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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Vincke S, 288), der wegen der Charakteristik der Geliebten auch biographisch
interessant ist, den schönsten Liebesgedichten voll von energischem Ausdrucke des
Gefühls beizugesellen ist, welche die englische Lyrik auszuweisen hat. Vincke
hat ihn trefflich übersetzt:


O mein Lieb hat ein Auge vom sanftesten Blau,
Doch das war es nicht, was mich entzückt hat:
Ein glänzendes Tröpflein der Seele darin,
Das ist's, was den Sinn mir berückt hat.
Wohl möcht ich die Wange, die liebliche, schaun,
Und vielleicht noch die Flamme beschwor ich;
Doch ein schüchternes Noth trat zitternd hervor --
Und mein Herz für immer verlor ich.
Wohl möcht ich vergessen die Lippe so roth --
Doch wie dem Gedanken entrinnen?
Und ein horniges Lächeln verklärte den Mund:
Das bleibt mir im Herzen ticfinncn! --
Denk nicht, daß die irdische schlanke Gestalt
Mich verfolgt und mir überall Stand hält;
's ist der duftige Geist, der sie strahlend belebt,
Und die Anmuth, was mich gebannt hält.
Ich mag nicht hören der Nachtigall Sang,
Ob auch einst mich beseligt ihr Singen: "
O die Seel' und der Sinn in dem flüsternden Wort
Läßt jede Musik mir verklingen.
Und liebt ich dies Antlitz im ersten Moment,
Wer tadelte wohl mein Bekenntniß?
Doch bet ich sie an um ihr warm, warm Herz,
Um des Herzens bezaubernd Verständniß.

Außer den besprochenen Gedichten und einigen in einem "^ppenM"
(p. 449--473) gebotenen Aphorismen nebst englischen und lateinischen Verse"
der Schulzeit enthalten aus der poetischen Hinterlassenschaft Wolfe's die
"Nemaivs" noch von Vincke trefflich übersetzte fünf Gedichte und zwei kleine
poetisch-prosaische Stücke. Es sind das eben Schöpfungen von mittlere^
Werthe, und es genügt, hier zur Vervollständigung' der Charakteristik Wolfe'6
als Poet nur hervorzuheben, daß sich unter den Gedichten noch zwei befinden'
die historische Stoffe mit jugendlichem Pathos behandeln und nicht oh>
einzelne großartige Züge sind; es ist das ein gekröntes Preisgedicht aus
Universitätszeit (1809) über das gegebene Thema: ^ugurtkÄ inearecirAtuS


Vincke S, 288), der wegen der Charakteristik der Geliebten auch biographisch
interessant ist, den schönsten Liebesgedichten voll von energischem Ausdrucke des
Gefühls beizugesellen ist, welche die englische Lyrik auszuweisen hat. Vincke
hat ihn trefflich übersetzt:


O mein Lieb hat ein Auge vom sanftesten Blau,
Doch das war es nicht, was mich entzückt hat:
Ein glänzendes Tröpflein der Seele darin,
Das ist's, was den Sinn mir berückt hat.
Wohl möcht ich die Wange, die liebliche, schaun,
Und vielleicht noch die Flamme beschwor ich;
Doch ein schüchternes Noth trat zitternd hervor —
Und mein Herz für immer verlor ich.
Wohl möcht ich vergessen die Lippe so roth —
Doch wie dem Gedanken entrinnen?
Und ein horniges Lächeln verklärte den Mund:
Das bleibt mir im Herzen ticfinncn! —
Denk nicht, daß die irdische schlanke Gestalt
Mich verfolgt und mir überall Stand hält;
's ist der duftige Geist, der sie strahlend belebt,
Und die Anmuth, was mich gebannt hält.
Ich mag nicht hören der Nachtigall Sang,
Ob auch einst mich beseligt ihr Singen: "
O die Seel' und der Sinn in dem flüsternden Wort
Läßt jede Musik mir verklingen.
Und liebt ich dies Antlitz im ersten Moment,
Wer tadelte wohl mein Bekenntniß?
Doch bet ich sie an um ihr warm, warm Herz,
Um des Herzens bezaubernd Verständniß.

Außer den besprochenen Gedichten und einigen in einem „^ppenM"
(p. 449—473) gebotenen Aphorismen nebst englischen und lateinischen Verse"
der Schulzeit enthalten aus der poetischen Hinterlassenschaft Wolfe's die
«Nemaivs« noch von Vincke trefflich übersetzte fünf Gedichte und zwei kleine
poetisch-prosaische Stücke. Es sind das eben Schöpfungen von mittlere^
Werthe, und es genügt, hier zur Vervollständigung' der Charakteristik Wolfe'6
als Poet nur hervorzuheben, daß sich unter den Gedichten noch zwei befinden'
die historische Stoffe mit jugendlichem Pathos behandeln und nicht oh>
einzelne großartige Züge sind; es ist das ein gekröntes Preisgedicht aus
Universitätszeit (1809) über das gegebene Thema: ^ugurtkÄ inearecirAtuS


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/186>, abgerufen am 27.07.2024.