Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.gesetzlichen Etat, einmal weniger, also unter dem gesetzlichen Etat, durch die Der zweite Angriffspunkt, den Herr Richter ausgesucht, betraf die Ueber¬ gesetzlichen Etat, einmal weniger, also unter dem gesetzlichen Etat, durch die Der zweite Angriffspunkt, den Herr Richter ausgesucht, betraf die Ueber¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132541"/> <p xml:id="ID_979" prev="#ID_978"> gesetzlichen Etat, einmal weniger, also unter dem gesetzlichen Etat, durch die<lb/> wechselnden Bedürfnisse einer so großen Verwaltung aktuell besetzt ist. Nun<lb/> ergiebt sich die Frage, ob die Kriegsverwaltung dem Gesetz genügt, wenn<lb/> sie sich im Ganzen an den vorbezeichneten Rahmen hält, oder ob sie für<lb/> alle Abweichungen im Einzelnen, auch wenn dieselben das gesummte Ergebniß<lb/> nicht verändern, der Genehmigung des Reichstags bedarf. Es ist klar, daß<lb/> die Natur der Sache eine bestimmte Reihe solcher Abänderungen in jedem<lb/> Verwaltungsjahre unvermeidlich mit sich bringt. Wollte man den ganzen<lb/> großen Etat der Personal-Ausgaben des Heeres, der alljährlich gewissen<lb/> Schwankungen nothwendig unterworfen ist, für jedes Jahr bis in die kleinste<lb/> Einzelheit durch Verhandlung und Vereinbarung mit dem Reichstage regu-<lb/> liren, so hieße das nichts anderes, als dem Reichstag die Heeresverwaltung<lb/> in die Hand geben. Damit hätte die Stetigkeit der Kriegsverfassung trotz<lb/> des Reichs-Militairgesetzes ein Ende und bald auch die Wehrhaftigkeit der<lb/> deutschen Nation. Vielleicht begreift dies sogar Herr Richter. Vielleicht be¬<lb/> ansprucht er die Herrschaft über die Heeresverwaltung für den Reichstag nur<lb/> im Prinzip, zu dem Behuf, die Regierung vom Reichstag abhängig zu machen<lb/> unter dem Vorbehalt, einer Verwaltung, die dieser Abhängigkeit gehörig<lb/> Rechnung trägt, den unentbehrlichen Spielraum so lange zu gewähren, als<lb/> die Personen der Verwaltungsvorstände dem Reichstag gefallen. Es ist ein<lb/> sehr bekanntes Ziel, auf welches Herr Richter auch hier hinsteuert, und wir<lb/> haben die Ersprießlichkeit desselben augenscheinlich nicht zu erörtern.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Der zweite Angriffspunkt, den Herr Richter ausgesucht, betraf die Ueber¬<lb/> schüsse des laufenden Jahres. Der Kritiker wollte dieselben bereits für die<lb/> Bedürfnisse des jetzt zu berathenden nächstjährigen Haushaltes in Einnahme<lb/> gestellt wissen. Er wollte, daß man über die Ueberschüsse verfüge, noch ehe<lb/> sie vorhanden sind. Denn so lange die Jahresrechnung nicht abgeschlossen,<lb/> können die Ergebnisse nur auf Wahrscheinlichkeit beruhen. Der Kritiker ver¬<lb/> folgt mit dieser zweiten Forderung dasselbe Ziel, wie bei der ersten. Eine<lb/> Finanzverwaltung, welche über ihre Ueberschüsse verfügt, noch ehe sie dieselben<lb/> eingebracht hat, welche die Anschläge ihrer Einnahmen eher zu hoch, als zu<lb/> niedrig zu machen genöthigt wird, muß jedes Jahr in die Lage kommen,<lb/> außerordentliche Deckungsmittel vom Reichstag zu erbitten. Sie muß sehr<lb/> beflissen sein, sich die Gunst des Reichstages durch jede denkbare Nachgiebigkeit<lb/> SU erhalten, um nicht entweder peinlichen Verantwortungen ausgesetzt zu sein,<lb/> «der durch Verabsäumung nothwendiger Ausgaben gegen das eigene Gewissen<lb/> zu handeln. Der sichere und stetige Gang der Verwaltung wird unter allen<lb/> Umständen gehemmt werden und die bekannte Verbindung von verschwenderischen<lb/> Schlendrian und kostspieliger Versäumnis) eintreten, die wir anderwärts als<lb/> Folge der parlamentarischen Allmacht über das Finanzgebiet in Blüthe sehen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
gesetzlichen Etat, einmal weniger, also unter dem gesetzlichen Etat, durch die
wechselnden Bedürfnisse einer so großen Verwaltung aktuell besetzt ist. Nun
ergiebt sich die Frage, ob die Kriegsverwaltung dem Gesetz genügt, wenn
sie sich im Ganzen an den vorbezeichneten Rahmen hält, oder ob sie für
alle Abweichungen im Einzelnen, auch wenn dieselben das gesummte Ergebniß
nicht verändern, der Genehmigung des Reichstags bedarf. Es ist klar, daß
die Natur der Sache eine bestimmte Reihe solcher Abänderungen in jedem
Verwaltungsjahre unvermeidlich mit sich bringt. Wollte man den ganzen
großen Etat der Personal-Ausgaben des Heeres, der alljährlich gewissen
Schwankungen nothwendig unterworfen ist, für jedes Jahr bis in die kleinste
Einzelheit durch Verhandlung und Vereinbarung mit dem Reichstage regu-
liren, so hieße das nichts anderes, als dem Reichstag die Heeresverwaltung
in die Hand geben. Damit hätte die Stetigkeit der Kriegsverfassung trotz
des Reichs-Militairgesetzes ein Ende und bald auch die Wehrhaftigkeit der
deutschen Nation. Vielleicht begreift dies sogar Herr Richter. Vielleicht be¬
ansprucht er die Herrschaft über die Heeresverwaltung für den Reichstag nur
im Prinzip, zu dem Behuf, die Regierung vom Reichstag abhängig zu machen
unter dem Vorbehalt, einer Verwaltung, die dieser Abhängigkeit gehörig
Rechnung trägt, den unentbehrlichen Spielraum so lange zu gewähren, als
die Personen der Verwaltungsvorstände dem Reichstag gefallen. Es ist ein
sehr bekanntes Ziel, auf welches Herr Richter auch hier hinsteuert, und wir
haben die Ersprießlichkeit desselben augenscheinlich nicht zu erörtern.
Der zweite Angriffspunkt, den Herr Richter ausgesucht, betraf die Ueber¬
schüsse des laufenden Jahres. Der Kritiker wollte dieselben bereits für die
Bedürfnisse des jetzt zu berathenden nächstjährigen Haushaltes in Einnahme
gestellt wissen. Er wollte, daß man über die Ueberschüsse verfüge, noch ehe
sie vorhanden sind. Denn so lange die Jahresrechnung nicht abgeschlossen,
können die Ergebnisse nur auf Wahrscheinlichkeit beruhen. Der Kritiker ver¬
folgt mit dieser zweiten Forderung dasselbe Ziel, wie bei der ersten. Eine
Finanzverwaltung, welche über ihre Ueberschüsse verfügt, noch ehe sie dieselben
eingebracht hat, welche die Anschläge ihrer Einnahmen eher zu hoch, als zu
niedrig zu machen genöthigt wird, muß jedes Jahr in die Lage kommen,
außerordentliche Deckungsmittel vom Reichstag zu erbitten. Sie muß sehr
beflissen sein, sich die Gunst des Reichstages durch jede denkbare Nachgiebigkeit
SU erhalten, um nicht entweder peinlichen Verantwortungen ausgesetzt zu sein,
«der durch Verabsäumung nothwendiger Ausgaben gegen das eigene Gewissen
zu handeln. Der sichere und stetige Gang der Verwaltung wird unter allen
Umständen gehemmt werden und die bekannte Verbindung von verschwenderischen
Schlendrian und kostspieliger Versäumnis) eintreten, die wir anderwärts als
Folge der parlamentarischen Allmacht über das Finanzgebiet in Blüthe sehen.
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