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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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die f>e!conservative Fraktion wiederum den Anspruch auf die Stimmen der
Nationalliberalen für die Berufung eines Freiconservativen in das Präsidium
des Hauses. Konnte es nicht wieder die erste Vieepräsidentenstelle sein, so
hätte die zweite genügt. Eine Stelle im Präsidium gebührt aber wenigstens
der Fraktion, die ebenso national ist, als die nationalliberale Partei, und
die, was ihrer Anzahl abgeht, durch ihre Bedeutung ersetzt. Wenn die national¬
liberale Fraktion unter anderm geltend gemacht hat, die erste Vieepräsidenten¬
stelle gebühre ihr, weil Herr von Forkenbeck als der allgemeine Vertrauens¬
mann des Hauses zu betrachten sei. so ist dies doch ein sehr unbilliges
Raisonnement und überdem eine unangenehme Reminiscenz aus der einstigen
Fraktion Grabow. Wenn eine Fraktion das Glück hat, daß eines ihrer
Mitglieder das allgemeine Vertrauen erwirbt, so kann doch unmöglich in Folge
dessen dieses Mitglied der Ehre verlustig gehen, der besondere Vertrauens¬
mann derjenigen Fraktion zu sein, der er angehören würde, wenn er nicht
die Präsidialgeschäste zu leiten hätte. Der wirklich durchschlagende Grund
für Herrn von Stauffenberg konnte nur seine Eigenschaft als angesehener
Und verdienter Reichsgenosse in Süddeutschland sein. Daß nun aber die
freiconservative Fraktion auch bei der zweiten Vieepräsidentenstelle nicht be"
rückstchtigt wurde, das hat schließlich doch nur den Grund, das Band mit
der Fortschrittspartei unversehrt zu erhalten, um ja nicht in Vergessenheit
kommen zu lassen, daß man ein Stück Opposition bleiben möchte, daß man
aus der Oppositionsrolle nur von Fall zu Fall heraustritt, und daß man in
jedem Augenblick wiederum eine ganze Opposition werden könnte. Auch eine
Regierungspartei darf niemals auf die selbständige Prüfung verzichten. Aber
das ist etwas anderes, als das Liebäugeln mit einer principiellen Opposition,
^us dünkt, dies ewige Vertuschen der Wahrheit, daß die Grundlage der
Uationalliberalen Partei und die Grundlage der Fortschrittspartei unerträglich
und einander entgegengesetzt sind, kann eines Tages der nationalliberalen
Partei schlimme Früchte bringen.

Die dritte Reichstagssitzung fand am zweiten November statt. Es
handelte sich um zahlreiche kleinere technische Vorlagen, die bis zum Abschluß
zweiten Berathung gefördert wurden. Die vierte Sitzung am 4. Nov.
brachte außer dritten Berathungen einiger technischen Vorlagen die erste Be¬
rathung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung der Reichsmünz-
Sesetze in Elsaß-Lothringen. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einem Vorspiel
umfassenden Erörterung unserer Münz- und Geldverhältnisse, welche sich
den Bankgesetzentwurf s. Z. anknüpfen muß. Unsere Berichterstattung
^ird diese große Materie in ihrem richtigen Zusammenhang bei Gelegenheit
der Berathung des Bankgesetzes zu beleuchten haben. Wir gehen also über
bisherigen vorläufigen Aeußerungen verschiedener Reichstagsmitglieder


die f>e!conservative Fraktion wiederum den Anspruch auf die Stimmen der
Nationalliberalen für die Berufung eines Freiconservativen in das Präsidium
des Hauses. Konnte es nicht wieder die erste Vieepräsidentenstelle sein, so
hätte die zweite genügt. Eine Stelle im Präsidium gebührt aber wenigstens
der Fraktion, die ebenso national ist, als die nationalliberale Partei, und
die, was ihrer Anzahl abgeht, durch ihre Bedeutung ersetzt. Wenn die national¬
liberale Fraktion unter anderm geltend gemacht hat, die erste Vieepräsidenten¬
stelle gebühre ihr, weil Herr von Forkenbeck als der allgemeine Vertrauens¬
mann des Hauses zu betrachten sei. so ist dies doch ein sehr unbilliges
Raisonnement und überdem eine unangenehme Reminiscenz aus der einstigen
Fraktion Grabow. Wenn eine Fraktion das Glück hat, daß eines ihrer
Mitglieder das allgemeine Vertrauen erwirbt, so kann doch unmöglich in Folge
dessen dieses Mitglied der Ehre verlustig gehen, der besondere Vertrauens¬
mann derjenigen Fraktion zu sein, der er angehören würde, wenn er nicht
die Präsidialgeschäste zu leiten hätte. Der wirklich durchschlagende Grund
für Herrn von Stauffenberg konnte nur seine Eigenschaft als angesehener
Und verdienter Reichsgenosse in Süddeutschland sein. Daß nun aber die
freiconservative Fraktion auch bei der zweiten Vieepräsidentenstelle nicht be«
rückstchtigt wurde, das hat schließlich doch nur den Grund, das Band mit
der Fortschrittspartei unversehrt zu erhalten, um ja nicht in Vergessenheit
kommen zu lassen, daß man ein Stück Opposition bleiben möchte, daß man
aus der Oppositionsrolle nur von Fall zu Fall heraustritt, und daß man in
jedem Augenblick wiederum eine ganze Opposition werden könnte. Auch eine
Regierungspartei darf niemals auf die selbständige Prüfung verzichten. Aber
das ist etwas anderes, als das Liebäugeln mit einer principiellen Opposition,
^us dünkt, dies ewige Vertuschen der Wahrheit, daß die Grundlage der
Uationalliberalen Partei und die Grundlage der Fortschrittspartei unerträglich
und einander entgegengesetzt sind, kann eines Tages der nationalliberalen
Partei schlimme Früchte bringen.

Die dritte Reichstagssitzung fand am zweiten November statt. Es
handelte sich um zahlreiche kleinere technische Vorlagen, die bis zum Abschluß
zweiten Berathung gefördert wurden. Die vierte Sitzung am 4. Nov.
brachte außer dritten Berathungen einiger technischen Vorlagen die erste Be¬
rathung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung der Reichsmünz-
Sesetze in Elsaß-Lothringen. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einem Vorspiel
umfassenden Erörterung unserer Münz- und Geldverhältnisse, welche sich
den Bankgesetzentwurf s. Z. anknüpfen muß. Unsere Berichterstattung
^ird diese große Materie in ihrem richtigen Zusammenhang bei Gelegenheit
der Berathung des Bankgesetzes zu beleuchten haben. Wir gehen also über
bisherigen vorläufigen Aeußerungen verschiedener Reichstagsmitglieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/275>, abgerufen am 27.07.2024.