings
nicht ganz so positiv constatiren kann, wie jene, aber aus Gründen höchster
Wahrscheinlichkeit anzunehmen mich für befugt halte, datirt aus neuester Zeit.
Ganz kurz vor dem Schlüsse des Landtags im Frühjahr d. I. war Herr von
Beust in Dresden, präsentirte sich auch auf der diplomatischen Tribüne jeder
der beiden Kammern. Gerade damals brachten unsre beiden offiziösen Blätter,
das Dresdner Journal und die Leipziger Zeitung Artikel, welche darauf be¬
rechnet waren, in die neugeschlosfene Allianz der drei Nordmächte einen Keil
hineinzutreiben, besonders aber Mißtrauen zwischen dem deutschen Reich einer¬
seits, Oesterreich und Rußland andrerseits zu säen. Ich möchte meinen Kops
verwelken, daß diese Artikel dem persönlichen Einfluß Beust's auf die beiden
Redactionen zu verdanken, weil beiden noch immer Günstlinge Beust's vor¬
stehen. Ebendamals erschien auch, wie man sich erinnert, jener aufsehenerregende
Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, welcher Oesterreich gegen
Rußland und Deutschland argwöhnisch machen sollte, ein Artikel, den man
allgemein, wenn auch natürlich nur indirect, auf Herrn v. Beust zurückführte. Der
Artikel in der Leipziger Zeitung verrieth außerdem seinen Ursprung dadurch,
daß er die Vorsicht der ol-äevant Beust'schen Regierung über Oesterreich in
Bezug aus dessen Stellung zu Deutschland und Rußland rühmte, dagegen auf die
Andrassy'sche Aera einen tiefen Schatten fallen ließ. Beide Artikel wurden bald
darauf in denselben Blättern in möglichst unauffälliger Weise durch andere
in entgegengesetztem Sinne stillschweigend zurückgenommen oder desavouirt.
Man hat sich — das ist bezeichnend für unser officielles Preßregime — von
dem abgesetzten ehemaligen Minister.oder seinen Geschöpfen ein Kukuksei ins
Nest legen lassen, welches man jetzt sich beeilte hinauszuwerfen, bevor die gefähr¬
liche Brut auskröche, die kaum zu vermeidende Rüge aus Berlin wegen einer
so groben Kreuzung der Politik der Reichsregierung.
Die Porträts der dermaligen Minister sind im Ganzen gut gezeichnet,
ebenso die der beiden Führer unserer hochconservativen und hochkirchlichen
Partei, der Herren v. Zehner und v. Erdmannsdorf. Dagegen halte ich
das Urtheil, welches der Verfasser über die bestimmenden Momente der säch¬
sischen Politik im Allgemeinen, der aufs Reich bezüglichen im Besonderen
fällt, für mancher Berichtigung bedürftig. Hier ist allernächst ein Moment
außer Acht gelassen, welches gleichwohl in. E. einen sehr wesentlichen Antheil
an dem Ganzen der sächsischen Politik hat. Ich meine die traditionelle
Anschauung der maßgebenden Kreise in Sachsen von der gänzlichen Unwirk¬
samkeit ständischer Abstimmungen für den Bestand des Ministeriums. Diese
Anschauung ist so festgewurzelt, sie wird so zweifellos vom ganzen Beamten-
thum in allen seinen Verzweigungen getheilt, auch vom Bürgerthum still¬
schweigend anerkannt und geduldet, daß, wer etwa bei einer brennenden
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