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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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ren Anschein nicht leicht erklärliche Benehmen des Grafen. Der Natur der
Sache nach ist eine vorgesetzte Behörde in Betreff der Dienstleistungen in der
Regel Ankläger und Richter zugleich; sie weiß am besten, worüber sie klagt,
und bedarf nicht des Vorhaltens ihrer eigenen Anklagen. Aber der Graf wollte
vielmehr diese Anklage einer dritten Person vorhalten, bei der er sich, mit
Uebergehung seiner vorgesetzten Behörde, vertheidigen wollte. Diese dritte
Person ist Niemand anders, als des Kaisers Majestät. Graf Arnim wollte,
die gegen ihn erhobenen Anklagen in der Hand, seinen Ankläger anklagen.
Er schreibt an den Staatssekretär des auswärtigen Amts: der Reichskanzler
beschuldige ihn, mit einer der Person des Kaisers verwandtschaftlich so nahe
als möglich stehenden Person gegen den Reichskanzler conspirirt zu haben.
Es sind offenbar diese, nach halbamtlichen Versicherungen überdies gegen das
Original geänderten Worte, um derentwillen Gras Arnim diesen ganzen
Schriftwechsel der Öffentlichkeit übergeben hat. Ein beredtes Zeugniß für
die Beschaffenheit seines Patriotismus. Wenn der Graf in seinen Zuschriften
an das auswärtige Amt mit herausforderndem Trotz seine Gleichgültigkeit
gegen ein strafrechtliches Verfahren ausdrückt, so sieht man deutlich: er hat
darauf gepocht, daß man die Herausgabe solcher Dokumente niemals werde
gerichtlich erzwingen wollen, um den Inhalt nicht an die Oeffentlichkeit
kommen zu lassen. Jetzt wo dies dennoch geschehen ist, trägt der Graf Sorge,
den Inhalt der von ihm einbehaltenen Dokumente in den großen europäischen
Zeitungen zwischen den Zeilen lesbar zu machen, damit das Gericht, durch
etwaigen Ausschluß der Oeffentlichkeit das Staatsinteresse und hohe Rück¬
sichten des Anstandes zu wahren, außer Stand gesetzt werde. Diese letzte
durch den Grafen bewirkte Veröffentlichung muß den Verdacht erzeugen, daß
er die einbehaltenen Aktenstücke nicht blos einbehalten hat, um sie an des
Kaisers Majestät zu bringen, wo er die Bekanntschaft mit dem Inhalt voraus¬
setzen mußte, sondern auch noch zu anderweiten Gebrauch. --

Wenden wir uns für heute zu einem humoristischen Zug in dieser trau¬
rigen Geschichte, traurig durch den Beweis, zu welchem Grad von Pflicht¬
vergessenheit Größenwahnsinn und Eitelkeit einen Mann vom alten preußischen
Adel in hohen Vertrauensämtern führen konnten. Der humoristische Zug
aber ist folgender. Graf Arnim, erinnert, daß für jeden Beamten zur Dis¬
position eine vorgesetzte Behörde gegeben bleibe, fragt: wer denn die vor¬
gesetzte Behörde des in Ruhestand versetzten Reichskanzlers sei: Die selbst¬
verständliche Antwort: der aktive Reichskanzler, hat er nicht gefunden, weil
er sich an die Logik der Krähwinkler auf den Bilderbogen für Kinder hingab.
Ein solcher Mann ist von dem Ehrgeiz gepeitscht, den Fürsten Bismarck z"
v--r. ersetzen. Ist das nicht humoristisch?




Verantwortlicher Redakteur: 0r. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Legler in Leipzig.

ren Anschein nicht leicht erklärliche Benehmen des Grafen. Der Natur der
Sache nach ist eine vorgesetzte Behörde in Betreff der Dienstleistungen in der
Regel Ankläger und Richter zugleich; sie weiß am besten, worüber sie klagt,
und bedarf nicht des Vorhaltens ihrer eigenen Anklagen. Aber der Graf wollte
vielmehr diese Anklage einer dritten Person vorhalten, bei der er sich, mit
Uebergehung seiner vorgesetzten Behörde, vertheidigen wollte. Diese dritte
Person ist Niemand anders, als des Kaisers Majestät. Graf Arnim wollte,
die gegen ihn erhobenen Anklagen in der Hand, seinen Ankläger anklagen.
Er schreibt an den Staatssekretär des auswärtigen Amts: der Reichskanzler
beschuldige ihn, mit einer der Person des Kaisers verwandtschaftlich so nahe
als möglich stehenden Person gegen den Reichskanzler conspirirt zu haben.
Es sind offenbar diese, nach halbamtlichen Versicherungen überdies gegen das
Original geänderten Worte, um derentwillen Gras Arnim diesen ganzen
Schriftwechsel der Öffentlichkeit übergeben hat. Ein beredtes Zeugniß für
die Beschaffenheit seines Patriotismus. Wenn der Graf in seinen Zuschriften
an das auswärtige Amt mit herausforderndem Trotz seine Gleichgültigkeit
gegen ein strafrechtliches Verfahren ausdrückt, so sieht man deutlich: er hat
darauf gepocht, daß man die Herausgabe solcher Dokumente niemals werde
gerichtlich erzwingen wollen, um den Inhalt nicht an die Oeffentlichkeit
kommen zu lassen. Jetzt wo dies dennoch geschehen ist, trägt der Graf Sorge,
den Inhalt der von ihm einbehaltenen Dokumente in den großen europäischen
Zeitungen zwischen den Zeilen lesbar zu machen, damit das Gericht, durch
etwaigen Ausschluß der Oeffentlichkeit das Staatsinteresse und hohe Rück¬
sichten des Anstandes zu wahren, außer Stand gesetzt werde. Diese letzte
durch den Grafen bewirkte Veröffentlichung muß den Verdacht erzeugen, daß
er die einbehaltenen Aktenstücke nicht blos einbehalten hat, um sie an des
Kaisers Majestät zu bringen, wo er die Bekanntschaft mit dem Inhalt voraus¬
setzen mußte, sondern auch noch zu anderweiten Gebrauch. —

Wenden wir uns für heute zu einem humoristischen Zug in dieser trau¬
rigen Geschichte, traurig durch den Beweis, zu welchem Grad von Pflicht¬
vergessenheit Größenwahnsinn und Eitelkeit einen Mann vom alten preußischen
Adel in hohen Vertrauensämtern führen konnten. Der humoristische Zug
aber ist folgender. Graf Arnim, erinnert, daß für jeden Beamten zur Dis¬
position eine vorgesetzte Behörde gegeben bleibe, fragt: wer denn die vor¬
gesetzte Behörde des in Ruhestand versetzten Reichskanzlers sei: Die selbst¬
verständliche Antwort: der aktive Reichskanzler, hat er nicht gefunden, weil
er sich an die Logik der Krähwinkler auf den Bilderbogen für Kinder hingab.
Ein solcher Mann ist von dem Ehrgeiz gepeitscht, den Fürsten Bismarck z»
v—r. ersetzen. Ist das nicht humoristisch?




Verantwortlicher Redakteur: 0r. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Legler in Leipzig.
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[0244] ren Anschein nicht leicht erklärliche Benehmen des Grafen. Der Natur der Sache nach ist eine vorgesetzte Behörde in Betreff der Dienstleistungen in der Regel Ankläger und Richter zugleich; sie weiß am besten, worüber sie klagt, und bedarf nicht des Vorhaltens ihrer eigenen Anklagen. Aber der Graf wollte vielmehr diese Anklage einer dritten Person vorhalten, bei der er sich, mit Uebergehung seiner vorgesetzten Behörde, vertheidigen wollte. Diese dritte Person ist Niemand anders, als des Kaisers Majestät. Graf Arnim wollte, die gegen ihn erhobenen Anklagen in der Hand, seinen Ankläger anklagen. Er schreibt an den Staatssekretär des auswärtigen Amts: der Reichskanzler beschuldige ihn, mit einer der Person des Kaisers verwandtschaftlich so nahe als möglich stehenden Person gegen den Reichskanzler conspirirt zu haben. Es sind offenbar diese, nach halbamtlichen Versicherungen überdies gegen das Original geänderten Worte, um derentwillen Gras Arnim diesen ganzen Schriftwechsel der Öffentlichkeit übergeben hat. Ein beredtes Zeugniß für die Beschaffenheit seines Patriotismus. Wenn der Graf in seinen Zuschriften an das auswärtige Amt mit herausforderndem Trotz seine Gleichgültigkeit gegen ein strafrechtliches Verfahren ausdrückt, so sieht man deutlich: er hat darauf gepocht, daß man die Herausgabe solcher Dokumente niemals werde gerichtlich erzwingen wollen, um den Inhalt nicht an die Oeffentlichkeit kommen zu lassen. Jetzt wo dies dennoch geschehen ist, trägt der Graf Sorge, den Inhalt der von ihm einbehaltenen Dokumente in den großen europäischen Zeitungen zwischen den Zeilen lesbar zu machen, damit das Gericht, durch etwaigen Ausschluß der Oeffentlichkeit das Staatsinteresse und hohe Rück¬ sichten des Anstandes zu wahren, außer Stand gesetzt werde. Diese letzte durch den Grafen bewirkte Veröffentlichung muß den Verdacht erzeugen, daß er die einbehaltenen Aktenstücke nicht blos einbehalten hat, um sie an des Kaisers Majestät zu bringen, wo er die Bekanntschaft mit dem Inhalt voraus¬ setzen mußte, sondern auch noch zu anderweiten Gebrauch. — Wenden wir uns für heute zu einem humoristischen Zug in dieser trau¬ rigen Geschichte, traurig durch den Beweis, zu welchem Grad von Pflicht¬ vergessenheit Größenwahnsinn und Eitelkeit einen Mann vom alten preußischen Adel in hohen Vertrauensämtern führen konnten. Der humoristische Zug aber ist folgender. Graf Arnim, erinnert, daß für jeden Beamten zur Dis¬ position eine vorgesetzte Behörde gegeben bleibe, fragt: wer denn die vor¬ gesetzte Behörde des in Ruhestand versetzten Reichskanzlers sei: Die selbst¬ verständliche Antwort: der aktive Reichskanzler, hat er nicht gefunden, weil er sich an die Logik der Krähwinkler auf den Bilderbogen für Kinder hingab. Ein solcher Mann ist von dem Ehrgeiz gepeitscht, den Fürsten Bismarck z» v—r. ersetzen. Ist das nicht humoristisch? Verantwortlicher Redakteur: 0r. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/244>, abgerufen am 27.07.2024.