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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Noch eine dritte wichtige Frage trat bei dieser ersten Berathung des
Reichshaushaltes wiederum hervor. Die Frage nämlich nach der Aufbringung
des Reichsbedarfs, soweit derselbe aus den dem Reich bis jetzt zugewiesenen
ungenügenden Einnahmen nicht gedeckt ist, durch die Matrikular-Beiträge.
Diese Matrikular-Beiträge bilden sich mehr und mehr zu einer wunden Stelle
der Reichsfinanzen aus. Durch die Beschwerde, welche ihre Aufbringung den
Einzelstaaten verursacht, rufen sie den Widerstand gegen ausgiebige Leistungen
der Reichsfinanzen erst im Bundesrath und dann im Reichstag bei den
Vertretern aus den Einzelstaaten hervor. Es mag mehr als ein Mitglied
des Reichstags geben, welches durchaus nicht die Gedanken des Herrn Richter
über die richtige Stellung der Finanzverwaltung dem Parlament gegenüber
theilt, und welches dennoch für eine prinzipiell unzulässige Beschränkung der
Reichs-Finanzverwaltung zu stimmen gedrängt wird, um die Lasten der
Heimathlandschaft nicht über die Erträglichkeit anwachsen zu lassen. Die Be¬
seitigung der Matrikular-Beiträge durch Vermehrung der eigenen Finanz¬
quellen des Reiches wird bereits zu einer drängenden Frage. Die Beibehaltung
der Matrikular-Beiträge läßt sich eigentlich nur noch denken von dem Stand¬
punkte eines ungeduldigen Unitariers, der den Einzelstaaten die Existenz
sobald als möglich verleiden möchte, oder eines Reichsfeindes, der die centri-
fugale Tendenz der Einzelstaaten angefacht sehen möchte. Die richtige Ver-
theilung der Einnahmequellen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten ist
ein schwieriges aber dankbares Problem unserer nächsten Entwickelung. ---
Die beiden von Herrn Richter angeregten Fragen sollen, wie es scheint, ihre
grundsätzliche Erledigung durch das Gesetz über die Verwaltung der Ausgaben
und Einnahmen des Reiches finden. Ob die Vereinbarung schon in dieser
Session gelingt, steht dahin. Das Ergebniß der ersten Berathung des Haus¬
haltes war, daß das den ganzen Haushalt zusammenfassende Gesetz, die
Heeresausgaben und die Matrikular-Beiträge der Budget-Commission zur
Vorberathung überwiesen wurden. Die anderen Theile des Haushaltes
werden im Reichstag ohne Commissionsvorbereitung, wie es bereits üblich
geworden, auf Grund von Referaten von Mitgliedern, die für das Referat
über gewisse Gruppen vom Präsidenten ernannt sind, berathen werden.

Die siebente Sitzung mit ihren gelegentlich der dritten Berathung über
die Einführung der Reichsmünzgesetze in Elsaß-Lothringen erhobenen Klagen
über die dortige Verdrängung der Franken; mit ihrer zweiten Berathung des
Markenschutzgesetzes und einiger kleineren technischen Vorlagen übergehen wir.
Ebenso die achte Sitzung. Der in dieser Sitzung beschlossene neue Paragraph
der Geschäftsordnung, welcher die Behandlung der Uebersichten über die vom
Bundesrath gefaßten Entschließungen auf initiative Beschlüsse des Reichstags
regelt, kann besprochen werden, wenn er zur praktischen Anwendung kommt.


Noch eine dritte wichtige Frage trat bei dieser ersten Berathung des
Reichshaushaltes wiederum hervor. Die Frage nämlich nach der Aufbringung
des Reichsbedarfs, soweit derselbe aus den dem Reich bis jetzt zugewiesenen
ungenügenden Einnahmen nicht gedeckt ist, durch die Matrikular-Beiträge.
Diese Matrikular-Beiträge bilden sich mehr und mehr zu einer wunden Stelle
der Reichsfinanzen aus. Durch die Beschwerde, welche ihre Aufbringung den
Einzelstaaten verursacht, rufen sie den Widerstand gegen ausgiebige Leistungen
der Reichsfinanzen erst im Bundesrath und dann im Reichstag bei den
Vertretern aus den Einzelstaaten hervor. Es mag mehr als ein Mitglied
des Reichstags geben, welches durchaus nicht die Gedanken des Herrn Richter
über die richtige Stellung der Finanzverwaltung dem Parlament gegenüber
theilt, und welches dennoch für eine prinzipiell unzulässige Beschränkung der
Reichs-Finanzverwaltung zu stimmen gedrängt wird, um die Lasten der
Heimathlandschaft nicht über die Erträglichkeit anwachsen zu lassen. Die Be¬
seitigung der Matrikular-Beiträge durch Vermehrung der eigenen Finanz¬
quellen des Reiches wird bereits zu einer drängenden Frage. Die Beibehaltung
der Matrikular-Beiträge läßt sich eigentlich nur noch denken von dem Stand¬
punkte eines ungeduldigen Unitariers, der den Einzelstaaten die Existenz
sobald als möglich verleiden möchte, oder eines Reichsfeindes, der die centri-
fugale Tendenz der Einzelstaaten angefacht sehen möchte. Die richtige Ver-
theilung der Einnahmequellen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten ist
ein schwieriges aber dankbares Problem unserer nächsten Entwickelung. —-
Die beiden von Herrn Richter angeregten Fragen sollen, wie es scheint, ihre
grundsätzliche Erledigung durch das Gesetz über die Verwaltung der Ausgaben
und Einnahmen des Reiches finden. Ob die Vereinbarung schon in dieser
Session gelingt, steht dahin. Das Ergebniß der ersten Berathung des Haus¬
haltes war, daß das den ganzen Haushalt zusammenfassende Gesetz, die
Heeresausgaben und die Matrikular-Beiträge der Budget-Commission zur
Vorberathung überwiesen wurden. Die anderen Theile des Haushaltes
werden im Reichstag ohne Commissionsvorbereitung, wie es bereits üblich
geworden, auf Grund von Referaten von Mitgliedern, die für das Referat
über gewisse Gruppen vom Präsidenten ernannt sind, berathen werden.

Die siebente Sitzung mit ihren gelegentlich der dritten Berathung über
die Einführung der Reichsmünzgesetze in Elsaß-Lothringen erhobenen Klagen
über die dortige Verdrängung der Franken; mit ihrer zweiten Berathung des
Markenschutzgesetzes und einiger kleineren technischen Vorlagen übergehen wir.
Ebenso die achte Sitzung. Der in dieser Sitzung beschlossene neue Paragraph
der Geschäftsordnung, welcher die Behandlung der Uebersichten über die vom
Bundesrath gefaßten Entschließungen auf initiative Beschlüsse des Reichstags
regelt, kann besprochen werden, wenn er zur praktischen Anwendung kommt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/320>, abgerufen am 29.12.2024.