Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.täuschenden Trab über und sendet immer nach einem Weilchen ein trugvolles täuschenden Trab über und sendet immer nach einem Weilchen ein trugvolles <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132564"/> <p xml:id="ID_1034" prev="#ID_1033"> täuschenden Trab über und sendet immer nach einem Weilchen ein trugvolles<lb/> Lächeln über seine Schulter, welches diesen Hund mit Zuversicht und weltlichem<lb/> Ehrgeiz erfüllt und bewirkt, daß er seinen Kopf noch tiefer nach dem Boden<lb/> senkt und seinen Hals noch mehr nach vorn streckt und noch grimmiger keucht<lb/> und seinen Schwanz noch gerader hinausstehen läßt und seine wüthenden Beine<lb/> mit noch wilderer Raserei bewegt und eine immer breitere, höhere und dickere<lb/> Wolke von Wüstensand aufwühlt, die hinter ihm raucht und seine lange Spur<lb/> quer über die ebne Fläche bezeichnet. Und in dieser ganzen Zeit ist der Hund<lb/> nur kurze zwanzig Schritt hinter dem Cayote, und wenn es das Heil seiner<lb/> Seele gälte, er begreift nicht, was es ist, daß er ihm nicht merklich näher<lb/> kommen kann, und er fängt an, ärgerlich zu werden, und es macht ihn toller<lb/> und immer toller, sehen zu müssen, wie der Cayote sanft hingleitet und nie¬<lb/> mals keucht oder schwitzt oder zu lächeln aufhört. Immer hitziger und hitziger<lb/> wird er, wenn er sieht, wie schmachvoll er von einem vollkommen Fremden<lb/> hinters Licht geführt worden und was für ein unedler Schwindel dieser lang¬<lb/> gestreckte, ruhige, leisetretende Trab ist. Und nun merkt er zunächst, daß er<lb/> erschöpft zu werden anfängt, und daß der Cayote seine Geschwindigkeit zu ver¬<lb/> mindern hat, wenn er ihm nicht davon laufen soll, und jetzt wird dieser Stadt¬<lb/> hund ernstlich toll, und er fängt an, sich aufs Aeußerste anzustrengen, zu<lb/> weinen und zu fluchen, den Sand mit seinen Pfoten noch höher empor zu<lb/> werfen und dem Cayote mit concentrirter und verzweifelter Energie nachzu¬<lb/> jagen. Diese Anstrengung bringt ihn sechs Fuß hinter den dahingleitenden<lb/> Feind und zwei Meilen von seinen Freunden weg. Und nun, in dem Augen¬<lb/> blicke, wo eine wilde neue Hoffnung sein Gesicht erhellt, dreht sich der Cayote<lb/> um und lächelt ihm noch einmal freundlich zu, wobei ein Etwas in seiner<lb/> Miene liegt, das zu sagen scheint: „Na, ich werde mich wohl von Dir los¬<lb/> reißen müssen, mein Junge — Geschäft ist Geschäft, und es geht nicht, daß<lb/> ich den ganzen Tag auf diese Art mit Narrenspossen vertrödle" — und so¬<lb/> fort hört man ein Sausen und das plötzliche Hindurchfahren eines langen<lb/> Krachs durch die Atmosphäre, und siehe da, jener Hund ist einsam und allein<lb/> mitten in einer unermeßlichen Einöde. Es schwimmt ihm vor den Augen.<lb/> Er bleibt stehen und sieht sich um, klettert auf den nächsten Sandhügel und<lb/> schaut in die Ferne, schüttelt nachdenklich den Kopf und kehrt dann, ohne<lb/> ein Wort zu sagen, um und jagt nach seiner Gesellschaft zurück, wo er eine<lb/> demüthige Stellung unter dem hintersten Wagen einnimmt, sich unaussprechlich<lb/> gemein vorkommt, beschämt aussieht und seinen Schwanz eine halbe Woche<lb/> auf halbem Maste trägt. Und wenn ein Jahr nachher etwa wieder ein großes<lb/> Gelärm und Geschrei nach einem Cayote losbricht, wirft dieser Hund nur einen<lb/> gelassnen Blick nach dieser Richtung und bemerkt offenbar zu sich: „Ich glaube,<lb/> ich mag nichts wieder von der Pastete." ></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342]
täuschenden Trab über und sendet immer nach einem Weilchen ein trugvolles
Lächeln über seine Schulter, welches diesen Hund mit Zuversicht und weltlichem
Ehrgeiz erfüllt und bewirkt, daß er seinen Kopf noch tiefer nach dem Boden
senkt und seinen Hals noch mehr nach vorn streckt und noch grimmiger keucht
und seinen Schwanz noch gerader hinausstehen läßt und seine wüthenden Beine
mit noch wilderer Raserei bewegt und eine immer breitere, höhere und dickere
Wolke von Wüstensand aufwühlt, die hinter ihm raucht und seine lange Spur
quer über die ebne Fläche bezeichnet. Und in dieser ganzen Zeit ist der Hund
nur kurze zwanzig Schritt hinter dem Cayote, und wenn es das Heil seiner
Seele gälte, er begreift nicht, was es ist, daß er ihm nicht merklich näher
kommen kann, und er fängt an, ärgerlich zu werden, und es macht ihn toller
und immer toller, sehen zu müssen, wie der Cayote sanft hingleitet und nie¬
mals keucht oder schwitzt oder zu lächeln aufhört. Immer hitziger und hitziger
wird er, wenn er sieht, wie schmachvoll er von einem vollkommen Fremden
hinters Licht geführt worden und was für ein unedler Schwindel dieser lang¬
gestreckte, ruhige, leisetretende Trab ist. Und nun merkt er zunächst, daß er
erschöpft zu werden anfängt, und daß der Cayote seine Geschwindigkeit zu ver¬
mindern hat, wenn er ihm nicht davon laufen soll, und jetzt wird dieser Stadt¬
hund ernstlich toll, und er fängt an, sich aufs Aeußerste anzustrengen, zu
weinen und zu fluchen, den Sand mit seinen Pfoten noch höher empor zu
werfen und dem Cayote mit concentrirter und verzweifelter Energie nachzu¬
jagen. Diese Anstrengung bringt ihn sechs Fuß hinter den dahingleitenden
Feind und zwei Meilen von seinen Freunden weg. Und nun, in dem Augen¬
blicke, wo eine wilde neue Hoffnung sein Gesicht erhellt, dreht sich der Cayote
um und lächelt ihm noch einmal freundlich zu, wobei ein Etwas in seiner
Miene liegt, das zu sagen scheint: „Na, ich werde mich wohl von Dir los¬
reißen müssen, mein Junge — Geschäft ist Geschäft, und es geht nicht, daß
ich den ganzen Tag auf diese Art mit Narrenspossen vertrödle" — und so¬
fort hört man ein Sausen und das plötzliche Hindurchfahren eines langen
Krachs durch die Atmosphäre, und siehe da, jener Hund ist einsam und allein
mitten in einer unermeßlichen Einöde. Es schwimmt ihm vor den Augen.
Er bleibt stehen und sieht sich um, klettert auf den nächsten Sandhügel und
schaut in die Ferne, schüttelt nachdenklich den Kopf und kehrt dann, ohne
ein Wort zu sagen, um und jagt nach seiner Gesellschaft zurück, wo er eine
demüthige Stellung unter dem hintersten Wagen einnimmt, sich unaussprechlich
gemein vorkommt, beschämt aussieht und seinen Schwanz eine halbe Woche
auf halbem Maste trägt. Und wenn ein Jahr nachher etwa wieder ein großes
Gelärm und Geschrei nach einem Cayote losbricht, wirft dieser Hund nur einen
gelassnen Blick nach dieser Richtung und bemerkt offenbar zu sich: „Ich glaube,
ich mag nichts wieder von der Pastete." >
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