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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Indessen glaube ich, daß auch für das Allgemeine, wenn es im Gegen¬
satze zur herrschenden Mode erkannt und zum Siege gebracht werden soll,
energische Talente nöthig sind, deren Kampf für spätere Zeiten von einiger
historischer Wichtigkeit sein dürfte, und deren Bildungsweg für die jüngeren
Fachgenossen von Interesse ist. Eine übertriebene Bescheidenheit möchte ich
mir daher auch nicht vorwerfen, da ich gern und offen gestehe, daß ich mehr
meinem Studium und meiner Beharrlichkeit und einer glücklichen Begabung
für rhythmische Formen und Harmonie der Farben, als einer besonders großen
Gestaltungskraft meine Erfolge verdanke. Noch mehr aber verdanke ich der
Zeit, in der ich zu wirken berufen bin, denn diese wandte sich durch die
Belehrungen bedeutender Literaten wie Falke ze. und durch den Einfluß der
Architektur und der Museen den Stylbestrebungen zu und würdigte nach
und nach eine künstlerische Thätigkeit, die zur allgemeinen Reform absolut
die Hauptbedingung ist. Welcher Architekt und welcher Kunstgelehrte hat
wohl Lust und Beruf, die erkannten Wahrheiten oder Principien mit den oft
sehr trivialen Mitteln des Kunsthandwerkes praktisch zu verwirklichen?
Daran scheitert einstweilen sehr viel. -- Wir leben in einer sonderbaren
Kunstepoche, in der es fast mehr Schriftsteller über das alte Kunstgewerbe,
als produktive Ornamentisten giebt. Es ist wohl das Zeichen der Uebergangs¬
epoche und daher ist das Beispiel der "schaffenden" Künstler von einigem
Werthe. -- Sonst ist ein Eckstein im Grunde ja ein gewöhnlicher Stein und
nur der Platz verschafft ihm die größere Bedeutung. Mir kommt vor Allem
zu statten, daß die Maschinenindustrie seit einigen Jahren in die Phase ein¬
getreten ist, die Trivialität der Mode zu verlassen, um mit der Handarbeit
der besten Kunstepochen zu wetteifern. Wenn man bedenkt, daß zu dieser
Aufgabe der Zeichner zunächst die Sprache der Ornamentik in fast allen
Materialien und fast aller Zeiten studiren muß und nicht minder auch die
technischen und commerziellen Eigenheiten der Maschinenindustrie zu würdigen
hat, so wird man die intellektuelle Arbeit der Ornamentisten weniger wie
bisher bei der Gründung von Kunstgewerbeschulen unterstützen dürfen. Der
Lohn des Erfolges liegt dafür in der Verbreitung einer Fülle von schönen
Ornamenten, die früher nur für einzelne Paläste und Kirchen bestimmt
waren, jetzt aber sozusagen Gemeingut der gebildeten Welt werden. -- Hierzu
ist aber ein Zusammenwirken des Fabrikanten, Händlers und Zeichners und
ein Entgegenkommen der Käufer nothwendig. Letztere zählen bei der Maschinen-
industrie nach Tausenden und -somit ist wiederum der Erfolg von der ge'
steigerten Bildung des Geschmacks der Massen abhängig. So hatte ich in
meinem Kreise zunächst den Einfluß auf Fabrikanten und Händler, dann
durch Wort und Schrift auf die Massen zu erreichen, um einen dauernden
Erfolg mir zu sichern. Es war und ist noch eine Kette mühseliger Arbeit,


Indessen glaube ich, daß auch für das Allgemeine, wenn es im Gegen¬
satze zur herrschenden Mode erkannt und zum Siege gebracht werden soll,
energische Talente nöthig sind, deren Kampf für spätere Zeiten von einiger
historischer Wichtigkeit sein dürfte, und deren Bildungsweg für die jüngeren
Fachgenossen von Interesse ist. Eine übertriebene Bescheidenheit möchte ich
mir daher auch nicht vorwerfen, da ich gern und offen gestehe, daß ich mehr
meinem Studium und meiner Beharrlichkeit und einer glücklichen Begabung
für rhythmische Formen und Harmonie der Farben, als einer besonders großen
Gestaltungskraft meine Erfolge verdanke. Noch mehr aber verdanke ich der
Zeit, in der ich zu wirken berufen bin, denn diese wandte sich durch die
Belehrungen bedeutender Literaten wie Falke ze. und durch den Einfluß der
Architektur und der Museen den Stylbestrebungen zu und würdigte nach
und nach eine künstlerische Thätigkeit, die zur allgemeinen Reform absolut
die Hauptbedingung ist. Welcher Architekt und welcher Kunstgelehrte hat
wohl Lust und Beruf, die erkannten Wahrheiten oder Principien mit den oft
sehr trivialen Mitteln des Kunsthandwerkes praktisch zu verwirklichen?
Daran scheitert einstweilen sehr viel. — Wir leben in einer sonderbaren
Kunstepoche, in der es fast mehr Schriftsteller über das alte Kunstgewerbe,
als produktive Ornamentisten giebt. Es ist wohl das Zeichen der Uebergangs¬
epoche und daher ist das Beispiel der „schaffenden" Künstler von einigem
Werthe. — Sonst ist ein Eckstein im Grunde ja ein gewöhnlicher Stein und
nur der Platz verschafft ihm die größere Bedeutung. Mir kommt vor Allem
zu statten, daß die Maschinenindustrie seit einigen Jahren in die Phase ein¬
getreten ist, die Trivialität der Mode zu verlassen, um mit der Handarbeit
der besten Kunstepochen zu wetteifern. Wenn man bedenkt, daß zu dieser
Aufgabe der Zeichner zunächst die Sprache der Ornamentik in fast allen
Materialien und fast aller Zeiten studiren muß und nicht minder auch die
technischen und commerziellen Eigenheiten der Maschinenindustrie zu würdigen
hat, so wird man die intellektuelle Arbeit der Ornamentisten weniger wie
bisher bei der Gründung von Kunstgewerbeschulen unterstützen dürfen. Der
Lohn des Erfolges liegt dafür in der Verbreitung einer Fülle von schönen
Ornamenten, die früher nur für einzelne Paläste und Kirchen bestimmt
waren, jetzt aber sozusagen Gemeingut der gebildeten Welt werden. — Hierzu
ist aber ein Zusammenwirken des Fabrikanten, Händlers und Zeichners und
ein Entgegenkommen der Käufer nothwendig. Letztere zählen bei der Maschinen-
industrie nach Tausenden und -somit ist wiederum der Erfolg von der ge'
steigerten Bildung des Geschmacks der Massen abhängig. So hatte ich in
meinem Kreise zunächst den Einfluß auf Fabrikanten und Händler, dann
durch Wort und Schrift auf die Massen zu erreichen, um einen dauernden
Erfolg mir zu sichern. Es war und ist noch eine Kette mühseliger Arbeit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/260>, abgerufen am 27.07.2024.