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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Indessen zeigte sich bald, daß die Verhandlungen zwischen der Regierung
und der Commission nicht zum Ziele führen würden. Die Mehrheit der
Commission, deren Führung Casimir Perrier übernommen hatte, bestand da¬
rauf, daß die Abstimmung über die Verlängerung der Vollmachten und die
konstitutionellen Gesetze gleichzeitig vorgenommen würden, d. h. sie wollte die
Präsidentschaft als organischen Bestandtheil in eine republikanische Verfassung
einfügen, während Mac Mahon unbedingt die Trennung beider Fragen ver¬
langte: die Verlängerung der Vollmachten ganz unabhängig von den consti¬
tutionellen Gesetzen, deren Nothwendigkeit auch er erkannte, die aber, wie er
die Sache auffaßte, nicht die Republik begründen, sondern nur die Befugnisse
der Executivgewalt regeln und kräftigen sollten. Das war das grade Gegen¬
theil von dem, was die Mehrheit des Ausschusses durchzusetzen wünschte, und
an diesem grundsätzlichen Gegensatz mußten natürlich alle Vereinbarungsver¬
suche scheitern.

Je klarer sich dies herausstellte, um so mehr war die Regierung darauf
angewiesen, mit der Rechten sich vollständig zu verständigen. Dazu bedürfte
^ aber von Seiten Mac Mahon's eines Zugeständnisses in Betreff der Zeit,
für welche seine Vollmacht zu verlängern wäre, da an den 10 Jahren nicht
bloß die Republikaner und Bonapartisten, sondern auch die Royalisten in
überwiegender Mehrheit Anlaß nahmen. Am 17. November erließ Mac Mahon
eine Botschaft, in welcher er erklärte: Frankreich würde einer Staatsgewalt
kein Verständniß abgewinnen können, deren Dauer man schon in ihrem
Beginn Vorbehalten unterwürfe, durch welche dieselbe von dem constitutionellen
Gesetze abhängig gemacht würde. Dadurch würde in wenigen Tagen wieder
M Frage gestellt werden, was man heute beschließen würde. In diesem
Hauptpunkte also blieb Mac Mahon fest, und erkannte dies um so sicherer,
da er hierin auch aus die Zustimmung der Bonapartisten rechnen konnte.
In der Zeitfrage gab er dagegen nach und erklärte, sich mit einer Ver¬
längerung seiner Amtsgewalt auf 7 Jahre begnügen zu können.

Damit war die Brücke der Verständigung mit dem Ausschusse abgebrochen
worden. Die Mehrheit des Ausschusses schlug vor, die Abstimmung über die
Verlängerung der Gewalten und über die constitutionellen Gesetze gleichzeitig
und zusammen vorzunehmen; die Minorität stellte durch den Abgeordneten
Depeyre diesem Vorschlag den in einigen Punkten modificirten Antrag
Changarnier's (u. a. war der Titel "Präsident der Republik" in den Gesetzes¬
vorschlag aufgenommen worden) entgegen. Nach lebhafter Debatte, in der
die Bonapartisten ihren Standpunkt durch die Forderung der allgemeinen
Abstimmung wahrten (Rouher selbst ergriff bei dieser Gelegenheit das Wort),
wurde der Antrag Depeyre in allen seinen Theilen mit bedeutender Stimmen-
Mehrheit angenommen. Von der Linken war der Versuch gemacht worden.


Indessen zeigte sich bald, daß die Verhandlungen zwischen der Regierung
und der Commission nicht zum Ziele führen würden. Die Mehrheit der
Commission, deren Führung Casimir Perrier übernommen hatte, bestand da¬
rauf, daß die Abstimmung über die Verlängerung der Vollmachten und die
konstitutionellen Gesetze gleichzeitig vorgenommen würden, d. h. sie wollte die
Präsidentschaft als organischen Bestandtheil in eine republikanische Verfassung
einfügen, während Mac Mahon unbedingt die Trennung beider Fragen ver¬
langte: die Verlängerung der Vollmachten ganz unabhängig von den consti¬
tutionellen Gesetzen, deren Nothwendigkeit auch er erkannte, die aber, wie er
die Sache auffaßte, nicht die Republik begründen, sondern nur die Befugnisse
der Executivgewalt regeln und kräftigen sollten. Das war das grade Gegen¬
theil von dem, was die Mehrheit des Ausschusses durchzusetzen wünschte, und
an diesem grundsätzlichen Gegensatz mußten natürlich alle Vereinbarungsver¬
suche scheitern.

Je klarer sich dies herausstellte, um so mehr war die Regierung darauf
angewiesen, mit der Rechten sich vollständig zu verständigen. Dazu bedürfte
^ aber von Seiten Mac Mahon's eines Zugeständnisses in Betreff der Zeit,
für welche seine Vollmacht zu verlängern wäre, da an den 10 Jahren nicht
bloß die Republikaner und Bonapartisten, sondern auch die Royalisten in
überwiegender Mehrheit Anlaß nahmen. Am 17. November erließ Mac Mahon
eine Botschaft, in welcher er erklärte: Frankreich würde einer Staatsgewalt
kein Verständniß abgewinnen können, deren Dauer man schon in ihrem
Beginn Vorbehalten unterwürfe, durch welche dieselbe von dem constitutionellen
Gesetze abhängig gemacht würde. Dadurch würde in wenigen Tagen wieder
M Frage gestellt werden, was man heute beschließen würde. In diesem
Hauptpunkte also blieb Mac Mahon fest, und erkannte dies um so sicherer,
da er hierin auch aus die Zustimmung der Bonapartisten rechnen konnte.
In der Zeitfrage gab er dagegen nach und erklärte, sich mit einer Ver¬
längerung seiner Amtsgewalt auf 7 Jahre begnügen zu können.

Damit war die Brücke der Verständigung mit dem Ausschusse abgebrochen
worden. Die Mehrheit des Ausschusses schlug vor, die Abstimmung über die
Verlängerung der Gewalten und über die constitutionellen Gesetze gleichzeitig
und zusammen vorzunehmen; die Minorität stellte durch den Abgeordneten
Depeyre diesem Vorschlag den in einigen Punkten modificirten Antrag
Changarnier's (u. a. war der Titel „Präsident der Republik" in den Gesetzes¬
vorschlag aufgenommen worden) entgegen. Nach lebhafter Debatte, in der
die Bonapartisten ihren Standpunkt durch die Forderung der allgemeinen
Abstimmung wahrten (Rouher selbst ergriff bei dieser Gelegenheit das Wort),
wurde der Antrag Depeyre in allen seinen Theilen mit bedeutender Stimmen-
Mehrheit angenommen. Von der Linken war der Versuch gemacht worden.


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[0307] Indessen zeigte sich bald, daß die Verhandlungen zwischen der Regierung und der Commission nicht zum Ziele führen würden. Die Mehrheit der Commission, deren Führung Casimir Perrier übernommen hatte, bestand da¬ rauf, daß die Abstimmung über die Verlängerung der Vollmachten und die konstitutionellen Gesetze gleichzeitig vorgenommen würden, d. h. sie wollte die Präsidentschaft als organischen Bestandtheil in eine republikanische Verfassung einfügen, während Mac Mahon unbedingt die Trennung beider Fragen ver¬ langte: die Verlängerung der Vollmachten ganz unabhängig von den consti¬ tutionellen Gesetzen, deren Nothwendigkeit auch er erkannte, die aber, wie er die Sache auffaßte, nicht die Republik begründen, sondern nur die Befugnisse der Executivgewalt regeln und kräftigen sollten. Das war das grade Gegen¬ theil von dem, was die Mehrheit des Ausschusses durchzusetzen wünschte, und an diesem grundsätzlichen Gegensatz mußten natürlich alle Vereinbarungsver¬ suche scheitern. Je klarer sich dies herausstellte, um so mehr war die Regierung darauf angewiesen, mit der Rechten sich vollständig zu verständigen. Dazu bedürfte ^ aber von Seiten Mac Mahon's eines Zugeständnisses in Betreff der Zeit, für welche seine Vollmacht zu verlängern wäre, da an den 10 Jahren nicht bloß die Republikaner und Bonapartisten, sondern auch die Royalisten in überwiegender Mehrheit Anlaß nahmen. Am 17. November erließ Mac Mahon eine Botschaft, in welcher er erklärte: Frankreich würde einer Staatsgewalt kein Verständniß abgewinnen können, deren Dauer man schon in ihrem Beginn Vorbehalten unterwürfe, durch welche dieselbe von dem constitutionellen Gesetze abhängig gemacht würde. Dadurch würde in wenigen Tagen wieder M Frage gestellt werden, was man heute beschließen würde. In diesem Hauptpunkte also blieb Mac Mahon fest, und erkannte dies um so sicherer, da er hierin auch aus die Zustimmung der Bonapartisten rechnen konnte. In der Zeitfrage gab er dagegen nach und erklärte, sich mit einer Ver¬ längerung seiner Amtsgewalt auf 7 Jahre begnügen zu können. Damit war die Brücke der Verständigung mit dem Ausschusse abgebrochen worden. Die Mehrheit des Ausschusses schlug vor, die Abstimmung über die Verlängerung der Gewalten und über die constitutionellen Gesetze gleichzeitig und zusammen vorzunehmen; die Minorität stellte durch den Abgeordneten Depeyre diesem Vorschlag den in einigen Punkten modificirten Antrag Changarnier's (u. a. war der Titel „Präsident der Republik" in den Gesetzes¬ vorschlag aufgenommen worden) entgegen. Nach lebhafter Debatte, in der die Bonapartisten ihren Standpunkt durch die Forderung der allgemeinen Abstimmung wahrten (Rouher selbst ergriff bei dieser Gelegenheit das Wort), wurde der Antrag Depeyre in allen seinen Theilen mit bedeutender Stimmen- Mehrheit angenommen. Von der Linken war der Versuch gemacht worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/307>, abgerufen am 28.07.2024.