Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.zunächst an den Kardinal Karl von Lothringen, und ließ dieser sich bereit Auf beiden Seiten fehlten übrigens die Mittel zu einer energischen zunächst an den Kardinal Karl von Lothringen, und ließ dieser sich bereit Auf beiden Seiten fehlten übrigens die Mittel zu einer energischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132246"/> <p xml:id="ID_42" prev="#ID_41"> zunächst an den Kardinal Karl von Lothringen, und ließ dieser sich bereit<lb/> finden, die Feindseligkeiten einzustellen, wenn der Kaiser dem „Marquis von<lb/> Brandenburg" und dem Senat von Straßburg anbefehlen wollte, die Waffen<lb/> niederzulegen. In Folge dessen richteten die Kommissarien an letztere die<lb/> Aufforderung, sich dem zu gewärtigenden Schiedsrichterspruche des Kaisers zu<lb/> unterwerfen. Johann Georg aber erklärte in voller Uebereinstimmung mit<lb/> dem Senate, daß diese Angelegenheit nicht zur Competenz des Kaisers allein<lb/> gehöre, sondern daß die gesammten Staaten des Reichs darüber zu entscheiden<lb/> hätten; überdies könne er in keinerlei Verhandlungen eintreten, bevor er nicht<lb/> die Zustimmung des Kurfürsten von Brandenburg erhalten habe. Diese Er¬<lb/> klärung, welche der Senat unterstützte, schnitt allen weiteren Vermittlungen<lb/> die Spitze ab. Der Kardinal rückte nunmehr mit Macht heran und nahm<lb/> Kochersderg mit Sturm; in seinem Zorn gab der geistliche Herr die ganze<lb/> Besatzung der Vernichtung Preis und ließ nur dem einzigen Manne Gnade<lb/> widerfahren, der sich zu der Henkersarbeit, den Kommandanten von Kochers¬<lb/> berg zu hängen, bereit erklärte. Der Senat ließ sich durch diese Härte, sowie<lb/> durch den Fall von Dachstein und Wesselnheim nicht einschüchtern, sondern<lb/> verbot vielmehr den Katholiken die Ausübung des Gottesdienstes auch in der<lb/> ihnen bisher noch überlassenen Kirche Se. Johann. Johann Georg jedoch,<lb/> in dem Streben, die Katholiken mit sich zu versöhnen, erließ am 19. Juli<lb/> ein Manifest, in welchem er allen seinen Unterthanen völlige Gewissensfreiheit<lb/> zusagte und gleichzeitig seine Anrechte auf die bischöfliche Würde klarlegte,<lb/> indem er darthat, daß seine Wahl, da sie in Straßburg, dem für die Ver¬<lb/> sammlungen des Kapitals bestimmten Orte, und durch die Majorität der<lb/> Stiftsherren vollzogen worden, ganz und ohne allen Zweifel kanonisch sei.<lb/> Indessen hielt er es doch für nothwendig, sein Ansehen durch einen militärischen<lb/> Erfolg entschiedener zu stärken, und er versuchte daher nach Ankunft der<lb/> Hülfstruppen von Zürich, Bern und Basel und der des Grafen von Nürn¬<lb/> berg das von den Lothringern stark besetzte Molsheim zu nehmen. Nach<lb/> einigen Verlusten sah er sich jedoch zum Rückzüge genöthigt, bis Prinz<lb/> Christian von Anhalt zu seiner Unterstützung heranzog und es ihm gelang,<lb/> durch wiederholte heftige Angriffe das feste Molsheim zur Uebergabe zu<lb/> Zwingen. Durch diese glückliche Waffenthat wurde das Ansehen der protestan¬<lb/> tischen Partei bedeutend gehoben und ihr ein festerer Halt gegeben. Ein<lb/> Versuch, den die lothringischen Truppen in der Folgezeit machten, sich Schlett-<lb/> stadts durch Ueberfall zu bemächtigen, scheiterte an dem Muthe der über ihre<lb/> Freiheit sorgsam wachenden Bürger.</p><lb/> <p xml:id="ID_43" next="#ID_44"> Auf beiden Seiten fehlten übrigens die Mittel zu einer energischen<lb/> Kriegführung, und nachdem der Kampf sich bereits fast ein ganzes Jahr lang<lb/> hingezogen hatte, ohne daß ein wirklich entscheidender Schlag geführt worden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
zunächst an den Kardinal Karl von Lothringen, und ließ dieser sich bereit
finden, die Feindseligkeiten einzustellen, wenn der Kaiser dem „Marquis von
Brandenburg" und dem Senat von Straßburg anbefehlen wollte, die Waffen
niederzulegen. In Folge dessen richteten die Kommissarien an letztere die
Aufforderung, sich dem zu gewärtigenden Schiedsrichterspruche des Kaisers zu
unterwerfen. Johann Georg aber erklärte in voller Uebereinstimmung mit
dem Senate, daß diese Angelegenheit nicht zur Competenz des Kaisers allein
gehöre, sondern daß die gesammten Staaten des Reichs darüber zu entscheiden
hätten; überdies könne er in keinerlei Verhandlungen eintreten, bevor er nicht
die Zustimmung des Kurfürsten von Brandenburg erhalten habe. Diese Er¬
klärung, welche der Senat unterstützte, schnitt allen weiteren Vermittlungen
die Spitze ab. Der Kardinal rückte nunmehr mit Macht heran und nahm
Kochersderg mit Sturm; in seinem Zorn gab der geistliche Herr die ganze
Besatzung der Vernichtung Preis und ließ nur dem einzigen Manne Gnade
widerfahren, der sich zu der Henkersarbeit, den Kommandanten von Kochers¬
berg zu hängen, bereit erklärte. Der Senat ließ sich durch diese Härte, sowie
durch den Fall von Dachstein und Wesselnheim nicht einschüchtern, sondern
verbot vielmehr den Katholiken die Ausübung des Gottesdienstes auch in der
ihnen bisher noch überlassenen Kirche Se. Johann. Johann Georg jedoch,
in dem Streben, die Katholiken mit sich zu versöhnen, erließ am 19. Juli
ein Manifest, in welchem er allen seinen Unterthanen völlige Gewissensfreiheit
zusagte und gleichzeitig seine Anrechte auf die bischöfliche Würde klarlegte,
indem er darthat, daß seine Wahl, da sie in Straßburg, dem für die Ver¬
sammlungen des Kapitals bestimmten Orte, und durch die Majorität der
Stiftsherren vollzogen worden, ganz und ohne allen Zweifel kanonisch sei.
Indessen hielt er es doch für nothwendig, sein Ansehen durch einen militärischen
Erfolg entschiedener zu stärken, und er versuchte daher nach Ankunft der
Hülfstruppen von Zürich, Bern und Basel und der des Grafen von Nürn¬
berg das von den Lothringern stark besetzte Molsheim zu nehmen. Nach
einigen Verlusten sah er sich jedoch zum Rückzüge genöthigt, bis Prinz
Christian von Anhalt zu seiner Unterstützung heranzog und es ihm gelang,
durch wiederholte heftige Angriffe das feste Molsheim zur Uebergabe zu
Zwingen. Durch diese glückliche Waffenthat wurde das Ansehen der protestan¬
tischen Partei bedeutend gehoben und ihr ein festerer Halt gegeben. Ein
Versuch, den die lothringischen Truppen in der Folgezeit machten, sich Schlett-
stadts durch Ueberfall zu bemächtigen, scheiterte an dem Muthe der über ihre
Freiheit sorgsam wachenden Bürger.
Auf beiden Seiten fehlten übrigens die Mittel zu einer energischen
Kriegführung, und nachdem der Kampf sich bereits fast ein ganzes Jahr lang
hingezogen hatte, ohne daß ein wirklich entscheidender Schlag geführt worden
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