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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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in den bezeichneten Depeschen Dietrichstein's vorfinden, hat Schmidt zu seiner
Annahme geführt einer systematischen Verläumdung des Prinzen durch
seinen ihm feindlich gesinnten Vater. Augenscheinlich argumentire er so,
wenn einige Beobachter günstig über den Prinzen berichten und urtheilen, so
Muß das, was die spanische Regierung direkt und indirekt uns über ihn mit¬
theilt, da es so viel ungünstiger lautet, Unwahrheiten enthalten; denn die
Glaubwürdigkeit jener günstig berichtenden ist aus sonstigen Gründen anzu¬
nehmen, sie ist jedenfalls vorzuziehen der Glaubwürdigkeit der Spanier, welche
Partei sind und welche das Don Carlos zwar erst später zugefügte aber schon
beabsichtigte Unrecht zu beschönigen haben. Man sieht, in dieser kritischen
Grundlage ist allerdings System. Zwar, meine ich, wäre immer noch da¬
rüber zu discutiren, welcher Seite wir zu folgen hätten, wenn ein Wider¬
spruch zwischen den Erklärungen der Regierung und den Berichten der Fran¬
zosen und Oesterreicher sich herausstellen sollte. Das Mißtrauen gegen Philipp's
Aeußerungen wäre doch erst zu begründen: allein mit der vor jeder Unter¬
suchung, wie es scheint, als Axiom feststehenden Annahme einer Feindschaft und
Verfolgungssucht des Königs wider seinen Sohn wäre nichts auszurichten bei
einem Historiker, der auch für dies Axiom um Beweise ersuchen würde; -- das
aber wäre ein nicht lobenswerther Historiker, der etwa aus Höflichkeit oder
aus eigener Liebhaberei eine solche Bitte um Beweise unterdrücken wollte!
Doch wir haben keinen Anlaß, diese abwägende und vergleichende Untersuchung
ber Glaubwürdigkeit hier vorzunehmen, -- der eben angenommene Widerspruch
ist gar nicht vorhanden. Jene Diplomaten haben als gewissenhafte pflicht¬
treue Leute ihren einheimischen Regierungen nur das berichtet, was sie am
Hofe erlebt, was sie dort vom Prinzen gehört; sie haben ihr eigenes Urtheil,
Wie es sich ziemte, nur sehr behutsam und sehr vorsichtig zu formuliren sich
bemüht: alles aber steht im Großen und Ganzen in Einklang mit dem, was
jene von Schmidt so verworfenen Italiener und was die spanischen Minister
^lbst gelegentlich erzählt und gesagt haben.

Es ist gewiß richtig, daß die französischen Diplomaten am spanischen
Hofe Gelegenheit hatten sich gute Nachrichten zu verschaffen. Und Königin
Elisabeth, die ja selbst für Don Carlos sich zu interessiren angewiesen war, mag
dabei ihnen behülflich gewesen sein. Sie erzählen nun einzelne kleinere Erleb¬
nisse und Vorfälle, sie geben einzelne seiner Aeußerungen wieder, die ihnen
b'nterbracht sind: -- meistens sind es Details, aus denen sie selbst keine
Folgerung auf seinen Charakter ziehen und die auch uns nicht darüber zu
einem Urtheile verhelfen. Doch ist Einzelnes auch von anderer Natur. So
5- B. berichtet der Gesandte im August 1363, daß Ruy Gomez ihm gesagt,
Kränklichkeit und der Blödsinn, die man an Don Carlos bemerkt habe
^'inäisiwLition et 1' und6LiIIit6 yui so vo^ait en Lg. persoimk), hätten den


in den bezeichneten Depeschen Dietrichstein's vorfinden, hat Schmidt zu seiner
Annahme geführt einer systematischen Verläumdung des Prinzen durch
seinen ihm feindlich gesinnten Vater. Augenscheinlich argumentire er so,
wenn einige Beobachter günstig über den Prinzen berichten und urtheilen, so
Muß das, was die spanische Regierung direkt und indirekt uns über ihn mit¬
theilt, da es so viel ungünstiger lautet, Unwahrheiten enthalten; denn die
Glaubwürdigkeit jener günstig berichtenden ist aus sonstigen Gründen anzu¬
nehmen, sie ist jedenfalls vorzuziehen der Glaubwürdigkeit der Spanier, welche
Partei sind und welche das Don Carlos zwar erst später zugefügte aber schon
beabsichtigte Unrecht zu beschönigen haben. Man sieht, in dieser kritischen
Grundlage ist allerdings System. Zwar, meine ich, wäre immer noch da¬
rüber zu discutiren, welcher Seite wir zu folgen hätten, wenn ein Wider¬
spruch zwischen den Erklärungen der Regierung und den Berichten der Fran¬
zosen und Oesterreicher sich herausstellen sollte. Das Mißtrauen gegen Philipp's
Aeußerungen wäre doch erst zu begründen: allein mit der vor jeder Unter¬
suchung, wie es scheint, als Axiom feststehenden Annahme einer Feindschaft und
Verfolgungssucht des Königs wider seinen Sohn wäre nichts auszurichten bei
einem Historiker, der auch für dies Axiom um Beweise ersuchen würde; — das
aber wäre ein nicht lobenswerther Historiker, der etwa aus Höflichkeit oder
aus eigener Liebhaberei eine solche Bitte um Beweise unterdrücken wollte!
Doch wir haben keinen Anlaß, diese abwägende und vergleichende Untersuchung
ber Glaubwürdigkeit hier vorzunehmen, — der eben angenommene Widerspruch
ist gar nicht vorhanden. Jene Diplomaten haben als gewissenhafte pflicht¬
treue Leute ihren einheimischen Regierungen nur das berichtet, was sie am
Hofe erlebt, was sie dort vom Prinzen gehört; sie haben ihr eigenes Urtheil,
Wie es sich ziemte, nur sehr behutsam und sehr vorsichtig zu formuliren sich
bemüht: alles aber steht im Großen und Ganzen in Einklang mit dem, was
jene von Schmidt so verworfenen Italiener und was die spanischen Minister
^lbst gelegentlich erzählt und gesagt haben.

Es ist gewiß richtig, daß die französischen Diplomaten am spanischen
Hofe Gelegenheit hatten sich gute Nachrichten zu verschaffen. Und Königin
Elisabeth, die ja selbst für Don Carlos sich zu interessiren angewiesen war, mag
dabei ihnen behülflich gewesen sein. Sie erzählen nun einzelne kleinere Erleb¬
nisse und Vorfälle, sie geben einzelne seiner Aeußerungen wieder, die ihnen
b'nterbracht sind: — meistens sind es Details, aus denen sie selbst keine
Folgerung auf seinen Charakter ziehen und die auch uns nicht darüber zu
einem Urtheile verhelfen. Doch ist Einzelnes auch von anderer Natur. So
5- B. berichtet der Gesandte im August 1363, daß Ruy Gomez ihm gesagt,
Kränklichkeit und der Blödsinn, die man an Don Carlos bemerkt habe
^'inäisiwLition et 1' und6LiIIit6 yui so vo^ait en Lg. persoimk), hätten den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/287>, abgerufen am 27.07.2024.