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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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eigene Familie aninger wollte, was hätte ihm das für Nutzen gebracht?
Man darf nämlich nicht übersehen, daß wie zwischen den herrschenden Per¬
sonen, so auch zwischen den Politikern von Wien und Madrid die allerengsten
Beziehungen walteten: unter Karl V. hatten sie ja alle Einem Herrn und
Einem Ziele gedient; und dieser Zustand wirkte damals noch nach. Der
Diplomat, der den Kaiser Ferdinand von 1560 bis 1563 in Madrid vertrat,
Martin de Guzman wurde mit dem vollsten und rückhaltlosesten Vertrauen
von Ferdinand und auch von Philipp beehrt; ihm wurde die Wahrheit gesagt,
und auf seine Discretion verließ man sich vollständig; er, der Spanier hatte
in Madrid Gelegenheit Nachrichten einzuziehen und Urtheile sich zu bilden.
Wie kaum ein anderer der fremden Diplomaten. Und durch diesen Guzman
Wurden gerade die Erörterungen über Don Carlos und seine Verlobungsan¬
gelegenheit geführt. Während aber Guzman in Spanien Philipp's Erklärung
über Don Carlos' Zukunft herbeizuführen beschäftigt war, hatte Philipp's
Vertreter am Wiener Hofe, der Graf von Luna, eine andere delikate Ange¬
legenheit zu betreiben: Philipp wünschte einen oder zwei seiner Neffen, unter
ihnen den ältesten, den jungen Erzherzog Rudolf, nach Spanien geschickt zu
erhalten, um sie hier gut katholisch und gut spanisch erziehen zu lassen. Das
War ein Pfand für die Gesinnungsänderung Maximilian's, für seinen Entschluß
beim Katholicismus auszuhalten; es wurde aber zu gleicher Zeit schon ein
Hinweis gegeben auf die Möglichkeit, daß Rudolf der Erbe auch der spani¬
schen Krone würde. So stund ja die Sache: Philipp selbst war nicht von
fester Gesundheit; aus erster Ehe hatte er den einen Sohn, Carlos, an dessen
Suceessionsfähigkeit er damals schon zweifelte; die zweite Ehe war kinderlos
geblieben; und die dritte Frau, Elisabeth, war noch sehr jung: sie war bisher
uicht schwanger geworden; man besorgte damals noch, daß sie überhaupt un-
fruchtbar sein könnte: daraus ergab sich aber das eventuelle Erbrecht der
deutschen Linie; und Philipp wünschte aus diesem Grunde unter seinen Augen
Neffen aufwachsen zu sehen.*)

Wiederholt war im Jahre 1561 verlangt worden, daß Philipp sich äußere
trüber, ob Carlos die Erzherzogin Anna heirathen würde. Er hatte immer
e>Ne bestimmte Antwort vermieden, er hatte die häufige Krankheit des Prinzen
Kls Ursache seiner Zögerung angegeben. In Wien war man damit nicht zu¬
frieden ; man wiederholte die Anfrage in dringlicherem Tone. Da entschloß
^es Philipp deutlicher zu werden. Im März 1562 erhielt Guzman einen
Bescheid, welcher den Mangel an Gesundheit und die "mäisxvLioivn" des
Prinzen als Grund anführte, weshalb man zur Zeit über seine Zukunft noch



') Detaillirtere Mittheilungen, Citate und Wortlaut der wichtigeren Aktenstücke findet man
32. Bande der Historischen Zeitschrift. Das entscheidende Document, das endgültig alle
Kontroversen über Don Carlos erledigt, ist ein eigenhändiges Schreiben Guzman's an Fer¬
dinand vom 10. März 1562 a. a. O. S. 290 f.

eigene Familie aninger wollte, was hätte ihm das für Nutzen gebracht?
Man darf nämlich nicht übersehen, daß wie zwischen den herrschenden Per¬
sonen, so auch zwischen den Politikern von Wien und Madrid die allerengsten
Beziehungen walteten: unter Karl V. hatten sie ja alle Einem Herrn und
Einem Ziele gedient; und dieser Zustand wirkte damals noch nach. Der
Diplomat, der den Kaiser Ferdinand von 1560 bis 1563 in Madrid vertrat,
Martin de Guzman wurde mit dem vollsten und rückhaltlosesten Vertrauen
von Ferdinand und auch von Philipp beehrt; ihm wurde die Wahrheit gesagt,
und auf seine Discretion verließ man sich vollständig; er, der Spanier hatte
in Madrid Gelegenheit Nachrichten einzuziehen und Urtheile sich zu bilden.
Wie kaum ein anderer der fremden Diplomaten. Und durch diesen Guzman
Wurden gerade die Erörterungen über Don Carlos und seine Verlobungsan¬
gelegenheit geführt. Während aber Guzman in Spanien Philipp's Erklärung
über Don Carlos' Zukunft herbeizuführen beschäftigt war, hatte Philipp's
Vertreter am Wiener Hofe, der Graf von Luna, eine andere delikate Ange¬
legenheit zu betreiben: Philipp wünschte einen oder zwei seiner Neffen, unter
ihnen den ältesten, den jungen Erzherzog Rudolf, nach Spanien geschickt zu
erhalten, um sie hier gut katholisch und gut spanisch erziehen zu lassen. Das
War ein Pfand für die Gesinnungsänderung Maximilian's, für seinen Entschluß
beim Katholicismus auszuhalten; es wurde aber zu gleicher Zeit schon ein
Hinweis gegeben auf die Möglichkeit, daß Rudolf der Erbe auch der spani¬
schen Krone würde. So stund ja die Sache: Philipp selbst war nicht von
fester Gesundheit; aus erster Ehe hatte er den einen Sohn, Carlos, an dessen
Suceessionsfähigkeit er damals schon zweifelte; die zweite Ehe war kinderlos
geblieben; und die dritte Frau, Elisabeth, war noch sehr jung: sie war bisher
uicht schwanger geworden; man besorgte damals noch, daß sie überhaupt un-
fruchtbar sein könnte: daraus ergab sich aber das eventuelle Erbrecht der
deutschen Linie; und Philipp wünschte aus diesem Grunde unter seinen Augen
Neffen aufwachsen zu sehen.*)

Wiederholt war im Jahre 1561 verlangt worden, daß Philipp sich äußere
trüber, ob Carlos die Erzherzogin Anna heirathen würde. Er hatte immer
e>Ne bestimmte Antwort vermieden, er hatte die häufige Krankheit des Prinzen
Kls Ursache seiner Zögerung angegeben. In Wien war man damit nicht zu¬
frieden ; man wiederholte die Anfrage in dringlicherem Tone. Da entschloß
^es Philipp deutlicher zu werden. Im März 1562 erhielt Guzman einen
Bescheid, welcher den Mangel an Gesundheit und die „mäisxvLioivn" des
Prinzen als Grund anführte, weshalb man zur Zeit über seine Zukunft noch



') Detaillirtere Mittheilungen, Citate und Wortlaut der wichtigeren Aktenstücke findet man
32. Bande der Historischen Zeitschrift. Das entscheidende Document, das endgültig alle
Kontroversen über Don Carlos erledigt, ist ein eigenhändiges Schreiben Guzman's an Fer¬
dinand vom 10. März 1562 a. a. O. S. 290 f.
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[0257] eigene Familie aninger wollte, was hätte ihm das für Nutzen gebracht? Man darf nämlich nicht übersehen, daß wie zwischen den herrschenden Per¬ sonen, so auch zwischen den Politikern von Wien und Madrid die allerengsten Beziehungen walteten: unter Karl V. hatten sie ja alle Einem Herrn und Einem Ziele gedient; und dieser Zustand wirkte damals noch nach. Der Diplomat, der den Kaiser Ferdinand von 1560 bis 1563 in Madrid vertrat, Martin de Guzman wurde mit dem vollsten und rückhaltlosesten Vertrauen von Ferdinand und auch von Philipp beehrt; ihm wurde die Wahrheit gesagt, und auf seine Discretion verließ man sich vollständig; er, der Spanier hatte in Madrid Gelegenheit Nachrichten einzuziehen und Urtheile sich zu bilden. Wie kaum ein anderer der fremden Diplomaten. Und durch diesen Guzman Wurden gerade die Erörterungen über Don Carlos und seine Verlobungsan¬ gelegenheit geführt. Während aber Guzman in Spanien Philipp's Erklärung über Don Carlos' Zukunft herbeizuführen beschäftigt war, hatte Philipp's Vertreter am Wiener Hofe, der Graf von Luna, eine andere delikate Ange¬ legenheit zu betreiben: Philipp wünschte einen oder zwei seiner Neffen, unter ihnen den ältesten, den jungen Erzherzog Rudolf, nach Spanien geschickt zu erhalten, um sie hier gut katholisch und gut spanisch erziehen zu lassen. Das War ein Pfand für die Gesinnungsänderung Maximilian's, für seinen Entschluß beim Katholicismus auszuhalten; es wurde aber zu gleicher Zeit schon ein Hinweis gegeben auf die Möglichkeit, daß Rudolf der Erbe auch der spani¬ schen Krone würde. So stund ja die Sache: Philipp selbst war nicht von fester Gesundheit; aus erster Ehe hatte er den einen Sohn, Carlos, an dessen Suceessionsfähigkeit er damals schon zweifelte; die zweite Ehe war kinderlos geblieben; und die dritte Frau, Elisabeth, war noch sehr jung: sie war bisher uicht schwanger geworden; man besorgte damals noch, daß sie überhaupt un- fruchtbar sein könnte: daraus ergab sich aber das eventuelle Erbrecht der deutschen Linie; und Philipp wünschte aus diesem Grunde unter seinen Augen Neffen aufwachsen zu sehen.*) Wiederholt war im Jahre 1561 verlangt worden, daß Philipp sich äußere trüber, ob Carlos die Erzherzogin Anna heirathen würde. Er hatte immer e>Ne bestimmte Antwort vermieden, er hatte die häufige Krankheit des Prinzen Kls Ursache seiner Zögerung angegeben. In Wien war man damit nicht zu¬ frieden ; man wiederholte die Anfrage in dringlicherem Tone. Da entschloß ^es Philipp deutlicher zu werden. Im März 1562 erhielt Guzman einen Bescheid, welcher den Mangel an Gesundheit und die „mäisxvLioivn" des Prinzen als Grund anführte, weshalb man zur Zeit über seine Zukunft noch ') Detaillirtere Mittheilungen, Citate und Wortlaut der wichtigeren Aktenstücke findet man 32. Bande der Historischen Zeitschrift. Das entscheidende Document, das endgültig alle Kontroversen über Don Carlos erledigt, ist ein eigenhändiges Schreiben Guzman's an Fer¬ dinand vom 10. März 1562 a. a. O. S. 290 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/257>, abgerufen am 27.07.2024.