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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Wildbad kam uns aber noch ein kleineres, weniger anspruchvolles, das lieb¬
liche Teinach. Das war Schwarzwaldnatur. Schwarzwaldluft! Deutschland
hat herrliche Wälder, aber als der schönste ist mir immer der Schwarzwald
erschienen- Es war doch Herbst, aber so frisch wie ^im Frühling leuchtete
dieses Wiesengrün, das den Fußpfad nach Teinach umsäumte. Würziger
Duft entströmte den Tannen, die das enge Thälchen umrahmen. Dem Kranken,
der hierher kommt, muß es schon beim ersten Blick aus den stillen Kurort
Wie eine bestimmte Hoffnung der Genesung überkommen. Alles ist freundlich,
bequem, zweckentsprechend eingerichtet. Der Kurarzt namentlich, Herr Dr. Wurm,
ist der besorgte Freund seiner Gäste. Die Zerstreuungen eines Weltbades
bietet natürlich Teinach nicht. Seine Natur ist Alles, was es giebt, aber
daran hat man genug.

Wir stiegen nach Zavelstein hinauf, dem kleinsten Städtchen Württem¬
bergs, das aber einst doch einen eigenen Abgeordneten in den Landtag
schicken durfte.


"Nie von Riß und Sprung geröthet
Ragt sein schlanker Nömerthurm,
Wie gegossen und gelöthet
Quaderfest im Zeitensturm"

utirte ich meinem Söhnlein aus dem ,,(Zg.uäea,inn,s" Viktor Scheffel's und auch:


"Ruhsam stand der Ortsbewohner
Vor dem Haus im Sonntagskleid,"

denn Sonntag war's und die biedern Zavelsteiner standen wirklich gar ruhsam
unter ihren Thüren. Es waren andere Typen, als wir bisher in Schwaben
gesehen: dunkler Teint, schwarze Haare, mehr Rund- als Langkopf; der
dunkelblaue Nock mit der auffallend kurzen Taille und den blanken Metall-
Köpfen, der Sonntagsstaat der Männer; der schwarze, faltenreiche, am
Mieder mit hellblauen Bändern verzierte der der Frauen. Auch wie andere
Sprache klangs in unsern Ohren; jene breiten, gedehnten, unaussprechlichen
Diphthongen macht kein Sterblicher dem Schwarzwälder nach.

Immer mehr nahm auch die Landschaft den eigentlichen Schwarzwald¬
charakter an. Nur Ein Dorf auf dem ganzen Weg, Oberreichenbach, aber
vereinzelte, auf die grünen Matten hingestreute, in sich abgeschlossene Gehöfte.
In solch hölzernem Blockhaus, aus über einander gelegten Balken gefügt,
"Ut seinem niedern Schindeldach und der Holztäfelung an Decke und Wänden,
lohnte wahrscheinlich schon der erste Ansiedler im Schwarzwald. In solch
^geschiedenen Gegenden verändert sich der Mensch und sein Haus wenig,
^use wie dieser ist der Wald, der nun auf beiden Seiten in langen, dichten
Tannenreihen die Straße begleitete. Stundenlang gings so fort. Endlich
s^kee sich der Weg zu wildschönem, flußdurchrauschtem Thal. Bahnhoflichter.


Wildbad kam uns aber noch ein kleineres, weniger anspruchvolles, das lieb¬
liche Teinach. Das war Schwarzwaldnatur. Schwarzwaldluft! Deutschland
hat herrliche Wälder, aber als der schönste ist mir immer der Schwarzwald
erschienen- Es war doch Herbst, aber so frisch wie ^im Frühling leuchtete
dieses Wiesengrün, das den Fußpfad nach Teinach umsäumte. Würziger
Duft entströmte den Tannen, die das enge Thälchen umrahmen. Dem Kranken,
der hierher kommt, muß es schon beim ersten Blick aus den stillen Kurort
Wie eine bestimmte Hoffnung der Genesung überkommen. Alles ist freundlich,
bequem, zweckentsprechend eingerichtet. Der Kurarzt namentlich, Herr Dr. Wurm,
ist der besorgte Freund seiner Gäste. Die Zerstreuungen eines Weltbades
bietet natürlich Teinach nicht. Seine Natur ist Alles, was es giebt, aber
daran hat man genug.

Wir stiegen nach Zavelstein hinauf, dem kleinsten Städtchen Württem¬
bergs, das aber einst doch einen eigenen Abgeordneten in den Landtag
schicken durfte.


„Nie von Riß und Sprung geröthet
Ragt sein schlanker Nömerthurm,
Wie gegossen und gelöthet
Quaderfest im Zeitensturm"

utirte ich meinem Söhnlein aus dem ,,(Zg.uäea,inn,s" Viktor Scheffel's und auch:


„Ruhsam stand der Ortsbewohner
Vor dem Haus im Sonntagskleid,"

denn Sonntag war's und die biedern Zavelsteiner standen wirklich gar ruhsam
unter ihren Thüren. Es waren andere Typen, als wir bisher in Schwaben
gesehen: dunkler Teint, schwarze Haare, mehr Rund- als Langkopf; der
dunkelblaue Nock mit der auffallend kurzen Taille und den blanken Metall-
Köpfen, der Sonntagsstaat der Männer; der schwarze, faltenreiche, am
Mieder mit hellblauen Bändern verzierte der der Frauen. Auch wie andere
Sprache klangs in unsern Ohren; jene breiten, gedehnten, unaussprechlichen
Diphthongen macht kein Sterblicher dem Schwarzwälder nach.

Immer mehr nahm auch die Landschaft den eigentlichen Schwarzwald¬
charakter an. Nur Ein Dorf auf dem ganzen Weg, Oberreichenbach, aber
vereinzelte, auf die grünen Matten hingestreute, in sich abgeschlossene Gehöfte.
In solch hölzernem Blockhaus, aus über einander gelegten Balken gefügt,
"Ut seinem niedern Schindeldach und der Holztäfelung an Decke und Wänden,
lohnte wahrscheinlich schon der erste Ansiedler im Schwarzwald. In solch
^geschiedenen Gegenden verändert sich der Mensch und sein Haus wenig,
^use wie dieser ist der Wald, der nun auf beiden Seiten in langen, dichten
Tannenreihen die Straße begleitete. Stundenlang gings so fort. Endlich
s^kee sich der Weg zu wildschönem, flußdurchrauschtem Thal. Bahnhoflichter.


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[0231] Wildbad kam uns aber noch ein kleineres, weniger anspruchvolles, das lieb¬ liche Teinach. Das war Schwarzwaldnatur. Schwarzwaldluft! Deutschland hat herrliche Wälder, aber als der schönste ist mir immer der Schwarzwald erschienen- Es war doch Herbst, aber so frisch wie ^im Frühling leuchtete dieses Wiesengrün, das den Fußpfad nach Teinach umsäumte. Würziger Duft entströmte den Tannen, die das enge Thälchen umrahmen. Dem Kranken, der hierher kommt, muß es schon beim ersten Blick aus den stillen Kurort Wie eine bestimmte Hoffnung der Genesung überkommen. Alles ist freundlich, bequem, zweckentsprechend eingerichtet. Der Kurarzt namentlich, Herr Dr. Wurm, ist der besorgte Freund seiner Gäste. Die Zerstreuungen eines Weltbades bietet natürlich Teinach nicht. Seine Natur ist Alles, was es giebt, aber daran hat man genug. Wir stiegen nach Zavelstein hinauf, dem kleinsten Städtchen Württem¬ bergs, das aber einst doch einen eigenen Abgeordneten in den Landtag schicken durfte. „Nie von Riß und Sprung geröthet Ragt sein schlanker Nömerthurm, Wie gegossen und gelöthet Quaderfest im Zeitensturm" utirte ich meinem Söhnlein aus dem ,,(Zg.uäea,inn,s" Viktor Scheffel's und auch: „Ruhsam stand der Ortsbewohner Vor dem Haus im Sonntagskleid," denn Sonntag war's und die biedern Zavelsteiner standen wirklich gar ruhsam unter ihren Thüren. Es waren andere Typen, als wir bisher in Schwaben gesehen: dunkler Teint, schwarze Haare, mehr Rund- als Langkopf; der dunkelblaue Nock mit der auffallend kurzen Taille und den blanken Metall- Köpfen, der Sonntagsstaat der Männer; der schwarze, faltenreiche, am Mieder mit hellblauen Bändern verzierte der der Frauen. Auch wie andere Sprache klangs in unsern Ohren; jene breiten, gedehnten, unaussprechlichen Diphthongen macht kein Sterblicher dem Schwarzwälder nach. Immer mehr nahm auch die Landschaft den eigentlichen Schwarzwald¬ charakter an. Nur Ein Dorf auf dem ganzen Weg, Oberreichenbach, aber vereinzelte, auf die grünen Matten hingestreute, in sich abgeschlossene Gehöfte. In solch hölzernem Blockhaus, aus über einander gelegten Balken gefügt, "Ut seinem niedern Schindeldach und der Holztäfelung an Decke und Wänden, lohnte wahrscheinlich schon der erste Ansiedler im Schwarzwald. In solch ^geschiedenen Gegenden verändert sich der Mensch und sein Haus wenig, ^use wie dieser ist der Wald, der nun auf beiden Seiten in langen, dichten Tannenreihen die Straße begleitete. Stundenlang gings so fort. Endlich s^kee sich der Weg zu wildschönem, flußdurchrauschtem Thal. Bahnhoflichter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/231>, abgerufen am 29.12.2024.